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19.04.2022

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Aus für Metabolismus-Ikone

Nakagin Capsule Tower in Tokio wird abgerissen


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Vor fünfzig Jahren entstand in Tokios Geschäftsviertel Ginza eine visionäre Behausung für einen neuen Lebensstil: den der modernen Arbeitsnomad*innen. Mit dem 1972 erbauten Nakagin Capsule Tower hatte der japanische Architekt Kisho Kurokawa, einer der Vorreiter der Metabolismus-Bewegung, ein Hochhaus ersonnen, in dessen minimalistischen Wohnbüros sich Ruhe suchende Angestellte inmitten des Großstadttrubels kurzzeitig von ihrer Umwelt abkapseln konnten. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: Angedockt an zwei vertikal emporragende Erschließungskerne stapeln sich 140 identische Betonkapseln in den Himmel, die mit großen Bullaugenfenstern an die Optik von Waschmaschinen erinnern. Nur knapp zehn Quadratmeter groß, boten diese vorgefertigten Rückzugsräume alle Annehmlichkeiten eines Hotels: integriertes Bett, Duschkabine und eine in die Wand eingebaute Stereo- und Telefonanlage. Schnell galt der futuristische Bau als Architekturikone – nun wird das einstige Zukunftssymbol abgerissen.

Wie viele „Betonmonster“ und „Raumschiffe“ der Nachkriegsmoderne weltweit war auch Kurokawas Bauwerk schon lange vom Verschwinden bedroht, rottete aufgrund wechselnder, teils unklarer Eigentumsverhältnisse und einer zunehmend eingeschränkten Nutzung immer weiter vor sich hin. Doch während beispielsweise das ICC in Berlin 2019 sozusagen in letzter Minute unter Denkmalschutz gestellt wurde und vorsichtig auf eine Zukunft hoffen kann, wird es für das Kapselhochhaus jetzt endgültig ernst: Vor wenigen Tagen, am 12. April 2022, begannen die offiziellen Abbrucharbeiten.

Zwar hatte es auch in Tokio Aktivist*innen und Initiativen gegeben, die jahre-, gar jahrzehntelang für eine Rettung des Gebäudes kämpften, doch schlugen sämtliche Versuche seiner Unterschutzstellung fehl. Das mag nicht zuletzt auch an einem eher unemotionalen, pragmatischen Umgang mit jüngerer Architektur geschuldet sein in einem Land, das immer wieder Erdbeben ausgesetzt ist. Dazu kommen ein Grundstück in zentraler Lage, das sich teuer verkaufen lässt, und die zunehmende Verwahrlosung, die den Turm mittlerweile beinahe schon dystopisch wirken lässt. Ein 2015 erschienener Bildband und zahlreiche im Internet veröffentlichte Fotos, die in den letzten Jahren während geführter Touren durch das Gebäude entstanden, zeigen Gerümpel, eine mit Netzen abgehängte Fassade, abblätternde Farbe oder Schimmel. Auch Asbest ist verbaut.

Der 2007 verstorbene Kurokawa sah noch bis zu seinem Tod Chancen für den Erhalt des Turms. Freilich wäre dafür der komplette Austausch der Kapseln notwendig gewesen – ein kostspieliges Unterfangen, für das sich keine Geldgeber*innen fanden. Dabei war ein regelmäßiges, alle 25 Jahre vorgesehenes Auswechseln der Module von Anfang an Teil des architektonischen Konzepts: Die Wohnzellen des Nakagin Capsule Tower sollten, den Grundsätzen der Metabolismus-Bewegung entsprechend, wie die Zellen eines sich ständig erneuernden Organismus funktionieren. Doch der gewünschte Stoffwechsel fand nie statt, noch hängen die Originalkabinen in der Turmstruktur. Immerhin sollen einige von ihnen nach der Dekonstruktion des Bauwerks erhalten bleiben – und als Tiny Houses und Museumsexponate in die Welt wandern. Eine erste Modellkapsel steht bereits im Museum of Modern Art in Saitama, nördlich von Tokio. Das wiederum wäre dann doch noch ein kleines Happy End im metabolistischen Sinne. (da)


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Kommentare

9

Anton Schedlbauer | 21.04.2022 10:56 Uhr

Stop it!

Dass das Gebäude trotz des mangelnden Unterhalts so lange besteht, spricht für die Qualität der Planung und Ausführung. Gerade heute in Zeiten von scheinbar nicht zu stoppenden Immobilienpreisen und Tiny Houses ist der Nakagin Capsule Tower aktueller als je zuvor.

In der ganzen Welt baut immer teurere Museen.

Hier hat man ein Stück gebaute Architekturgeschichte, das ja auch für die Träume einer ganzen Generation steht und das will man beseitigen? Um dann ein Modell davon im Museum anstaunen?

Jetzt bin ich mal sehr böse: Immer wenn ich davon höre, dass wieder ein Architekturdenkmal vom Abriss bedroht ist, denke ich an Bücherverbrennung.

Abseits von Museen hat man halt doch lieber Gelsenkirchener Barock.

8

SEDDIG | 19.04.2022 21:57 Uhr

Schade um eine Ikone

Ich war selber zwei Mal im Abstand von 20 Jahren vor Ort. Es ist ein kleines faszinierendes Gebäude unter den vielen Häusern in der Ginza. Sehr schade, dass es so verkommen ist und sich leider keine Mehrheit für den Erhalt ausgesprochen haben.
Der Zustand der Detailbilder in den Obergeschossen macht einen noch trauriger. Es sah 2017 vor Ort schon schlimm aus, mit den vielen Netzen.

7

Die Zuversicht | 19.04.2022 20:55 Uhr

Die Idee ist gut doch die Welt noch nicht bereit

Wenn ein Ende als Tiny House schon als happy end gilt... na dann gute Nacht. Ein neuerlichen Beispiel wie weit es um echtes Verständnis von Nachhaltigkeit bestellt ist. "Nicht alles was Ikone heisst muss auch gut sein". Ein Kommentar der die Messlatte mal wieder sehr tief hängt.

6

meta | 19.04.2022 19:00 Uhr

bolismus

Sehr schade, dass ein weiteres Stück anfassbarer Baugeschichte nun entsorgt wird. Wieso soll es nicht als vertikales Tiny-House weiterhin funktionieren können und wo bleibt der hier mehr als gerechtfertigte Denkmalschutz?
Ich war seinerzeit auf der Retrospektive von Kurokawa in Berlin und halte die dort ausgeteilte Kunststoff-Lupe heute noch in Ehren...

5

schlawuki | 19.04.2022 17:44 Uhr

solong

ich finde das ist immer noch ein absolut wegweisendes gebäude.
jetzt wird es abgebrochen.
so far, solong!

4

... | 19.04.2022 17:30 Uhr

:-(

:-( ... :-( ... :-(

trotz allem sehr schade...

3

KleinOskar | 19.04.2022 16:34 Uhr

Erstaunlich gut gehalten

Ich hatte den Kapsel Tower vor ca. 20 Jahren besichtigt. (Man bin ich alt) Er war damals schon abgewohnt Somit hat er noch lange standgehalten. Funktional trotz der engen japanischen Urbanität nicht tragbar. Ikone war er trotzdem.

2

Hinrich Schoppe | 19.04.2022 16:09 Uhr

Sothebys

Mal sehen, ob der findige Abbruchunternehmer auf die Idee kommt, die Kapseln einzeln zu versteigern.
Selbst in dem Zustand finden sich sicher Liebhaber.
By the way: Was kostet der Transport von Japan nach Europa? Wäre doch etwas für die heimische Design-Tiny-House Bewegung...

1

auch ein | 19.04.2022 15:43 Uhr

architekt

HA!
jetzt weiss ich woher die zur zeit wieder so chicen senkrecht verlegten plättli (kacheln) kommen!

das war ja mal ein lustiges ding, aber innovativ nie!
die zwischenräume der boxen waren immer nur design, für taubendreck und unzugängliche nicht zu wartenden bauteile.

manchmal ist es besser die bilder aus der bauzeit im kopf zu haben.....
nicht alles was ikone heisst muss auch gut sein

 
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Foto: Kakidai/Wikimedia CC BY-SA 4.0

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Foto: Dick Thomas Johnson/Wikimedia CC BY 2.0

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