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02.02.2017

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Eine Halle für alle?

Musikforum in Bochum von Bez+Kock


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Es gibt Projektbeschreibungen von Architekturbüros, die sind nur ein paar kurze Zeilen lang. Das mag manchmal an einer lobenswerten Einfachheit ihrer Entwurfsidee liegen, häufig stehen die wenigen Sätze aber auch für eine gewisse Gedankenarmut hinter einem Projekt. Bei der seitenlangen Erläuterung, die Bez+Kock (Stuttgart) zum Anneliese-Brost Musikforum in Bochum abgeben, wird eines offenbar: Das Büro hat sich bei Entwurf, Planung und Ausführung sehr stark mit seiner vielschichtigen Bauaufgabe auseinandergesetzt. Und diese Tiefgründigkeit zeigt sich deutlich an der Architektur des Musikforums in Bochum, das mit einem Konzertsaal und einem Multifunktionssaal das neue Haus der bislang heimatlosen Symphoniker der Stadt ist. Es steht mitten in einem Kneipenviertel und – das ist die eigentliche Herausforderung – es bindet die profanierte, neogotische St.-Marien-Kirche baulich ein.

In einer Fülle an Details, von denen hier nur einige genannt werden können, zeigt die Architektur des Musikforums, wie stark Bez+Kock eine gewisse Achtung vor dem Kirchenbau bewahren und gleichzeitig das Gebäude, das einst einer in sich gekehrten Gemeinde vorbehalten war, zu einem zeitgenössischen, öffentlichen Raum für Musik aufbrechen konnten. Zwei neue Gebäudeflügel aus einem weiß geschlämmten Ziegelmauerwerk flankieren das Langhaus der Kirche gerade so, dass nur der schmale Chor aus dem Ensemble heraustritt. Aufgehellter, moderner Klinker und präzise gesetzte Einschnitte treffen nun auf den dunklen Ziegel der Kirche mit ihren neogotischen Spitzbogenfenstern. Die kupfernen Türen und Fensterrahmen des Neubaus stellen mit ihrer patinierten Oberfläche einen visuellen Bezug zum Alten her. Eine langsam ansteigende Rampe im Norden führt zum Eingang – dem ehemaligen Chor –, was eine gewisse Sakralität reinszeniert, aber gleichzeitig auch eine klassische, öffentliche Platzanlage andeutet.

Im Kircheninnern ist zunächst ein Foyer eingerichtet, dessen Bodenabstufungen aus Terrazzo auf ein Sehen-und-Gesehen-Werden anspielen, wie es in Opern- und Theaterhäusern des 19. Jahrhunderts kultiviert wurde. Ebenso fügten Bez+Kock im Westen des ehemaligen Sakralbaus einen Multifunktionsaal für 300 Zuschauer ein, dessen Belichtung über die abdunkelbaren Fenster des Altbaus erfolgt. Im langen, voluminösen Nordflügel befindet sich schließlich der Konzertsaal für 962 Personen. Hier haben Bez+Kock einen neuartigen Zuschauersaal eingerichtet, der aus kleineren Sitzeinheiten rund um die Bühne besteht und eine für Philharmonien ungewohnte Nähe zum Orchester zulässt. Akustikfreundliches Kirschenholz ist in diesem Saal das dominante Material.

Um den Bau des Musikforums gab es in Bochum einige Auseinandersetzungen. „Zu teuer“, hatte der Bund der Steuerzahler proklamiert, mit der Jahrhunderthalle in einer ehemaligen Maschienenhalle sei bereits ein Konzertsaal vorhanden. Bürgerbegehren für und gegen das Projekt, das sich schließlich auf recht geringe 40 Millionen Euro Kosten belief, fanden dann statt. Schlussendlich machte eine Verbindung aus öffentlichen Fördergeldern des Landes Nordrhein-Westalen, der EU und der Stadt sowie Spenden von Bürgern und der namensgebenden Anneliese-Brost-Stiftung das Projekt möglich. Bez+Kock haben den Auftrag, ein Gebäude für die Öffentlichkeit zu schaffen, architektonisch in vielen Faccetten umgesetzt, hoffentlich wird die Öffentlichkeit dies auch in Zukunft so wahrnehmen. (sj)

Fotos: Brigida González


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Kommentare

6

Thomas | 03.02.2017 17:33 Uhr

Verwunderung

Eigentlich - so finde ich - zeigt sich die Klasse eines Gebäudes daran, dass man nicht lange Erläuterungstexte schreiben muss, um den Gedanken eines Entwurfes zu verstehen. So verwundert mich doch umso mehr, dass viele Ideen anscheinend der Erläuterung bedürfen.
Zu diesem Projekt könnte man sicherlich viel schreiben, die Fassade und ihr Material, die Übergänge Alt zu Neu und die für mich "unentschlossene" Fuge zwischen den Gebäudekörpern, aber das mag ja auch geschmacklich verschieden gesehen werden können.

Ärgerlich finde ich den Umgang mit der Marienkirche. Hier wird die Kirche nun um 180 Grad inhaltlich verdreht, das Hauptportal liebevoll zugemauert betritt man die Kirche im Bereich des ehemaligen Altarraumes - für mich aus dem Hintereingang - . Wo früher der Altar stand, ist nun der "Kartenkiosk", die beibehaltenen Wandmalereien, an den ehemaligen Nebenaltären gelegen, zieren nun den Abgang zu den Toiletten. Die Taufkapelle ist ein Abstellraum ....

Hätte diese ehemalige Kirche nicht noch viel mehr ein Ort der Begegnung werden können?
Ich stelle mir vor, dass man die Spuren der Vergangenheit auch treffender hätte konservieren können und die Geschichte des Gebäudes besser hätte lesbar machen können.

5

Andrea Palladio | 03.02.2017 13:26 Uhr

Überzeugende Ergänzung

Einfache und klare Umsetzung, dazu eine ruhige Fassade, die sich nicht marktschreierisch in den Vordergrund drängt und handwerklich gut umgesetzt ist. Hätten wir doch bloss mehr derartige "Langeweile".

4

micha | 03.02.2017 10:20 Uhr

tja Fritz

Meckern kann man immer (und wir Architekten tun das sehr gerne), aber - in Kenntnis der Projektvorgaben - ist das Ergebnis wirklich sehr schön geworden. Es ist städtebaulich angemessen und formal klasse!
Vielen Dank Bez+Kock!

3

Fritz | 03.02.2017 09:35 Uhr

die Kirche

die Kirche ist das schönste an dem ganzen Projekt. Ansonstes wirken die massiven neuen Baukörper sehr grob und nicht sensibel im Umgang mit der in die Zange genommene Kirche. Der Stein der Fassade vermag die Schlichtheit des Entwurfes hier leider im negativen Sinne nicht zu kompensieren.

2

peter | 02.02.2017 16:42 Uhr

bochum

ein sehr schönes projekt und ein entwurflich bemerkenswert unkomplizierter umgang mit der profanierten marienkirche.

in wirklichkeit kommen materialität und farbigkeit noch schöner als auf den leider etwas blassen fotos.

1

ziegelaffin | 02.02.2017 16:40 Uhr

...

...quadratkilometerweite Langweile als Fassadenkonzept.

 
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