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10.09.2019

Biodiversität in Leiden

Museumsanbau von Neutelings Riedijk


Biodiversität ist heute in Zeiten von Klimawandel und gefährdeten Ökosystemen ein wichtiger wie warnender Begriff. Aber schon vor 200 Jahren entwickelte sich das Bewusstsein für die Vielfalt der Natur. 1820 gründete etwa der niederländische König Willem I ein naturhistorisches Wissenschaftszentrum mit dem Auftrag, die Vielfalt von Lebensarten auf der Welt zu erforschen. Das Naturalis Biodiversity Center in Leiden besitzt mittlerweile 42.0000 Sammlungsstücke aus der Geologie und Biologie – und ist mit der weltweit fünftgrößten Kollektion in dem Gebiet ein Besuchermagnet. Mehr als 400.000 Personen suchen jährlich die Sammlung auf. Das eigene Museums- und Forschungsgebäude aus den 1990er Jahren von studio VVKH (Leiden) wird den steigenden Besucherzahlen nicht mehr gerecht. 2013 beauftragte das Center in Leiden Neutelings Riedijk Architecten (Rotterdam), den Entwurf für eine beachtliche Erweiterung samt Sanierung des VVKH-Bestands zu entwickeln. Seit August 2019 ist der Neubau mit einer Ausstellungsfläche von 17.000 Quadratmetern und Laboratorien über 3.000 Quadratmeter fertig.

Im Vergleich zur recht funktionalen Architektur des Baus von VVKH, der nun vornehmlich als Sammlungsdepot dient, ist der neue Trakt spektakulär. Wie auch bei ihrem zehngeschossigen Museumsturm in Antwerpen spielen Neutelings Riedijk die öffentliche Funktion des Baus mit einer aufsehenerregenden Architektur aus. Das neue Museumsgebäude erzählt bereits außen, was drinnen zu sehen ist: Für die Fassade wählten Neutelings Riedijk einen roten Naturstein, den sie wie Sedimentablagerungen horizontal übereinanderschichteten. Die Modedesignerin Iris van Herpen entwickelte zusätzlich Paneele aus Beton mit einer feingliedrigen, geschwungenen Oberfläche. Wie Friese ziehen sich die zu breiten Bändern zusammengelegten Paneele über die neunstöckige Fassade. Ihre an Tintenfischknochen erinnernde Textur gestaltete van Herpen, die sonst auch mal Kleidungsstücke für Cate Blanchett oder Beyoncé entwirft, nach dem Vorbild einiger Sammlungsstücke des Naturalis Biodiversity Center.

Der Neubau besteht konstruktiv aus einem neunstöckigen Kern auf einem nahezu quadratischen Grundriss. Um diesen Kern schlagen die Architekt*innen im Abstand von jeweils zwei Stockwerken zu drei Seiten hin einen zusätzlichen, leicht schrägwinkligen Raumkorpus. Leicht versetzt bilden diese Schichten über acht Geschosse hinweg die Ausstellungsräumlichkeiten, außen mit jener Sedimentfassade markiert. Die vierte, freie Seite des Grundquadrats grenzt an den Bestand an. Entlang dieser legten die Architekten das so genannte Atrium an, das schließlich mit neun Stockwerken den Ausstellungstrakt überragt. Innen bildet es den verbindenden Kern des neuen Museumskomplexes: Von dort aus zweigen alle Bereiche des Naturalis Diversity Centers ab. Die auffällige Betonstruktur des Atriums, die ein riesiges Netz sich verknotender Moleküle, Ovale und Polygone nachbilden soll – ist ein weiteres, visuell markantes Gestaltungselement des Neubaus und zeigt sich innen wie außen.

Im Erdgeschoss befinden sich ein Cafe und ein Shop. Darüber entfalten sich über acht Etagen die Ausstellungsräume mit festen und Wechselausstellungen. Will man nun in die oberen Stockwerke, so wandelt sich die Haupttreppe im Atrium zu eine Art Bergparcours, dessen Weg mit jedem Stockwerk immer enger wird. Der niederländische Designer Terd Boontje gestaltete entlang dieses Parcours eine Bildstrecke mit Pflanzen- und Tiermotiven an der Treppenwand. Boontjes Wandpaneele, Van Herpens Tintenfischknochen-Fries, die Erdschichtenfassade – bei diesem Gebäude haben Neutelings Riedijk Architecten bereits viel von der Vermittlungsaufgabe des Museums an die Architektur übertragen – vielleicht etwas zu viel. (sj)

Fotos: Scagliola Brakkee Fotografie


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Mit Naturstein und aufwändigen Betonstrukturen vermitteln Neutelings Riedijk schon außen, dass innen eine naturhistorische Sammlung ausgestellt wird.

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Die fast gotisch anmutende Betonstruktur des Atriums ist im Foyer mit Holz verkleidet.

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Der Turm des Bestands von 1997 (studio VVKH) und der neue Museumsanbau sprechen zwei unterschiedliche architektonische Sprachen.

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Spangenartig legen sich zweistöckige Raumschichten um den Kern mit seiner Betonstruktur und formen eine markante, abgetreppte Gebäudefigur.

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