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24.10.2025

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Vorbild Perlmuschel

Museum im vogtländischen Adorf von Schulz und Schulz


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Dank des reichen Vorkommens an Flussperlmuscheln in der Elster entwickelte sich im vogtländischen Adorf seit dem Spätmittelalter eine Perlmuttwarenproduktion, die die Stadt im 18. Jahrhundert überregional bekannt machte. Nach dem Rückgang der Bestände wurde die Perlenfischerei 1927 eingestellt. Heute sind nur noch vereinzelt Muscheln zu finden. 

Zu diesem Kulturerbe wird in Adorf schon seit Längerem eine umfangreiche Sammlung präsentiert. Mit dem im September eröffneten Erlebnismuseum Perlmutter erhielt sie nun eine neue Dimension. Für das Leuchtturmprojekt entstand am nördlichen Rand der Altstadt ein markanter Neubau nach Plänen von Schulz und Schulz (Leipzig). Ihr Entwurf spielt – wie sollte es auch anders sein? – auf das Erscheinungsbild einer Muschel an.

Der neue Baukörper resultiert aus einem 2020 durchgeführten Wettbewerb, in dem Schulz und Schulz den ersten Platz belegten. Auf einer ehemaligen Brache errichtet, verbindet er zwei historische Fachwerkbauten — darunter ein Torhaus aus dem 18. Jahrhundert — zu einem zusammenhängenden Museumskomplex. Der Bestand macht vier Fünftel der Gesamtfläche aus und wurde im Rahmen des Projekts saniert.

Mit einer Bruttogrundfläche von 917 Quadratmetern fungiert der dreigeschossige Neubau als Eingangsgebäude, das auch Flächen für Sonderausstellungen und Museumspädagogik bietet. Ein Patio mit Oberlicht zieht sich durch alle Etagen. Die Ausstellungsräume verfügen über Fenster in diesen Luftraum. An einer Seite wurden Reste der hier verlaufenden Stadtmauer integriert. 

Nach dem Vorbild einer Muschel, die ihr kostbares Innenleben, die Perle, mit einer rauen, fest verschlossenen Hülle schützt, entwarfen die Architekt*innen eine neo-brutalistisch anmutende Frontfassade aus rohem Beton. Eine asymmetrisch auskragende Ecke, die von der Seite betrachtet aus der Häuserflucht herauszuwehen scheint, markiert den Eingang. Konstruiert wurde die gekrümmte Gebäudehülle als materialminimierte Beton-Hyparschale. Ein kontinuierlich von der Ecke in ein längliches Becken fließender Wasserstrahl ist als Verweis auf den Lebensraum der Muscheln gedacht. Die Verdunstungskälte soll im Sommer zu einem guten Mikroklima beitragen.

Weil die Geschosshöhen der Altbauten übernommen wurden, ist der Neubau sehr kompakt und mit wenig umbauten Raum angelegt. Dank eines hohen Wärmedämmstandards beim Neubau, der innengedämmten Hüllen der Altbauten und der wenigen Fassadenöffnungen seien nur geringe Wärmeverluste zu verzeichnen, erklären die Architekt*innen. Die unverkleidete Massivkonstruktion wirke zusammen mit den Lehmziegeln und -putzflächen, die im Bestand eingesetzt wurden, als thermische Masse.

Um den Einsatz von Beton etwas zu reduzieren, verzichteten Schulz und Schulz auf einen Keller. Die Gebäudetechnik wurde stattdessen in einem benachbarten Altbau untergebracht. Heizung und Kühlung erfolgen durch eine mit Solarstrom betriebene Sole-Wasser-Wärmepumpe, die zentrale Lüftung arbeitet mit Wärmerückgewinnung. Im Bestand wurde die Tragkonstruktion mit regional gewonnenem Vollholz verstärkt, auch bei Fenstern und Möbeln kamen heimische Hölzer zur Anwendung.

Bei der Umsetzung des Projekts arbeiteten Schulz und Schulz ab Leistungsphase 6 mit Neumann Architekten aus Plauen zusammen, die in ihrer Heimatstadt erst kürzlich eine ehemalige Textilmanufaktur zum Industriemuseum Fabrik der Fäden umgebaut haben. Für die Freianlagen waren Öko-Plan Bauplanung (Plauen) verantwortlich. Die Baukosten des Neubaus beliefen sich nach Angaben des MDR auf etwa 5 Millionen Euro. Finanziert wurden sie mithilfe verschiedener Fördermittel des Bundes, des Freistaats Sachsen und der Gemeinde, unter anderem im Rahmen des Bundesprogramms „Nationale Projekte des Städtebaus“. (da)

Fotos: Albrecht Voss, Gustav Willeit


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Kommentare
...geben nicht die Meinung der Redaktion wieder, sondern ausschließlich die ihrer jeweiligen Verfasserinnen und Verfasser.

24

Thomas S. | 04.11.2025 12:02 Uhr

deplaziert und unförmig

Wie das Flachdach an das Schrägdach anschließt, wäre uns als Studenten um die Ohren gehauen worden - oder hätte ich denen heutzutage ausgetrieben. Auch die Art, wie sich der Betonkörper aus der Blickrichtung St. Johanniskirche / Freiberger Straße ohne Not völlig aufdringlich vor den wirklich stattlichen Fachwerkbau schiebt, ist städtebaulich bedauerlich - zumal keine wirklich prägnante oder gestalterisch interessante Schaufassade gezeigt wird.

Ganz zu schweigen davon, dass sich die Assoziation zu Perlmutt leider nicht einstellt. Vielmehr erinnert die hermetische Anmutung an ein Kriegsdenkmal oder einen Erinnerungsort. Bei Regen treten zudem die Punkte der Unterkonstruktion oder die Abstandhalter irritierend deutlich hervor.

Der Mariendom in Neviges gehört sicher zu den Inkunabeln der Baukunst - sowohl in Material als auch in Form. Allerdings muss man erwähnen, dass dieser zwischen 2016 und 2021 aufwendig mit Spritzbeton und epoxidharzbeschichteter Carbonbewehrung überzogen wurde. Die abschließende Schicht erhielt eine Pigmentierung und wurde beim Abziehen mit einer Imitation der ursprünglichen Brettschalung versehen.

Will damit sagen: Die schräge Betonfläche ist - wie jede andere Dachdeckung - nicht wartungsfrei, und die Patina wird bei zukünftigen Sanierungen wieder auf Null gesetzt.

23

solong | 30.10.2025 10:39 Uhr

sichtbeton alterung

... wird partina (moos, flechten, staubablagerungen) ... da in brettschalung erstellt, wird das eher ein ... würdevoller alterungsprozess ... analog gottfried böhms dom zu neviges oder rathaus bensberg ... die stehen ja seit fast 60 jahren garnicht so schlecht da ... im vergleich zu hellen putzfassaden, plattenverkleidungen mit fugen, usw., die ja deutlich schneller, gerade bei geneigten flächen ... oft schon nach wenigen jahren ... völlig "versifft" aussehen

22

solong | 28.10.2025 12:46 Uhr

... interessant ...

... dieses konstrukt ... das ich kontext mit den einrahmenden fachwerkhäuser garnicht mal so daneben erachte ... der AFD zuzuordnen ... ist mit verlaub ... grotesk ... die führungskräfte vorheriger generationen, die die afd nacheifert ... hätten das als "entartete kunst" bewertet ...

21

M Pfeifer | 28.10.2025 10:16 Uhr

Wie altert eigentlich Sichtbeton!?

Wie altert eigentlich Sichtbeton? Zumal wenn die Fläche dauerhaft und "schräg" bewittert wird und das Regenwasser jahrelang daran herunterfliessen "darf"?
Wäre schön wenn das baunetz in 5 oder 10 Jahren die heutigen Fotos dann aktuellen Fotos gegenüberstellen würde.

20

DWS, Stuttgart | 28.10.2025 00:32 Uhr

Mutige Idee - formal und bauphysikalisch

Der semantische Hintergrund der fensterlosen Betonschale wird vom oberflächlichen Spaziergänger nicht erkannt; lediglich seine Andersartigkeit wird als störend empfunden. Bauphysikalisch führt die Sichtbetonoberfläche seit le Corbusier zu Witterungsschäden. Deshalb kann man sich gut vorstellen, dass hier bald ein Regenschirm aus Schieferplatten hängen wird. Hochbunker wurden an der Oberfläche mit typischer Verkleidung getarnt, um nicht aufzufallen. Hier ist es umgekehrt: Das Museum hat bewusst eine atypische Oberfläche bekommen, um auf sich aufmerksam zu machen und einen semantischen Bezug zur Geschlossenheit der Muschelschale herzustellen, dem Ausgangsmaterial der Exponate. Das ist ja der Zweck der Übung, dass der Sonderbau des Museums eben nicht wie "alle Gebäude in dem Dorf" aussieht! Uniformität ist langweilig.

19

maestrow | 27.10.2025 19:45 Uhr

Mies-Muschel und AfD-Kompensation

Es ist nicht leicht aus den gestellten Architekturfotografien zu urteilen, ob das Gebäude nun ein dramatischer Fehlgriff ist, oder sich in den Ort fügt. Was allerdings weit interessanter zu erfahren wäre, ob es einen Zusammenhang zwischen dem "überdurchschnittlich guten" (Tagesspiegel) Abschneiden der AfD und des Bündnis Sarah Wagenknecht (Bundestagswahlen 2025) im Ort und dem Bau gegeben hat. Die genannte Fördersumme ist angesichts der Größe des Ortes tatsächlich bemerkenswert, soviel man den Adorferinnen und Adorfern natürlich ein schönes Museum gönnt.

18

Haumeister | 27.10.2025 19:37 Uhr

Vorbild Perlmuschel

Voll gut! Muss man nicht nach Rapperswil.

17

Simon | 27.10.2025 14:58 Uhr

----------------------

3.1 Millionen Euro Fördergelder für ein Muschelmuseum in einer 4400 Seelen-Gemeinde?

Da muss man sich eher nach der Legitimierung eines solchens Projekts fragen, statt über Architekur und Städtebau zu diskutieren.

Die gezeigten Räume auf den Bildern 16-23 fragen sich das ebenfalls.

16

fjh | 27.10.2025 14:54 Uhr

Perlmuschel

@Freyawie definieren Sie langweilig, spießig, armselig in Bezug auf diese Bauaufgabe? Aber das Erscheinungsbild zwischen den beiden Fachwerkhäusern kann man zugegebenermaßen trefflich diskutieren.

15

Mies | 27.10.2025 14:07 Uhr

Heftig

Schöner Bunker, Zeitenwende!
Erinnert an manchen Hochbunker aus der Vergangenheit, der ebenfalls als Gebäude getarnt wurde.

14

Rainer | 27.10.2025 07:48 Uhr

Leider nein

Man stelle sich vor alle Gebäude in dem Dorf sähen so aus...

13

Latimer | 26.10.2025 16:43 Uhr

Perlmuschel?

Schade - eine ziemlich emotionslose Kiste ist da in dieses Fachwerkstädtchen implementiert worden. Das überhängende Vordach kann in seiner Materialität nicht überzeugen. Es wirkt kalt und es erscheint schwer vorstellbar, dass sich Besuchende davon angezogen fühlen werden.

12

Freya | 25.10.2025 23:20 Uhr

Effekthascherei

... außen,
innen langweilig spießige Räume, armselige Raumkomposition und Materialwahl.

11

Kurt | 25.10.2025 16:04 Uhr

Sichtbeton

Sichtbeton ist und bleibt ein auffallend hässliches und würdelos alterndes Material, erst recht in diesem altstädtischen Kontext. Es wird mir immer ein Rätsel bleiben, dass viele Architekt:innen diese seltsame Vorliebe so stur pflegen. Gerade die so große geschlossene Oberfläche hätte eine sensiblere Materialität und Struktur gebraucht. Die städtebauliche Einbindung finde ich hingegen gelungen.

10

a_C | 24.10.2025 20:33 Uhr

Mir gefällt's...

...irgendwie.

Auf jeden Fall überdurchschnittliche Architektur und in meinen Augen eine Bereicherung. Gratulation.

9

Arcseyler | 24.10.2025 20:23 Uhr

.de

Wie wenn Beethoven in die Tasten haut, der auch mit Kontrasten arbeitet. Hätte ja auch die leise, gefühlvolle Stelle sein können. Beethoven als erster Moderner, entgrenzt

8

50667 | 24.10.2025 18:42 Uhr

Eigentlich...


....ein schönes vielschichtiges Projekt...schiebt sich aber leider ein bischen zu wichtig in den Stadtraum..da wäre mehr Zurückhaltung gefragt gewesen..

7

Ulrich Zeutschel | 24.10.2025 17:00 Uhr

Hyparschale

ist statisch ja immer toll, das wissen wir von Ulrich Müther - aber leider haben die blöden Perlmuscheln in ihrer Evolution einen anderen Weg gewählt, sodass der Bezug nur für BauNetz-Leser:innen erschließbar ist.

6

auch ein | 24.10.2025 16:58 Uhr

architekt

der klotz ist zwar ganz gut gemacht, aber an dem platz völlig daneben und zu groß und plump.

guugelt mal das Stadtmuseum Rapperswil:
stadtmuseum-rapperswil-jona PUNKT ch.
da haben sies in den proportionen richtig gemacht

5

Toni Tek | 24.10.2025 16:39 Uhr

Ach was,...

...kde, ich find's gut! Muss man erst mal so hinbekommen!

4

Hinrich Schoppe | 24.10.2025 16:35 Uhr

Lebende Kulturen

Schade, dass die Muscheln ausgerottet wurden...

Aber dafür werden diverse lebende Kulturen die noch öde Fläche beleben.
Vermutlich wird das dann als nachhaltig und ökologisch vermittelt, zu dem ansonsten schon derart vorbildlichen Gebäude, dass mensch fast Angst bekommt. Wie hoch war das Haustechnikbudget, 3 von 5 mio €?

Hat der Bericht die für die geplante Begrünung sicher vorliegende Simulation schlicht vergessen?!

Bleibt spannend. Da werde ich mir die schulzsche Muschel mal ansehen, in ein paar Jahren.

Jedenfalls danke für die Rettung der Altbauten, damit kriegt ihr mich immer.

Und ach ja, der gute Böhm, Gottfried hätte vermutlich seine Freude gehabt. Aber bitte ohne Algen.

3

peter | 24.10.2025 16:23 Uhr

im dialog...

...mit dem vorbildlich sanierten fachwerkbestand funktioniert dieser fassadenbrutalismus sehr gut. abgesehen davon hätte man die assoziation mit der muscheloberfläche vermutlich auch mir einer klassischen schieferplattenfassade hinbekommen - womöglich sogar noch besser und sicher co2-nachhaltiger als mit beton, der immer in dieser exposition immer ein sanierungsfall bleiben wird. etwas schade auch, dass die (meines erachtens sehr schöne) materialität im inneren nichts mit der hülle zu tun hat.

aber dennoch: endlich mal ein schulz+schulz, der nicht so autistisch-durchoptimiert und steif daherkommt wie die meisten anderen. gratulation!

2

grauweiss | 24.10.2025 16:08 Uhr

unglaublich

an trostlosigkeit innen und aussen nicht zu übertreffen.

1

kde | 24.10.2025 15:53 Uhr

Fassade

Die Oberfläche ist öde, die Muschelschale mit ihrer Differenziertheit in der Struktur nicht ablesbar. So wird es ein brutaler Fremdkörper bleiben, kein (neo-)brutalistischer.

 
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