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11.06.2018

Buchtipp: Spurensuche in Bukarest

Mobile Churches


Menschlicher Wille kann Berge versetzen oder aber ganze Bauwerke. Unter Nicolae Ceaușescu wurde in den 1980er Jahren massiv die sogenannte „Systematisierung“ der rumänischen Gesellschaft betrieben. Auf städtebaulicher Ebene zeigte sich dies im weitläufigen Abriss der historisch gewachsenen Altstadt Bukarests zugunsten imposanter Repräsentationsarchitektur entlang breiter Alleen. Insbesondere an den dem Regime unliebsamen Kirchen wurde ein Exempel statuiert. Viele der Gotteshäuser fielen den Abrissbirnen anheim. Sieben von ihnen blieben jedoch dank des Protestes der Gemeinden verschont; auch wenn man ihnen eine spektakuläre Be- oder auch Misshandlung zukommen ließ: Auf Schienen gehoben, wurden sie von ihrem ursprünglichen Standort entfernt und – oftmals willkürlich und entgegen ausgesprochener Empfehlungen – versetzt und umorientiert. An ihren Bestimmungsorten führen sie noch heute ein Nischendasein, versteckt hinter Wohnsiedlungen und eingekesselt von Hochhausscheiben.

Anton Roland Laub, in Bukarest geborener und in Berlin lebender Fotograf, hat diesem dramatischen und durchaus absurden Kapitel des rumänischen Städtebaus ein Buch gewidmet: „Mobile Churches“ dokumentiert anhand von Fotografien, Archivaufnahmen und Planausschnitten die im Wortsinn bewegte Geschichte und nahezu asterixhafte Renitenz der sieben orthodoxen Kirchen sowie einer Synagoge.
 
Der Fotograf hat die massive, teils drastische Metamorphose seiner Heimatstadt mit Kinderaugen erlebt, das Buch gibt mit seinen Maßstabssprüngen diesen suchenden, von Erstaunen über Willkür und Brachialität geleiteten Blick wieder. Hierzu passt die schlichte Aufmachung des Buches: Das Aufschlagen des unscheinbar hellgrauen Einbands ist wie das Entdecken der Gotteshäuser hinter den mittlerweile typisch angegrauten sozialistischen Wohnblocks. Laub verzichtete darauf, die Kirchen mittels eines Weitwinkelobjektivs erneut perspektivisch zu verzerren und dekontextualisieren. Seine quadratischen, die Kapitel einleitenden Fotografien entstanden aus der Montage zweier Teilbilder zu einem Ganzen – eine Art symbolischer Heilungsprozess: Die Kirchen wurden in Einzelteile zerlegt, um letztlich wieder als ein Bild zu erscheinen.

Text: Kathrin Schömer

Mobile Churches
Anton Roland Laub
Hg. von Sonia Voss
144 Seiten
Deutsch / Französisch / Englisch
Kehrer Verlag, Berlin 2017
ISBN 978-3-86828-838-4
Euro 29,00


Zum Thema:

Die Ausstellung „Mobile Churches“ gastiert bis Sonntag, 19. August 2018 in Berlin
Ort: Kapelle der Versöhnung / Gedenkstätte Berliner Mauer, Bernauer Str. 111, 13355 Berlin


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Große „Polnische“ Synagoge, Bukarest. Anton Roland Laub, Serie Mobile Churches, 2013-2017

Große „Polnische“ Synagoge, Bukarest. Anton Roland Laub, Serie Mobile Churches, 2013-2017

Neuer-Sankt-Johannes-Kirche, Bukarest. Anton Roland Laub, Serie Mobile Churches, 2013-2017

Neuer-Sankt-Johannes-Kirche, Bukarest. Anton Roland Laub, Serie Mobile Churches, 2013-2017

Versetzung der Verkündigungskirche der „Nonnen-Einsiedelei“, Bukarest 1982

Versetzung der Verkündigungskirche der „Nonnen-Einsiedelei“, Bukarest 1982

Verkündigungskirche der „Nonnen-Einsiedelei“, Bukarest. Anton Roland Laub, Serie Mobile Churches, 2013-2017

Verkündigungskirche der „Nonnen-Einsiedelei“, Bukarest. Anton Roland Laub, Serie Mobile Churches, 2013-2017

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