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08.06.2018

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Bauen für alle und ganz wenige

Michel Rojkind über Luxus und Städtebau


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Michel Rojkind gehört aktuell zu den interessantesten Architekten Mexikos. 2017 wurde das nach seinen Plänen entstandene Konzerthaus in Veracruz eröffnet. Am 14. und 15. Juni spricht er neben Sou Fujimoto, Jeanne Gang, OMA’s Reinier de Graaf und weiteren 50 internationalen Referenten in Prag auf der reSITE-Konferenz. Martin Barry sprach mit Michael Rojkind im Vorfeld über das Wohnen und veränderte Vorstellungen von Luxus.



Sprechen wir übers Wohnen, das ja auch Thema der diesjährigen reSITE ist. Beobachten Sie irgendwelche Veränderungen in der Lebensweise der Menschen, die wiederum auch auf Ihre Wohnarchitektur Einfluss nehmen?
Häufig. Architekten konzentrieren sich jedoch zu sehr auf die Struktur und Tektonik ihrer Gebäude. Die Prinzipien und Werte unserer Gesellschaft spiegeln sich eher in programmatischen Entwürfen wider, nicht in den Formen und Materialien. Leider kommt das in der Architekturdiskussion nicht viel vor, obwohl es das sollte.

Hohe Lebenshaltungskosten gehören zu den dringlichsten Problemen in heutigen Städten. Haben Sie Wege, diese Kosten auch durch Ihre Wohnarchitektur zu senken? Ist das jemals ein Thema in Ihren Kundengesprächen?
Normalerweise ist das nicht Teil meines Briefings, aber wir versuchen unsere Kunden auf die Verantwortung aufmerksam zu machen, die wir in einer Gemeinschaft haben. Wie kann Luxuswohnen bezahlbares Wohnen subventionieren? Wie können wir uns mehr dafür einsetzen, die Risse in unserer Gesellschaft zu kitten? Wie kann günstiges Wohnen in den Städten stattfinden und nicht an ihre Grenzen verlagert werden? Wir müssen das Engagement für mehr soziale Balance und Gleichheit vorantreiben!

Betrachten wir einmal die andere Seite: Hat sich das Konzept von Luxus in den letzten Jahren geändert und was wird wohl als luxuriös in 20 Jahren empfunden werden, insbesondere in Bezug auf das Leben in der Stadt?
Die Idee von Luxus hat sich definitiv über die Zeit hinweg verändert. Für die jüngere Generation ist Luxus nicht länger mit Besitz verbunden sondern mit Erfahrung. Das rückt den Fokus mehr auf das Immaterielle. Dies mag zum Teil daran liegen, dass Erfahrung viel schwieriger zu verallgemeinern ist, denn sie ist authentischer. Reisen an abgelegene Orte der Welt oder erinnerungswürdige Begegnungen mit besonderen Menschen sind nicht reproduzierbar. In Architektur übersetzt heißt dies, dass Städte für ihre Bewohner einen Wert wie Erfahrung nur schaffen können, wenn ihre geografische Lage und ihr kulturelles sowie historisches Kapital vollständig verstanden werden.

Wie integrieren Sie den privaten, den öffentlichen und den gemeinsamen Raum in ihre Wohnprojekte?
Da Einfamilienhäuser die wohl intimste Form von Architektur darstellen, ist es wichtig zu verstehen, für wen man sie denn eigentlich entwirft. Wie lebt die Familie, für die man baut? Ist sie eher introvertiert oder eher extrovertiert? Werden viele Besucher kommen oder nicht? – Wir müssen uns immer bewusst machen, dass wir Häuser bauen, die dem tatsächlichen Leben entsprechen sollten und nicht einem Leben, das wir gerne hätten. Wobei Letzteres die übliche Variante ist. Wenn eine Familie wächst und sich ihrer Bedürfnisse bewusst ist, dann ist das perfekt. Aber über ein Leben zu fantasieren, das sie nicht haben, und ihnen demgemäß eine Architektur zu entwerfen, ist der falsche Ansatz. Wir versuchen die Erfahrungswerte, die uns eine Familie mitteilt, und ihr zukünftiges Wachstum so in ein Wohnhaus umzuwandeln, dass es zu der Familie passt. Bei größeren Wohnbauprojekten wiederum schauen wir immer, was ein Gebäude der Gemeinschaft zurückgeben kann. Wie wird der Bürgersteig in das Erdgeschoss integriert? Schafft unser Bau einen zusätzlichen Wert?

Unterscheidet sich die Arbeit an Wohnbauprojekten in Lateinamerika von Europa oder Asien? Wie?
Wir müssen uns schon sehr über das soziale Wachstum und die durchschnittliche Lebensweise in jedem Land bewusst sein. Wie unterscheidet es sich jeweils von anderen Ländern und ihren Gewohnheiten? Wenn wir uns diese Frage während des Entwurfsprozesses ins Bewusstsein rufen und wir verschiedene Experten aus verschiedenen Disziplinen zu einem starken Team zusammenbringen, dann wird auch das Ergebnis akkurat sein und Verständnis sowie Anpassungsfähigkeit für jeden Standort vermitteln können.

Architektur und Städtebau können manchmal in Konflikt miteinander geraten. Wie schaffen Sie da eine Balance, Sie entwerfen ja nicht nur Gebäude sondern planen auch eine nachhaltige Stadtentwicklung?
Einen Ausgleich zwischen Architektur und Städtebau zu schaffen ist eine Entwurfsstrategie. Deswegen stellen wir auch immer eine Gruppe von Experten aus verschiedenen Disziplinen zusammen, um schließlich die best möglichen Ergebnisse zu erreichen. Viele Probleme können nicht nur von Urbanisten und Architekten allein gelöst werden. Nach unserer Erfahrung braucht man auch Soziologen, Anthropologen, Industriedesigner, Landschaftsarchitekten, Marketingexperten, Finanzexperten und manchmal selbst Anwälte um die Politik und die vielen anderen Felder, in die die Stadtplanung hineinreicht, zu bedienen. Aber man muss in die Problematik auch einsteigen wollen, sonst wird man nur ein Gebäude entwerfen, das von der großen Idee komplett isoliert ist. 


Zum Thema:

Noch gibt es freie Plätze für den 14. und 15. Juni in Prag. www.resite.org

Das Interview führte der reSITE-Gründer Martin Barry. Es erschien zuerst auf designboom.com.

Im Rahmen der Prager Konferenz wird Michel Rojkind am 16. Juni an einem
6,5 km-Straßenlauf durch Prag teilnehmen.


 
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Michel Rojkind gehört zu den interessantesten Architekten Mexikos.

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Im Juni spricht er in Prag.

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