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02.12.2016

Attisches Licht

Kulturzentrum von Renzo Piano Building Workshop in Athen


Schön war der Ausblick vom 4 Kilometer südlich von Athen gelegenen Kallithea nicht gerade, auch wenn der griechische Name genau dies bedeutet: die achtspurige Athener Stadtautobahn schnitt jeden Bezug zum nahen, für Griechenland immer bedeutsamen Meer ab. Und auch ideologisch erzählte der von den Olympischen Spielen übrig gebliebene Parkplatz von einem anderen Blick auf die Zukunft Griechenlands.

Genau dort hat sich die Lage jedoch inzwischen fundamental geändert: Mit 170.000 Quadratmetern neuangelegter Parklandschaft und einem Kanal auf einem künstlich aufgeschütteten Hügel, der auf 32 Meter Höhe in einer spektakulären Aussichtsterrasse kulminiert, stellt das vom Renzo Piano Building Workshop (Genua) an dieser Stelle geplante Stavros Niarchos Foundation Cultural Center  zumindest baulich die Verbindung zum Meer wieder her.

Schatten spendet diesem Open-Air-Raum ein gigantisches Baldachindach, das sich leicht wie ein Segeltuch 14 Meter über ihm aufspannt. Seine Hülle ist mit ihrer nur 2 Zentimeter dicken Schale die bislang dünnste, flächenmäßig größte Stahlbetonkonstruktion dieser Art. Gewölbt wie ein Flugzeugflügel, ist es federnd aufgehängt um eventuelle Erdbeben abzufangen. Ein symbolisches Segel also, mit dem Griechenland in eine neue Zeit aufbrechen könnte?

Über- wie unterirdisch fasst das Gebäude 4,5 mal soviel Volumen wie das Parthenon. Hier deutet sich der Anspruch an die Architektur, für eine gesellschaftliche Erholung zu sorgen, bereits an: Schon seit 2007 in Planung, wurde der 566 Millonen Euro teure Bau im Sommer 2016 einem Staat übergeben, in dem viele andere Kulturinstitutionen unter dem Druck der Konsolidierung der letzten sechs Jahren schließen mussten. Schenker ist die Stavros Niarchos Foundation – eine aus dem Nachlass des gleichnamigen ehemaligen Reeders und Kunstsammlers hervorgegangene Stiftung, die mit ihren Interventionen explizit den Folgen der Krise entgegenzuwirken sucht.

900 Arbeitsplätze sollen hier geschaffen werden, wenn erst einmal die zwei Institutionen eingezogen sind, für die der Bau vorgesehen ist: Die Griechische Nationalbibliothek wird mit ihrem Medienbestand die Räume unter dem Park in Beschlag nehmen. Der Leseraum direkt unter dem Baldachindach bietet durch seine Rundumverglasung einen Panorama-Ausblick auf die umgebende Stadt sowie das nahe Meer. Begleitet werden Umzug wie Vergrößerung der 1832 gegründeten Bibliothek von einem umfassenden Digitalisierungsprozess und einem großangelegtem Veranstaltungsprogramm. Sie markieren somit laut der Stiftung ihre Verwandlung von einer exklusiven Recherche-Einrichtung hin zu einer transparenten und niedrigschwellig zugänglichen öffentlichen Ressource.

Für die Griechische Staatsoper sind wiederum zwei unterschiedlich große multifunktionale Konzertsäle vorgesehen, die von einer sechs Geschosse umspannenden Lobby verbunden werden. Für diese hat die Stiftung – in Griechenland noch näher liegend als anderswo – die Metapher eines Steinbruchs der Kultur gewählt. Verbindungsglied der beiden Institutionen ist die öffentliche, aus dem Hügel geschnittene Agora – also ein in der Architektursprache wohl recht überstrapazierter Begriff, der hier jedoch ob der Hoffnung in die heilenden und gemeinschaftsbildenden Kräfte des Projektes durchaus Sinn macht. Ob Staatsoper und Bibliothek wirklich einziehen können, steht allerdings zum Zeitpunkt der Eröffnung noch nicht fest; obwohl die Stiftung schon Startkapital für den Umzug aufgebracht hat, ist die weitere Finanzierung des Projektes unklar.

Zusammen mit vielen kleineren Umnutzungen und Einnistungen kultureller Akteure in und um Athen und nicht zuletzt der im kommenden April beginnenden Documenta 14, die, „Learning from Athens“, zur Hälfte Athen, zur Hälfte Kassel bespielen wird, bildet das Stavros Niarchos Foundation Cultural Center und der umgebende Park dennoch die Kulisse für ein Klima des kulturellen Umbruchs, der Möglichkeiten im Leerraum und vielleicht einer Rückbesinnung auf geistige Freiheit, die in Zeiten des Aufbrauchens der letzten materiellen Reserven bitter nötig ist. (kms)

Fotos:
Michel Denancé, Yiorgis Yerolymbos, George Dimitrakopoulous, Shunji Ishida, Ruby on Thursdays


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