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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Kulturzentrum_in_Taiwan_von_Mecanoo_5551307.html

11.12.2018

Stählerne Höhlenlandschaft

Kulturzentrum in Taiwan von Mecanoo


225 Meter lang, 160 Meter breit, vier Theater- und Konzertsäle mit insgesamt fast 6.000 Plätzen, dazu ein Amphitheater, zwei Kongressräume und eine öffentliche Bibliothek sowie Baukosten von knapp 324 Millionen Euro – das Ende Oktober eröffnete National Kaohsiung Center for the Arts Weiwuying in der an der Südspitze Taiwans gelegenen Hafenstadt Kaohsiung ist ein Kulturpalast der Superlative. Aus der Luft betrachtet liegt er wie ein riesiges silbernes Tuch über dem Weiwuying Metropolitan Park, der bis 1979 noch eine Militärbasis war. Entworfen hat die Mehrzweckhalle das niederländische Büro Mecanoo Architecten (Delft/Kaohsiung), das 2007 den vom taiwanischen Kulturministerium ausgeschriebenen Wettbewerb gewann.

Mit seiner in die Horizontale fließenden Form, die an Mecanoos 2010 im spanischen Lleida realisierte Theater La Llotja (und das im gleichen Jahr fertiggestellte Rolex Learning Centre von SANAA in Lausanne) denken lässt, ist der Bau gut an die extremen Umweltbedingungen in Kaohsiung angepasst – tropische Hitze, Starkregen, Taifune und Erdbeben sind hier an der Tagesordnung. Ein nach allen Seiten offenes Erdgeschoss, die sogenannte Banyan Plaza, die sich wie ein Höhlensystem unter dem Baukörper verzweigt, dient nicht nur der zentralen Erschließung des Kulturzentrums, sondern auch als schattiger und durchlüfteter öffentlicher Raum, der als Treffpunkt und zusätzlicher Veranstaltungsort genutzt werden kann. Natürliches Vorbild für diese Gewölbelandschaft waren die im umgebenden Park zahlreich vorkommenden Banyanbäume, deren voluminöse Kronen und netzartig  miteinander verwachsene Luftwurzeln ein dichtes, hervorragend vor Sonne und Regen schützendes Dach bilden.

Mecanoo abstrahierten dieses Blätter- und Wurzelgeflecht und entwickelten daraus eine blobartig geformte Stahlkonstruktion. Die vier Auditorien mit ihren jeweils vorgelagerten Foyers bilden die tragenden „Baumstämme“ dieser Hohlraumstruktur. Entsprechende Aufwölbungen im Dach lassen sie auch von außen erkennbar werden. Im Zentrum liegt die Oper als größter Saal, zu ihren Seiten befinden sich ein Konzert- und ein Vortragssaal sowie das sogenannte Playhouse, das dem experimentellen Theater und der chinesischen Oper vorbehalten ist. Parkseitig senkt sich das Dach bis zum Erdboden ab und öffnet sich zu einem fünften Auditorium, dem Amphitheater.

Hinsichtlich der Verkleidung der mäandernden, ganz in Weiß gehaltenen Plaza entschieden sich die Architekten für eine kühl-technische Ausstrahlung, sodass der Verweis auf die Banyanbäume rein symbolisch bleibt. Dabei suchten sie eine ganze Weile nach dem geeigneten Material – Keramikfliesen, Aluminium, Gipsputz oder Stahl? Mehrere Materialtests und die Begegnung mit Kaohsiungs Schiffsbauindustrie lieferten schließlich die Lösung: Nun bilden 2.320 je sechs Millimeter dicke, individuell gekrümmte Stahlplatten mit sichtbaren Schweißnähten die innere Haut dieser Höhlenlandschaft. So hat der Bau nicht nur die Ausmaße eines Containerschiffs, er gleicht auch im Material einem großen Schiffsrumpf. (da)

Fotos: Iwan Baan, Shawn Liu Studio, Ethan Lee, National Kaohsiung Center for the Arts


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Metallteppich überm Park – das Kulturzentrum von Mecanoo in Kaohsiung entwickelt sich in die Breite, nicht in die Höhe.

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Unter dem organisch fließenden Dach wird das offene Erdgeschoss, die sogenannte Banyan Plaza, zum verzweigten Hohlraumsystem.

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Von hier aus geht es in die Foyers der vier Auditorien – ein jedes in anderer Farbgebung.

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Die Konzerthalle gleicht einer unterirdischen Grotte.

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