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13.04.2022

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Konstruktiver Balanceakt

Künstlerhaus in Boswil von Gian Salis


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Eine Kirche, die für künstlerische Zwecke umgenutzt wird, das klingt nach Gegenwart. In der kleinen Gemeinde Boswil im südlichen Aargau gibt es dies allerdings schon seit dem frühen 20. Jahrhundert. Damals wurde die Dorfkirche profanisiert und an einen Glasmaler verkauft. Nach dem zweiten Weltkrieg hat sich dort ein Künstlerhaus mit Fokus auf klassische und zeitgenössische Musik etabliert. Die heute vom Kanton geförderte Stiftung bietet inzwischen ein derart umfangreiches Programm, dass der Bestand aus Kirche und Pfarrhaus nicht mehr genügend Platz bot. Der Zürcher Architekt Gian Salis hat darum nach einem Wettbewerbsgewinn 2014 ein benachbartes Bauernhaus für Musiker*innen umgebaut.

Das denkmalgeschütze Bauernhaus liegt westlich des Pfarrhauses, so dass sich hinsichtlich der Nutzung nun ein gelungenes dreiteiliges Ensemble ergibt. Im Gebäude finden im Erdgeschoss Büros und Betriebsräume Platz, im Obergeschoss folgen sieben Gästezimmer und unter dem Dach ein kleiner und ein großer Probenraum. Die Begrifflichkeit „Umbau“ ist allerdings nicht ganz richtig, denn effektiv handelt es sich um einen konstruktiven Balanceakt, bei dem der Bestand konsequent neu interpretiert wurde. Konstruktiv, weil es sich um ein sogenanntes Hochstudhaus handelt, bei dem das Dach nicht auf den Außenmauern ruhte, sondern – stark vereinfacht – von durchgehenden Firstsäulen abgehängt wurde. Das ermöglichte besonders steile Strohdächer, was wiederum in bauphysikalischer Hinsicht von Vorteil war.

Um nun das komplexe Programm in den Bestand zu integrieren, haben Salis und sein Team das alte Bauernhaus zunächst von früheren Transformationen befreit und dann neu hineingebaut. Fundamente wurden eingebracht, ein Aufzug integriert und teilweise auch zeitgenössische Fassadenteile und Fensterformate eingesetzt. Die einstigen Ställe verwandelten sich in eine Werkstatt mit Lager und eine neue Gartenlaube beherbergt nun ein Sitzungszimmer. Räumlich beeindruckend ist dabei das Entree des Künstlerhauses, das als offener Raum mit Stahltreppe bis unters Dach reicht und die Konstruktionsweise erfahrbar macht. Viele der alten Oberflächen konnten erhalten werden. Aber es gibt auch pragmatische Materialen wie einfache Akustikplatten und zeitgenössische Holzeinbauten, was insbesondere in den Gästezimmern für eine gegenwärtigere Atmosphäre sorgt.

Im Ergebnis ist der Umbau von Boswil eine gelungene Symbiose aus Alt und Neu, die den notwendigen Aufwand nicht zuletzt mittels einer lichten Raumwirkung vergessen macht. Denn natürlich handelt es sich hier um ein Ausnahmeprojekt, das bei Gesamtbaukosten von 5,3 Millionen Schweizer Franken inklusive Steuern für knapp 1.000 Quadratmeter Bruttogrundfläche seinen Preis hat. (sb)

Fotos: Gian Salis


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