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16.05.2023

Lombardische Schichtung

Kirche in Pegognaga von LR Architetti


Im Mai 2012 erschütterte eine Reihe von Erdbeben Norditalien, in deren Folge viele Gebäude beschädigt wurden. Der Palazzo Ducale im 60 Kilometer vom Epizentrum entfernten Mantua bekam Risse. Deutlich größeren Schaden nahm die Pfarrkirche im auf halber Strecke liegenden lombardischen Städtchen Pegognaga. Der Bau war in den 1950er Jahren anstelle einer spätbarocken Kirche errichtet worden und mittlerweile zu groß für die Bedürfnisse der örtlichen katholischen Gemeinde. Man entschied sich daher für den Abriss und schrieb 2015 einen Wettbewerb für einen kleineren Neubau aus, den LR Architetti (Venedig) gewannen. 2022 wurde die Kirche Santo Spirito mit rund 1.150 Quadratmetern Fläche fertiggestellt und geweiht.

Die Architekt*innen entwickelten ihren Entwurf mit Rückbezügen auf die beiden Vorgängerbauten und bezeichnen ihr Konzept als „architektonischen Palimpsest auf verschiedenen Ebenen“. So bezieht sich der Neubau in Ausrichtung, Lage und Volumen auf die Kirche das Spätbarock, während das ehemalige Kirchenschiff des Vorgängerbaus zu einem Gartenhof umgestaltet wurde.

Der Bau mit hohem Giebeldach und umschließender Mauer versteht sich als Neuinterpretation traditioneller Scheunenarchitektur. Das Mauerwerk besteht aus einer Mischung alter und neuer Ziegel in verschiedenen Farbtönen von Terrakotta bis Tiefrot und besitzt zur Straße hin eingesetzte Backsteingitter. Das Dach ist mit farblich angepassten Zink-Titan-Platten bezogen. Die Hauptfassade geht auf einer Seite in einen niedrigen Baukörper mit Flachdach über, der verschiedene Funktionsräume beherbergt.

Der stützenfreie Kirchenraum auf schlanken, terrakottafarbenen Betonpfeilern ist an drei Seiten im Obergaden mit hohen Fensterbändern, beziehungsweise dem verglasten Giebeldreieck über dem Altar umschlossen. Dadurch variiert die Lichtstimmung des Innenraums im Laufe des Tages. Der Bodenbelag aus poliertem rosa Lessinia-Kalkstein setzt die Pflasterung des rau belassenen Kirchhofs fort, das liturgische Mobiliar besteht aus dem gleichen Steinmaterial, das nahe Verona abgebaut wird. Bei der Gestaltung von Altar und Tabernakel wurden Stücke aus der alten Pfarrkirche integriert. Kirchenbänke, Fensterrahmen und Möbel sind aus lackiertem Eschenholz.

Bei Ausgrabungen im Vorfeld der Bauarbeiten stieß man auf eine komplexe Schichtung antiker Kultbauten, Keramikfragmente und kleine Kultgegenstände, die nun in der Seitenhalle des Neubaus ausgestellt sind. Drei in den Boden des Kirchenraums geschnittene Schlitze machen als Archäologische Fenster ausgewählte Bereiche entdeckter Mauerreste sichtbar. (uav)

Fotos: Marco Introini


Zum Thema:

Trotz vielerorts rückläufiger Mitgliederzahlen entstehen immer wieder neue sehenswerte Kirchen, so in Kalabrien, Köln oder im sächsischen Canitz. Dennoch werden Kirchenneubauten hierzulande seltener, dafür aber immer mehr Gotteshäuser – wie in Hamburg – für soziale Einrichtungen umgenutzt oder aber für gänzlich andere Zwecke umgewidmet.


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