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07.02.2012

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In der Zeitmaschine

Jüdische Mädchenschule in Berlin umgebaut


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Am Donnerstag ist Premiere. Nicht mehr für eine fragwürdige Berlin-Mitte-Persiflage, sondern für einen Film, den sich die Berliner Kunst- und Gastronomieszene selber schreibt.

Die Location? Eine ehemalige Schule für Mädchen jüdischen Glaubens, Ende der zwanziger Jahre nach den Plänen des Gemeindearchitekten Alexander Beer im Spannungsfeld zwischen Moderne und expressionistischer Backsteinarchitektur in der Auguststraße in Berlin-Mitte errichtet. 1942 unter dem NS-Regime geschlossen und als Krankenhaus benutzt; viele der Schülerinnen und der Lehrerschaft wurden – wie der Architekt – von den Nazis ermordet. Nach dem Krieg Zwischennutzungen als Schule, temporäre Bar und 2006 Berlin-Biennale-Spielort. Danach Leerstand, jetzt von den Berliner Architekten Grüntuch Ernst saniert und instand gesetzt.

Das Set? Drei Galerien für zeitgenössische Kunst, als unprätentiöse White-Cube-Spaces in den früheren Klassenräumen sowie der ehemaligen Aula der Schule installiert. Bespielt werden sie vom Galeristen Gerd Harry Lybke und seinem Eigen + Art Lab, dem Galeristen und Investor Michael Fuchs sowie der cwc gallery Camera work contemporary. Gefühlt gehören diese Räume, die über das von einem großen Fahrstuhl dominierte Treppenhaus erschlossen werden, eher zum Vorspann als zum Hauptfilm, denn hier ist das Publikum noch Zuschauer. Die Bühne betritt, wer einen Platz im Restaurant Pauly reserviert hat. In der ehemaligen Turnhalle der Schule erinnert nichts mehr an Schweiß und Schwebebalken, hier taucht man ein in eine Welt aus mundgeblasenen Muranoglas-Lüstern und handgeformten Keramikfliesen, geölter Eiche und poliertem Marmor. Auf den bequemen Polstern in changierenden Jägergrüntönen sitzt man stilecht an langen Tischen mit Damasttischdecken. Serviert wird neue deutsche Küche vom österreichischen Sternekoch Siegfried Danler. Und das Besondere? Hier regiert nicht das „Diktat des Tellers“, vielmehr wird die distinguierte Gemeinschaft zelebriert, Suppe aus der großen Terrine geschöpft und der am Tranchiertisch zerlegte Braten auf der Platte gereicht.
Ergänzt wird das gastronomische Konzept von der Pauly-Bar im Vorbereich des Restaurants, einem Deli mit Mittagstisch sowie dem jüdischen Restaurant The Kosher Classroom, das in seiner Erschließungszone auch mit einer Dokumentation des Hauses und seiner Geschichte aufwartet.

Regie? Michael Fuchs konnte mit seinem Konzept aus Gastronomie und Kunstbetrieb die jüdische Gemeinde überzeugen. Rund fünf Millionen Euro hat er in den Umbau des denkmalgeschützten Hauses investiert. Er selbst ist für 20 oder 30 Jahre Hauptmieter, die weiteren Unternehmer sind Untermieter.

Cast? Hobbyarchitekt und Profigastronom Boris Radczun sieht mit Tweedjacket und schweren Stiefeln selbst ein wenig so aus, als käme er gerade von der Rebhuhn-Jagd. Sein Kompagnon Stephan Landwehr steht ihm darin kaum nach, und Starkoch Danler kann schon jetzt zu jedem Gericht eine Geschichte erzählen. Hübsche Accessoires wie ein ausgestopfter Fuchs, der seine Pfote triumphierend auf ein „erlegtes“ Ei stellt, sorgen im Gesamtbild jedoch für eine angenehme Prise Selbstironie. Und am Ende sollen natürlich die im Mittelpunkt stehen, die geladen sind: alle Gäste.

Und der Plot? Gibt es irgendwo einen nostalgischeren Ort? Einen Ort, der sich so sehr die Zeit vor dem Krieg zurückwünscht wie das Pauly? Angesichts der traurigen Geschichte des Gebäudes wird hier immer ein ewas schaler Geschmack zurück bleiben, dagegen kann kein Sternekoch der Welt ankochen. Nur die Story des einzelnen Tages oder Abends, den man hier erleben kann, die darf jeder selber schreiben.  (Cordula Vielhauer)


 
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