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https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Interimistischer_Umbau_fuer_das_niederlaendische_Parlament_von_Happel_Cornelisse_Verhoeven_8114686.html

20.01.2023

Erste Kammer in Den Haag

Interimistischer Umbau für das niederländische Parlament von Happel Cornelisse Verhoeven


Seit 1446 versammelt sich das niederländische Parlament im Binnenhof in Den Haag, einem historischen Gebäudekomplex, der seit letztem Jahr saniert wird. Für die Bauarbeiten sind insgesamt etwa sechs Jahre angesetzt – es könnten wohl auch ein paar mehr werden. In der Zwischenzeit mussten für die zwei Kammern des Parlaments und deren Abgeordnete Interimslösungen geschaffen werden.

Während die Zweite Kammer ins ehemalige Außenministerium ausweicht, einen mächtigen, von ZECC Architecten umgebauten Bau aus den 1980er-Jahren, kommt die Erste Kammer in den kommenden Jahren in einem Komplex mit zwei ganz unterschiedlichen Seiten unter. Die Parlamentarier werden im barocken Stadtpalais Huis Huguetan und in einem pragmatisch-bürokratischen Erweiterungsbau, der in den 1980er-Jahren rückseitig hinter dem Palais angefügt wurde, untergebracht. Die Verschmelzung dieser beiden Gebäude zu einer funktionierenden Übergangslösung erfolgte nach Plänen von Happel Cornelisse Verhoeven Architecten (Rotterdam).

Die Architekt*innen setzten auf eine Innenraumgestaltung, die eine eigene Sprache entwickelt und darin die Unterschiede zwischen den zwei Seiten des Komplexes nicht auflöst, sondern in weichen Übergängen einander annähert. Im Huis Huguetan findet sich eine Serie von Rokoko-Sälen aus dem 18. Jahrhundert, in denen nun offizielle Empfänge und Sitzungen stattfinden. Alle notwendigen Einbauten und technischen Aufrüstungen orientieren sich hier an der historischen Farbgebung der Räume, an den gedeckten Weiß- und Grautönen der Stuckdecken, der Türrahmen und Wandtäfelungen. Auch neue Bodenbeläge, Lampen und Möbel bleiben innerhalb dieser Skala.

Demgegenüber war der Bau aus den 1980er-Jahren nach vielen Jahren intensiver Nutzung durch das höchste Gericht der Niederlande „vollkommen abgenutzt“, wie die Planer*innen schreiben. Doch das großzügige und robuste Stahlbetonraster ermöglichte eine relativ problemlose Einpassung des gewünschten Raumprogramms in das Gebäude. Hier sind nun der Empfang, das Restaurant, verschiedene Ausschussräume und der große Plenarsaal untergebracht. Der alte Plenarsaal wurde dabei im buchstäblichen Sinne an seine neue Umgebung angepasst, indem er auf 70 Prozent seiner ursprünglichen Größe reduziert wurde. Die Sitzverteilung ist dieselbe wie im Binnenhof, nur dass alle nun etwas enger beieinander sitzen.

Für alle Räume im 1980er-Jahre-Bau wurde eine neue Verkleidung mit Holzvertäfelungen, Vorhängen, Teppichen und einer abgehängten Decke entwickelt, die auf abstrakte Weise die Gestaltung der historischen Räume im Binnenhof und im Huis Huguetan aufgreift. Diese Auskleidungen sind von der Bestandstruktur getrennt, damit sie später einfach ausgetauscht oder demontiert werden können. Außerdem schaffen diese Einbauten Hohlräume, in denen die Installationen eingesetzt wurden. Alle Vorhänge, Boden- und Wandbeläge bestehen aus Standardprodukten – bevorzugt aus recycelten Materialien. Möbel und Einbauten bestehen aus verleimten Tischlerplatten oder Restholz. Die Architekt*innen sprechen von „Zeitraumzimmern“ und von einem Semper’schen Bekleidungskonzept, das mit einfachsten Mitteln umgesetzt wurde, da nicht klar ist, wie lange die temporäre Nutzung dauert.

Nach der Renovierung des Binnenhofs wird die Erste Kammer dorthin zurückkehren. Das neue, erweiterte Huis Huguetan könnte dann als Kongress- oder Veranstaltungszentrum für verschiedene Ministerien dienen. Die Diskussion über das Nachnutzungskonzept hat allerdings gerade erst angefangen. (fh)

Fotos: Karin Borghouts


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Das barocke Stadtpalais Huis Huguetan (1734–1736) von Daniël Marot, in das die zweite Kammer des niederländischen Parlaments übergangsweise einzieht.

Das barocke Stadtpalais Huis Huguetan (1734–1736) von Daniël Marot, in das die zweite Kammer des niederländischen Parlaments übergangsweise einzieht.

 Einer der Rokoko-Säle aus dem 18. Jahrhundert im Huis Huguetan.

Einer der Rokoko-Säle aus dem 18. Jahrhundert im Huis Huguetan.

Die Innenräume im Erweiterungsbau aus den 1980er Jahre greifen die Gestaltung der historischen Räume im Binnenhof und im Huis Huguetan auf.

Die Innenräume im Erweiterungsbau aus den 1980er Jahre greifen die Gestaltung der historischen Räume im Binnenhof und im Huis Huguetan auf.

Der umgebaute große Plenarsaal im Erweiterungsbau des Huis Huguetan.

Der umgebaute große Plenarsaal im Erweiterungsbau des Huis Huguetan.

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