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20.07.2021

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Die Institution in Bewegung versetzen

Humboldt Forum in Berlin eröffnet mit sechs Ausstellungen


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Als fertig gilt das Berliner Stadtschloss bereits seit Dezember 2020, öffentlich zugänglich waren jedoch bisher nur seine Außenbereiche. Dabei sollte der nun unter dem Namen Humboldt Forum firmierende Bau eigentlich schon 2019, pünktlich zum 250. Geburtstag seines Namensgebers Alexander von Humboldt, mit einer Ausstellung an das Publikum übergeben werden. Doch traten immer wieder Schwierigkeiten auf – erst verzögerte sich der Innenausbau, dann kam die Corona-Pandemie. Man meint den erleichterten Seufzer regelrecht aus dem Motto herauszuhören, unter dem am heutigen Dienstag, 20. Juli 2021 nun wirklich die Türen aufgehen: „Endlich offen!“

Von innen hinterlässt der Bau den ersten Eindruck einer zu groß dimensionierten, labyrinthischen Mall. Die sechs Ausstellungen, die bis 12. November 2021 kostenfrei in Erdgeschoss, erstem Obergeschoss sowie Schlosskeller des westlichen Gebäudeteils zu sehen sind, bilden den Auftakt einer noch bis Mitte 2022 schrittweise verlaufenden Inbetriebnahme des Hauses mit Sammlungspräsentationen und Wechselausstellungen. Mit dem Ethnologischen Museum und dem Museum für Asiatische Kunst wird am 22. September 2021 auch die dritte und vierte Etage des Westflügels eröffnen, zeitgleich soll das Dachrestaurant mit Terrasse den Betrieb aufnehmen. In der ersten Jahreshälfte 2022 folgt schließlich der Ostflügel. Auch hier belegen beide Museen, die mit knapp 14.000 Quadratmeter genutzter Fläche die größten Akteure in dem mehr als 40.000 Quadratmeter fassenden Bauwerk sind, das zweite und dritte Obergeschoss.

Ab jetzt können und sollen die Debatten über das Humboldt Forum und seine Hülle aus „Beton Barock“ – wie ein Stichwort aus dem Museumsguide die architektonische Gestaltung verschlagwortet – endlich auch im Haus selbst geführt werden, so Generalintendant Hartmut Dorgerloh in seiner Rede am gestrigen Pressetag. Dabei stünden drei Kernthemen im Mittelpunkt: die Geschichte und Architektur des Ortes mit all ihren Kontroversen, die Brüder Humboldt und ihr Blick auf die Welt sowie die Auseinandersetzung mit Kolonialismus und Kolonialität. Dass dies kein einfaches Unterfangen wird, zeigt sich schon angesichts der eklatanten Ambivalenz von äußerem Erscheinungsbild und inhaltlichem Anspruch der Institution, ausgerechnet in einer solchen Kulisse ein offenes und inklusives Forum kultureller Vielfalt zu etablieren.

Die heute eröffneten Präsentationen bemühen sich jedenfalls um eine möglichst vielstimmige und interaktive Darstellung. Dabei wird es allerdings schnell ziemlich laut: In einigen Räumen drängeln sich überfordernd viele Exponate, Projektionen, Mitmachangebote; selbstkritische Anmerkungen winken zuweilen mit dem Zaunpfahl. Zu sehen sind folgende Ausstellungen: eine dezentral über das ganze Gebäude verteilte „Geschichte des Ortes“; die in den Erdgeschossfenstern gezeigten „Einblicke. Die Brüder Humboldt“; „Nach der Natur“ im Stil einer modernen Wunderkammer, mit der das sogenannte Humboldt Labor der Humboldt-Universität sein Programm startet; „Berlin Global“, die sich daran versucht, auf 4.000 Quadratmetern die Facetten der Stadt abzubilden; „schrecklich schön. Elefant – Mensch – Elfenbein“, mit der das Forum direkt in medias res der Kolonial-Thematik einsteigt; sowie die für Kinder zwischen 3 und 10 Jahren konzipierte installative Schau „Nimm Platz!“. Die integriert zahlreiche Originalobjekte und widmet sich der Frage, wer wann wie, warum und mit welchen Folgen sitzt. Unterschiedliche kulturelle Konventionen werden dabei spielerisch adressiert.

Bleiben noch die beiden steinern-kahlen Höfe. Bislang fällt es schwer, sich hier das neue lebendige Stadtquartier vorzustellen, das im Zusammenhang mit der Schloss-Rekonstruktion immer wieder beschworen wurde. Ein umfangreiches Veranstaltungsangebot, für das heute ebenfalls der Startschuss fiel, soll das ändern. Es besteht zum einen aus dem Musik- und Performanceprogramm „Durchlüften“, das den Schlüterhof als Bühne für internationale Künstlerinnen und Künstler nutzt. Zum anderen unternehmen rund 40 Berliner Tanzschaffende unter dem Titel „Das Forum bewegen“ mit öffentlichen Proben, Workshops, Dialogen und Darbietungen den Versuch, „die Institution in Bewegung zu versetzen“. (da)

Fotos: Alexander Schippel, David von Becker, Cordia Schlegelmilch, Philipp Plum, Oana Popa-Costea


Zum Thema:

www.humboldtforum.org


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Kommentare

12

Max Putzke | 02.08.2021 11:24 Uhr

Auferstanden aus Ruinen

@tageloehner
nicht die Konterrevolution hat gewonnen, sondern wir sind gerade auf dem Weg zum größten Sozialismus aller Zeiten. Bleibt abzuwarten wie sich das Gebäude in die neue Gesellschaftsordnung einfügt...

11

Paul | 21.07.2021 17:07 Uhr

@STPH

Es wäre auch keiner auf die Idee gekommen, das Schloss abzureißen, wenn es noch gestanden hätte. Die Frage war doch eher, wie man mit dem Palast umgeht und die Antwort war das (teilweise) rekonstruierte Schloss.

Diese Antwort kann man aus meiner Sicht hinterfragen bzw. kritisieren ohne damit Städten wie Wien oder Paris mit ihren beständigen Bauten in irgendeiner Weise eine historisch erdrückende Atmosphäre zuzuschreiben.

10

STPH | 21.07.2021 14:18 Uhr

...

Wir leben in einer zunehmend virtuellen Welt und können uns noch nicht mal für die Reproduktion eines hochwertigen Denkmals, Schlüter etc. erwärmen. Beim Barcelonapavillon war das keine Frage. Da habe ich noch mehr Respekt vor einer revolutionären DDR Regierung, die komplett neues wagt und sich Platz verschafft.
Nun ist aber dieses Experiment vorbei und wir stehen wieder vor der gesamten Vielfalt unserer Geschichte. Andere unzerstörte Städte ersticken auch nicht an ihrer noch viel reicher überkommenen Vergangenheit, im Gegenteil. Wien, Paris.....

9

peter | 21.07.2021 11:48 Uhr

so ooer

dieses haus ist sooo 00er, 10er, so gegenwart, so cdu, was auch immer. es ist ein denk-, nein mahnmal für das deutschland der jüngsten vergangenheit. es setzt den bitteren schlussstrich unter ein ehemals spannendes berlin der nachwendezeit. die stadt hat jetzt endgültig verloren, gewonnen haben mutlosigkeit, geschichtsrevisionismus, potemkin'sche kulissenarchitektur und vor allem - banalität.

letztere regt wohl am meisten auf, denn außer der wiederherstellung einer historischen städtebaulichen kubatur und der din-gerechten, leblosen rekonstruktion einiger fassaden n ach barocken vorbildern ist dieser bau an einfallslosigkeit, lieblosigkeit und tristesse kaum zu überbieten. energie- und materialverschwendung vom feinsten. vor allem die innenräume sind so billig und gewöhnlich gemacht wie ein x-beliebiger gewerbepark der economy-klasse.

dass man beim namen der einrichtung auch noch die regeln der deutschen rechtschreib-/zeichensetzung missachtet hat (wenigstens einen bindestrich hätte man sich leisten können, vgl. goethehaus/goethe-haus), rundet das bild ab und passt wie die faust aufs auge. kulturlosigkeit, ignoranz, inhaltliche leere.

letztendlich pöbelherrschaft. ein weiterer grund, sich für deutschland zu schämen.

8

solong | 21.07.2021 10:35 Uhr

weltwunder der modernen

... jetzt lasst doch mal diese "dämliche" verhunzung der namen von kollegen, die man sicher nicht in allen dingen bejubeln muss ... die sich aber schon durch einsatz und standing langjährig in der architektur ausgezeichnet haben ...
... und das "gesellschaftsbedingt hilflose" konstrukt ... ist lediglich ein großes ... abstruses ... bauwerk ... für die "ewig gestrigen" ... wer das "bisschen bauen" für ein weltwunder hält ... "gute nacht marie"

7

Jan | 21.07.2021 10:00 Uhr

@Kanns Hollhoff

Ich kann mich Ihrer Meinung zum PdR nur anschließen. Als jemand des selben Alters und Herkunft finde ich Ihre Sichtweise einleuchtend und planusibel.

Zur Raubkunst habe ich aber eine bessere Idee: Die Hälfte zurückgeben, die andere Hälfte behalten. Dafür große europäische Kunstwerke in die Welt geben. Die Mona Lisa machte sich doch hervorragend in Addis Abeba, ein Paar Casper David Friedrichs in Kinshasa und die Rodins fühlten sich in Polynesien sicherlich auch wohl...

6

tageloehner | 21.07.2021 09:09 Uhr

@Kanns Hollhoff

Da kann ich ihnen nur zustimmen. Die Bilderstürmerei hat mit dem Humboldt-Forum ihren Höhepunkt gefunden.
Die "Konterrevolution" hat gewonnen.
Gruß von einem 48-jährigen Ossi, der seit über 20 Jahren im Westen lebt und die DDR keineswegs vermisst.

5

k.lassie | 21.07.2021 07:43 Uhr

Humboldtforum

ich war einige Male dort (und lass mal das bauliche beiseite), aber was auch gravierend ist, ist das Fehlen von Grün. Bei heißem Wetter gibt es kaum Aufenthaltsqualitäten, wenn man um das Schloss herumläuft. Das ist ein Manko, welches auch körperlich wahrgenommen wird. Nur Radfahren um das Schloss geht ganz gut, immerhin. Aber der Flaneur hat es nicht leicht.

4

Andreas Vöhringer | 20.07.2021 22:07 Uhr

Totgeburt

Wie war's doch in Berlin vordem,
In dem Palast so quirlig und mondän!
Ach, dass es noch wie damals wär'!
Doch kommt die schöne Zeit nicht wieder her!

3

Jan | 20.07.2021 17:12 Uhr

Gefühl

Irgendwie fühlt sich kein Bild richtig an.
Das Bauwerk umgibt eine Aura der Lieblosigkeit.
Auch vor Ort fühlt sich der Bau blutleer und leblos an.
Aber auch so seltsam aus der Zeit gefallen, wie der BER, dessen Entwurf ja schon einige Jahre auf dem Buckel hat...
Das Schloss ist ein sehr beeindruckendes Mahnmal für eine vertane Chance. Hoffentlich lernen wir darausa.

2

maestrowec | 20.07.2021 16:21 Uhr

Hans Wall

hat posthum offenbar die Werbetaferl gesponsort die schon seit Wochen in den Höfen der Eröffnung entgegenfunzeln! Großartiger Bundesbetonbarock und das erste reale Chateau als BIM-Modell! Modernism isch [sic!] finally over!

1

Kanns Hollhoff | 20.07.2021 16:05 Uhr

Die Westdeutsche Wirtschaftsmacht

Sicherlich ein Weltwunder der modernen Bau- und Ingenieurstechnik, das muss neidlos anerkannt werden. Ein Erlebnis für Gross und Klein, auch für die eigentlichen Besucher, welche zurecht in der grossen Mehrheit kein architektonisches Fachpersonal darstellen werden, gedacht. Ob die ausgestellte Raubkunst heute noch jermanden interessiert und nicht lieber zurückgegeben werden sollte? Es bleibt das Ausstellungskonzept abzuwarten. Hier bietet sich sicherlich eine Chance.

Schmerzen bereitet allerdings die vertane Möglichkeit, mit dem PdR ein Stück gesamtdeutscher Geschichte im spannenden, städtebaulichen Kontrast zur Rekonstruktion des historischen Zentrums aus "Unter den Linden" und der Museumsinsel herauszuarbeiten. Für nachfolgende Generationen, die Entscheider haben natürlich die "Unterdrückung" die dort stattgefunden hat selbst erlebt?! Für die Bausumme wäre eine Asbestsanierung wohl Erdnüsse gewesen. Das Haus riecht nach alten, westdeutschen Männern, fehlendem Mut und später Revanche. Die persönliche Meinung eines 32-jährigen Wessis.

 
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Ostfassade mit Spreeufer © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Ostfassade mit Spreeufer © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Schlüterhof © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Schlüterhof © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Passage © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Passage © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Probe für „Das Forum bewegen“ © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

Probe für „Das Forum bewegen“ © Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss

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