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29.06.2011

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Spendenautomat

Humboldt-Box von KSV in Berlin


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In Berlin geht nichts ohne Traufhöhe, auch nicht bei der temporären Humboldt-Box. Genau 22 Meter ragt das Gebäude auf polygonalem Grundriss auf, dann folgt eine klare, horizontale Linie. Hier oben liegt eine leicht abgeschrägte Variante des Berliner Staffelgeschosses mit Restaurant und zwei Dachterrassen, die eine schaut zur Museumsinsel und zum Berliner Dom, die andere zum Schlossplatz.

Mitten im Herzen Berlins, umtost vom Straßen- und Baulärm, sollen die Besucher bis zur Fertigstellung des Stadtschlosses über Sinn und Zweck des Baus informiert werden, außerdem sollen Spenden für die historische Fassade gesammelt werden. Dafür steht im ersten Stock, gleich hinter dem großen Holzmodell der Berliner Altstadt, ein signalgelber Spendenautomat, der Geld in steuerabzugsfähige Quittungen verwandelt. Immerhin: Hier wird mit offenen Karten gespielt.

Der Entwurf der Box stammt von KSV Krüger Schuberth Vandreike, die 2009 als Sieger aus einem Auswahlverfahren hervorgegangen waren. Die Gestaltung reagiert auf die Anforderungen: Kubatur, städtebauliche Position und Nutzung waren bereits im Wettbewerb detailliert vorgeschrieben. Die Architektur wurde von Anfang an zum Baustein einer Werbekampagne degradiert. Auf dem engen Bauplatz mussten außerdem große Flächen freigehalten werden, um Leitungstrassen zugänglich zu halten.

Auf die übrig bleibenden vier Fußpunkten haben sie ein irritierend polygonales Gebäude gestellt. KSV entwickeln aus der 27 Meter tiefen Pfahlgründung dieser Fußpunkte eine sichtbare, prägende Tragstruktur; ein „skulpturaler Solitär, welcher das Abknicken der Straßenachsen vermittelt“, so die Architekten. Auf der Fassade wird diese Tragstruktur ablesbar, die Rahmung dient aber auch dafür, dazwischen textile Segel einspannen und nachts von innen beleuchten zu lassen.

Zur heutigen Eröffnung ist die Hülle blau und trägt den Schriftzug „Humboldt-Box“. Sie erinnert an die inzwischen abgebaute temporäre Kunsthalle von Adolf Krischanitz und die „Wolke“ von Gerwald Rockenschaub auf deren Fassade. Aber die „wandelbare Gebäudehülle“ (Architekten) der Humboldt-Box wird nicht für Kunst, sondern für Kommerz genutzt werden. Planung, Bau und Abriss der Box wird von einer Berliner Werbeplakatfirma finanziert, die dafür von der Stadt die Vermarktungsrechte bekommen hat. Die fünf Millionen Euro Baukosten werden in den mindestens acht Jahren Standzeit bis zur geplanten Fertigstellung des Schlosses im Jahr 2019 also leicht wieder eingespielt.

Was kann Architektur, wenn sie nichts darf? Die Architekten machen kaum einen Hehl daraus, dass dieses Gebäude besonders vielen Zwängen unterworfen war. Aus dem polygonalen Grundriss und den vier Fußpunkten ein markant sichtbares Tragwerk zu formen und dieses zu einem prägnanten Ausdruck des Gebäudes zu machen, ist ein architektonischer Ansatz, der die Fassade jedenfalls nicht gänzlich der überdimensionalen Werbung überlässt, die sich künftig zwischen den Spinnenfäden ihrer Konstruktion einfügen muss.

Natürlich wäre es schön gewesen, hätte wenigstens bis zur Fertigstellung des Schlosses hier eine moderne Architektur stehen dürfen, die noch einmal Chancen und Potenziale einer Neugestaltung dieses Ortes, dieses Raumes wenigstens hätte andeuten können. Die Humboldt-Box hatte diese Chance aber nie, das war schon bei Auslobung des Wettbewerbs klar.

Städtebaulich steht das Gebäude seltsam unschlüssig herum: Weder mittig in der Achse Unter den Linden, noch erkennbar auf Dom, Altes Museum oder sonst einen Bezugspunkt ausgerichtet, steht das Findling-artige Häuslein recht schief am Rande der kommenden Großbaustelle. „Bald wird sich die Box zwischen Gerüsten und Kränen visuell behaupten müssen“, schreiben die Architekten, und vielleicht wirkt das Gebäude insofern ja absichtlich ganz auf sich selbst gerichtet.

Die Ausstellungen im Inneren scheinen genau so ratlos wie die Besucher, was denn nun mit dieser Box anzufangen sei. Zwischen den drei (!) Treppenhäusern klemmen sich im zweiten Geschoss zwar immerhin noch 360 Quadratmeter Ausstellungsfläche, aber dort empfängt einen dann zum Beispiel die Maske von Nulis aus der ethnologischen Sammlung. Dieser „Ahne eines indianischen Klans an der Westküste Kanadas symbolisiert die Großzügigkeit, mit der Geschenke an die Gäste verteilt wurden.“ Aha. Woanders geht es um die Verbreitung von Zitrusfrüchten, um vom Aussterben bedrohte Sprachen oder um die ökologischen Folgen, wenn in Westafrika zu viele Frösche verzehrt werden. Au Backe.

Wenn dieses sinnlose, lustlos zusammen gestellte Potpourri und dessen mühsame Präsentation in Räumen, die ganz offensichtlich zu vielen (äußeren) Zwängen und zu wenigen inhaltlichen Zusammenhängen folgen müssen, wenn das also ein Vorgeschmack auf das Berliner Stadtschloss ist, dann muss einem Angst und Bange werden. Ja, die Humboldt-Box wird kräftig die Werbetrommel rühren – Lust auf die Inhalte des kommenden Humboldt-Forums macht sie dabei leider nicht. (Florian Heilmeyer)


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Kommentare

20

balina | 01.07.2011 12:07 Uhr

richtig

Es scheint tatsächlich der perfekte Plot für die Verschwörungstheorie zu sein, daß Schloßbefürworter es allen nochmal zeigen wollten, wie schlimm moderne Architektur an prominenter Stelle werden kann.
"Gott sei Dank kommt das Schloß", soll wohl die Reaktion des Publikums lauten.
Was tatsächlich in diesem Schloß angesichts der zuletzt vorgestellten Planung von Herrn Stella und der Ergebnisse des Wettbewerbs zur Ausstellungsgestaltung gezeigt werden soll, läßt allerdings noch Schlimmeres vermuten, als diese Infobox mit Best-of Hadid-Einschlag

19

Andrea Palladio | 01.07.2011 08:52 Uhr

@ d+t

Wenn so die moderne Avantgarde aussieht, kann Stimmann nicht wirklich falsch gelegen haben.

Leider ist dies nicht die moderne Avantgarde sondern nur ein sehr ungelenkter Aufguss bekannter Vorbilder (die hier auch schon erwähnt wurden), nur schlechter ausgeführt, schlechter detailliert und schlechter plaziert.

Den Kommentar von abe fand ich auch noch interessant: ein Haus als Abbild einer amerikaniscen Cartoon-Figur. Warum eigentlich nicht. Oder sollten wir vielleicht besser einen himmelblauen, 30m hohen Plastik – Schinkel aufstellen, gleichsam als Mahnmal an alle Stadtzerstörer dieser Welt?

18

abe | 30.06.2011 18:04 Uhr

humbold box

In Orange hätte es wenigstens noch ausgesehen wie eine überdimensionale Büste von Kenny aus South Park...
Schade, schon wieder eine verpasste Chance.
Hoffentlich lebt es wenigstens nicht auch noch länger als Kenny.

17

d+t | 30.06.2011 15:12 Uhr

uninspirierte Durchnittlichkeit

Jeder Versuch in Deutschland etwas moderner bauen zu wollen wird stark bekämpft. Es entstehen lauter Objekte, die auf Konsens gehen. Lauter uninspririerte Durchschnittlichkeit.
Lasst doch der neuen Generation auch ihre Daseins-Berechtigung.
Wir wollen nicht nur ´steinern´ Bauen,
sondern eine gesunde Kommunikation mit dem Bestand.
Ob man dieses Projekt gut findet oder nicht, immerhin hat es mal versucht anders zu sein und neue Wege zu gehen.
Das müsste man in Deutschland auch schon loben.

PS: schickt doch bitte noch mehr durchschnittliche Projekte nach Cannes (oder zu anderen internationalen Wettbewerben)... Ihr kommt bestimmt gegen die anderen innovativen Objekte an.

16

ronny | 30.06.2011 15:11 Uhr

box

wirklich schade, man hätte ein gutes zeichen setzten können, aber verliert sich leider im spektakel, warum???

15

F.I. | 30.06.2011 13:30 Uhr

Geniales Finanz-Konzept

Das ist doch mal ein Finanz-Konzept!
Schön günstig baut man einen unattraktiven Fremdkörper und wen es stört, der soll doch drinnen bitte Spenden, damit der Fremdkörper weichen kann... GENIAL!

14

städtebau | 30.06.2011 12:27 Uhr

aua aua

und es öffnet sich dann wohl auch nicht in die achse der linden, weil dort die werbeflächen-fassade geschlossen bleiben muss???

der eigentliche skandal ist wirklich nicht die schlechte architektur, sondern die politischen rahmenbedingungen!!! wieso kümmert sich eigentlich gar niemand mehr um diese doch wichtigste baustelle deutschlands??? bund und stadt scheinen von dem ganzen projekt genau so angefressen zu sein wie die nutzer, die sich jetzt erst die doofen räume in der kleinen box und später die noch dooferen räume in der größeren (dekorierten) box schön reden müssen...

prost berlin. war schön mit dir. bald ist der hype vorbei!!!

13

rauke rübenstrauch | 30.06.2011 10:58 Uhr

das war doch absicht...

...so ein teil da hinzustellen, damit jetzt alle wieder sagen können, dass "die moderne" architektur mal wieder versagt hat. der erste schlaue kommentator hat sich hier ja auch schon erleichtert.

der beitrag von herrn heilmeyer hat mir im übrigen ausserordentlich gut gefallen. manchmal ist eben ein kommentar nötig und nicht nur eine meldung!

12

baudi | 30.06.2011 10:52 Uhr

Bestätigung

Damit werden die Schloßfetischisten bestätigt!

11

lars | 30.06.2011 09:55 Uhr

hmmmnnn

ja, aber was lässt sich denn nun daraus folgern?

architektur ist immer kompromiss, weil kaum ein architekt für sich selbst baut. also muss man mit zwängen umgehen. immer. und daraus gute architektur machen.

gute beobachtung mit der fassade: aber dennoch; ist das dann ein bewunderswerter architektonischer kampf gegen die werbung auf der fassade, wenn die doch ziel&zweck dieses gebäudes ist? ist das dann nicht gerade deswegen schlechte architektur, weil sich der architekt gegen den zweck auflehnt??

ich muss da immer an ein wüst eingepacktes geschenk denken, wenn ich vorbei fahre. aber für wen ? für mich? nein, danke!

10

Andrea Palladio | 30.06.2011 09:17 Uhr

Da wünscht man sich … 

auch als durchaus modern denkender Architekt ganz dringend Bauakademie und Stadtschloss herbei.

Die Perspektive entlang den Linden ist wirklich erschütternd. Ich denke, dieses Jahr wird man lange Zeit suchen müssen. um etwas Ähnliches zu finden.

Sollte es nicht auch goldene Himbeeren für Architektur geben?

Das Argument, vielen Zwängen ausgesetzt zu sein, ist lächerlich. Welcher Architekt sähe sich nicht diesem Problem ausgesetzt? Warum sich nicht stattdessen sich in Zurückhaltung üben, nicht noch das programmatisch verordnete Spektakel mit Kirmesformen übertünchen?

9

peter | 30.06.2011 09:02 Uhr

humboldtbox

die infobox damals war wegweisend, aber das hier ist geshapeter träsch, um es mal auf denglisch zu sagen.

beliebiges, billig wirkendes design ohne erkennbares konzept, und dafür mit sicherheit zu teuer. ein ätzendes teil in geschmacklosen farben.

so gesehen aber passend zum projekt - eine doofe box für ein doofes "schloss".

8

geoff | 30.06.2011 08:54 Uhr

hilflos

in jeder Hinsicht; fast schon mitleiderregend!

Das das an solch prominenter Stelle passiert, spricht nicht für die vielbemühte Baukultur in Deutschland - auch wenn´s selbst in einem Gewerbegebiet noch schlimm wäre.

7

dennis | 29.06.2011 22:53 Uhr

what ?

zum glück nur temporär !!! was soll das sein ? manchmal bekomme ich angst was sich manche leute so einfallen lassen ..bin gerne offen für wirklich alles ...aber bitte nie so ! hatte schon schlimmste befürchtungen als ich das skelett sah..aber das sah dann doch um welten besser aus als das endprodukt ....

6

Moderne ade | 29.06.2011 19:04 Uhr

Moderne ade

Hier zeigt "moderne Architektur" was kann - nämlich Nichts.
Das Ding gegen eine Barockfassade (schon gleich welche, und selbst vorgefertigter Stuck einer Mietskaserne wäre erfolgreicher) beim Publikum gestellt - das Ergebnis ist jetzt schon bekannt.

Aber nie ist der Architekt schuld;
- die Vorschriften
- das Budget
- Sonderwünsche
etc...
Wozu wurde man dan Architekt?
Alles Ausreden, die nur kaschieren, dass man (und damit sind sehr viele gemeint) es einfach nicht kann.

5

Peter | 29.06.2011 18:46 Uhr

3 Treppen

Bei den 3 Treppen in den Gschossen handelt es sich wohl eher um Fluchttreppen um dieses modische wirkende Gebilde fluchtartig zu verlassen ;)
Wobei es im Gegensatz zum wiederaufbau des stadschlosse ein architektonisches kleinod darstellt *hust* ;)

4

herr schmidt | 29.06.2011 17:54 Uhr

schlau

ein wunderbares projekt, dass seinen zweck bestimmt erfuellen wird. nun haben die schloss-verfechter auch alles recht, darauf hinweisen zu koennen, dass zeitgenoessische architektur nichts taugt. auf soetwas muss man erstmal kommen!

3

Rainer Franke, Stgt. | 29.06.2011 16:24 Uhr

Humboldt-Box

Das ist rausgeschmissenes Geld, es sei denn, man lässts gleich stehen.

2

Klotz | 29.06.2011 16:17 Uhr

Box

...auch ich komme täglich an diesem "Objekt" vorbei: leider lies schon die Baustelle keine Lust-auf-mehr-erwecken. Städtebaulich gestalterlich äußerst schwierig und wie eine schlecht abgekupferte `Casa da Música`.
Berlin hat sich damit mal wieder nichts gutes getan...

1

kritiker_0815 | 29.06.2011 16:03 Uhr

...

Ein blöder Kasten für ein noch blöderes Projekt.
Aber wenn die Financiers zu viel Geld haben...

 
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