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13.01.2021

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Spuren der Zeit in Chemnitz

Gründerzeitsanierung von bodensteiner fest Architekten


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Der Sonnenberg in Chemnitz bot 1990 eine melancholische Landschaft des Verfalls: Ein ganzes Viertel voller Gründerzeithäuser war marode geworden, Dächer waren eingestürzt, von Birken und Farnen bewachsen, dazwischen ein paar Plattenbauten. Mittlerweile sind große Teile des um 1900 entstandenen Ortsteils wieder saniert, bewohnt und unter Chemnitzer*innen beliebt. Doch auch dreißig Jahre nach der Wende war eine Parzellüberbauung in der typischen Blockrandstruktur leer und verfallen. Durch eine Zwangsversteigerung erwarb das Münchener Duo bodensteiner fest Architekten gemeinsam mit einer anderen Privatperson das Haus. Sie sanierten es und beließen dabei in den neu entstehenden Wohnräumen so schön die Spuren der Zeit, dass ihre 2020 fertiggestellte Casa Rossa bereits ausgezeichnet wurde.

Kein Putz, auch nicht der in Chemnitz gegenwärtige rote Porphyr, sondern das historische Mauerwerk aus Reichsformat-Ziegeln von 1910 bestimmt Inneres wie Äußeres der Casa Rossa. Christian Bodensteiner und Annette Fest legten die Ziegel frei und ließen sie außen neu verfugen, hydrophobieren sowie mit einer hellen mineralischen Lasur überziehen. Mit gedämmten Faschen im Außenbereich und Fensterzargen aus Holz im Inneren ertüchtigten sie den Bestand. Neue Fenster in dunkelroten Rahmen korrespondieren farblich und kontrastieren materiell mit dem ruppigen Ziegelmauerwerk.

Die maroden Holzdecken tauschten die Architekt*innen gegen Ziegel-Einhangdecken aus. Dabei ließen sie das Mauerwerk im Dachgeschoss abtragen (die Ziegel nutzten sie für den Aufbau anderer Wände). Dort entstand neuer Wohnraum in Form einer Maisonette mit Dachterrasse und bodentiefen Fenstern. Das Wohnhaus am Sonnenberg zählt seit dem Umbau sechs Wohneinheiten: im Erdgeschoss zwei Zweizimmerwohnungen, drei Etagenwohnungen in den Obergeschossen und die Maisonette unterm Dach.

Bei der Modernisierung der Wohneinheiten verfolgten die Architekt*innen unterschiedliche denkmalpflegerische Themen: Im ersten Obergeschoss verwendeten sie alle erhaltenswerten und restaurierten Zimmertüren des Gebäudes, im Wohnzimmer des dritten Stocks legten sie das Mauerwerk auch innen frei. Dabei ließen sich bodensteiner fest von einem gewissen Purismus leiten: Ihre Materialien – Ziegel, Holz, Schwarzstahl und Beton – bleiben stets erkennbar und sind nur mit Lasur oder Öl behandelt. (sj)



Fotos: Steffen Spitzner, bodensteiner fest Architekten


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Kommentare

12

Stefanie Jühling | 15.01.2021 14:55 Uhr

Chemnitz und Stil der Kommentare

Glückwunsch, sehr gelungen!!

Die Art der Kommentare ist teilweise komplett unmöglich. Gehässig, abwertend in einer Weise, die nichts mit sachlicher Kritik zu tun hat - und das unter anonymen Namen.
Liebe betroffende Kollegen, Ihr seid Feiglinge :)

11

ixamotto | 15.01.2021 09:46 Uhr

@nur ein architekt

das glaube ich ihnen sofort, dass sie begeistert von ihrer eigenen definition sind!

aber ein paar trümmer und ein gut erhaltenes portal machen aus der kopie eines schlosses immer noch keine denkmalpflegerische bauaufgabe. mit ihrer phantasie könnten sie sich beim gruseligen 'förderverein berliner stadtschloss e.v.' bewerben.

10

auch ein | 14.01.2021 16:12 Uhr

architekt

@9 iaxamotto:

na das schloss ist der träger für die eingelagerten versatzstücke weil ja nichts mehr übrig war vom (hier stimmts sogar) "tragwerk".

also ist es ein träger für eine denkmalpflegerische rekonstruktion.

jetzt bin ich begeistert von meiner eigenen definition ! ;-)

9

ixamotto | 14.01.2021 12:18 Uhr

@nur ein architekt #5

was hat das berliner schloß mit denkmalschutzkonzepten zu tun?
ich fürchte sie haben gerade die sportart verwechselt.

ach ja, weil sie mich sicher gleich danach fragen was eigentlich meine meinung zum projekt ist: mich erinnert das ganze an das buhei um gunther von hagens' körperweltenausstellungen vor einiger zeit. irgendwie hat das ganze was sehr angestrengtes mit nekrophilen zügen. und dann muss ich noch an grimm's märchen von "des kaisers neue kleider denken": ein wenig viel gewese um die nacktheit eines (schönen aber eben doch gewöhnlichen) gebäudes, meinen sie nicht?

8

Gabriel | 14.01.2021 11:03 Uhr

Entkleiden

"Ihre Materialien - Ziegel, Holz, Schwarzstahl und Beton - bleiben stets erkennbar" sagt der Kommentar. Warum so ehrfürchtig ... und irreführend? Das sinnlich im Vordergrund stehende Material bleibt nicht erkennbar.
Kann man machen, spätere Bewohner werden den Putz wieder anbringen. Vielleicht mit den Erfahrungen jüngerer Experimente mit technisch avancierten und zugleich architektonisch raffinierten Putzanwendungen.
Interessant wäre eher: Woher kommt die immer noch oder wieder zur Schau gestellte Abneigung unserer Zunft gegen die schützende, schmückende, profilierende, Licht modulierende und reflektierende Bekleidung? Warum wird diese rigoros ("puristisch") beseitigt? Um eines romantischen Bildes von den "eigentlichen" Materialien willen.
Ruinendenkmalpflege, lange Ausdruck der modernen Abneigung gegen die (über-)kultivierten Oberflächen des bürgerlichen Bauens, ist immer noch en vogue, aber inzwischen doch eher im Bereich des Lifestyle-Dekors. Das exhibitionistische Entkleiden traditionell verputzter Bauten macht sich in der Werbung in der Tat richtig gut, so wie Modeaufnahmen in authentischen Slums. Aber auch in Sachsen gehört es nicht zu den "denkmalpflegerischen Verfahren", die das konstruktive Bewahren im Auge haben.
Dennoch gut gemacht, keine Frage. Man denkt halt nur, bei einer echten, italienischen, rossa Ruine wäre es stimmiger. Es fehlen wohl die kontrastreichen Hintergründe des Einfachen, Alten, Armseligen, vor denen wir unsere überlegene Modernität gelassen zelebrieren können.

7

Stefan Frischauf | 14.01.2021 10:38 Uhr

Spannend und schön

Und interessant dazu. Alle Attribute, die die bisher 5 Kommentare hier darlegen, sind irgendwie in sich stimmig. Als architektonischem Schöngeist gefallen mir Konzept und Herangehensweise an die "Spuren der Zeit" in dieser Gründerzeitzeile.

Aber: Die "Gründerzeit", 1871-1914 war ja ein "Boom" westlich des Rheins, der maßgeblich auch durch Reparationen für den Deutsch-Französischen-Krieg 1871 befeuert wurde. Östlich des Rheins indes war eher eine "Rezession" spürbar. Auch ein Grund, warum bei den französischen Nachbarn WK 1 als "La Grande Guerre" bezeichnet wird.

Geht das Auseinanderfallen von FORM und INHALT, das wir seit Jahren, vielleicht gar Jahrzehnten in Architektur und Städtebau beobachten einher mit der "Trenung von Form und Inhalt", die Katharina Pistor für "öffentliches und privates Recht" im "Code des Kapitals", das hier ja auch vor Kurzem eingehend erörtert wurde konstatiert und sind dies maßgebliche Charakteristika für "Das Kapital im 21. Jahrhundert", wie Thomas Piketty sein Schlüsselwerk benennt?

Betrifft dies jedoch bei der gebauten Umwelt ganz entscheidend die Haupt-, also Straßenfassade, die eine der zumindest 4 Seiten des Hauses ist und den Inhalt? Wobei der Inhalt nicht nur Kern, Erschließung und Trennwände, sondern auch ganz maßgeblich die "Kaufkraft" der vormaligen Bewohner manchen Ortes einschließt?

Den Begriff der "Segregation" will ich jetzt hier nur kurz benennen. In diesem Sinne:

Müssen "Spuren der Zeit", die sich in der gebauten Umwelt abzeichnen, nicht in einem "demokratischen Diskurs" auch die ökonomische Entwicklung (nicht nur Europas) berücksichtigen und: wie stellen wir das dar im weiteren Verlauf der Dinge, mithin der (Bau-) Geschichte auch unserer selbst?

6

Frauke | 14.01.2021 10:09 Uhr

Des Kaisers neue Kleider

Muss adviadrum zustimmen, der stilistische Wille zur "rohen" Architektur hat hier die echte Auseinandersetzung mit der Bestandsarchitektur verdrängt.
Leider geht es auch ästhetisch in keiner Weise auf und die Mischung aus abgeschlliffenen Türen weißen glatt verputzen Wänden dann gegenüber grauen neuen Türen und den Ziegeln wirkt in keiner Weise stimmig. Dann auch noch rote Fenster im weißen Kasten und die neue Tür in Bohlen Optik... in den einzelnen Teilen alles nachvollziehbar aber in der Summe kleiner als die einzelnen Teile.

Mir tut das unfreiwillig nackte Haus in diesem Zustand leid aber, gottseidank man kann es ja später wieder anziehen.

5

auch ein | 14.01.2021 09:02 Uhr

architekt

@ adviadrum:

wäre es besser wie am berliner schloss eine betonkiste zu bauen und dann übriggebliebene deko-reste dranzuhängen?

es gibt eben unterschiedliche ansätze, insbesondere im denkmalschutz

im übrigen hat man auch innen selten sichtmauerwerk gehabt, die türen mit rahmen waren lackiert usw.. trotzdem schön gemacht

4

STPH | 14.01.2021 08:13 Uhr

Raum als dazwischen, wir selbst als dazwischen


Dekonstruiert zu gegensätzlichen Teilen als Ausgangspunkt endlosen Fügens, hier etwa akkurat weiße Fläche gegen Ziegelwand und das fortlaufend nach außen und so endlos immer weiter......
Der Raum ist hier die Spannung zwischen den Gegensätzen ein bisschen wie Scharoun, später der dekonstruiert teilig bunte Behnisch und wir selbst -dazwischen-.
Das Vintage, die Spuren die uns hier so reizen, ist auch die zeitliche Dimension im Fügen: der Zeit-Raum.

Letztendlich das "organische" Verständnis:

- - selbst Teil endlosen Fügens, je gegensätzlicher umso inniger - -

Sich selbst in möglichsten Kontrast setzen. Ist auch "demokratisch" im individuell gegensätzlichen Fügen. Ist unsere Freiheit. Behnischs Kontroversen als Phobie vor der einen Meinung.
Ist auch gegen den vertikalen Gutböse Diskurs, die inzwischen verbürgerlichte ehemalige -Protest-Kultur. Erst gegensätzliche Meinungen er-gänzen sich.
Lust auf Auseinander- Setzung

Es lebe der Unterschied

3

quako | 14.01.2021 07:19 Uhr

Schlagregen?

Ich finde das Projekt "interessant".

Im Inneren fällt mir die konventionelle Elektroninstallation auf. Bei einer freigelegten und ursprünglich nicht für diesen Zweck vorgesehenen Mauerwerkswand, wäre eine Aufputzinstallation aus meiner Sicht ehrlicher und passender.

Fassadenseitig würde mich interessieren, in welcher Art und Weise die Schlagregendichtigkeit wiederhergestellt wurde. Gerade bei der leicht zurückspringenden Neuverfugung ist hier ein zügiges Auswittern der Fugen und Wassereintritt in das einschalige Mauerwerk zu befürchten.

2

adviadrum | 13.01.2021 18:07 Uhr

Pseudochic

Ich halte diesen Ansatz aus denkmalpflegerischen und tektonischen Gesichtspunkten grundfalsch. Wie man unschwer auf den Bildern, vgl. z.B. Bild 12, erkennen kann, war das Mauerwerk nie für eine Sichtanwendung gedacht. Mit der Freilegung wird somit auch die Sockelzone komplett aufgelöst. Dass dies zusammen mit den Nachbarhäusern nicht funktioniert, sieht man schon an Bild 1. Die Kollegen haben hier sicher ein Gebäude in der Hoffnung auf effektverheißende Veröffentlichungen in Fachmedien - im Baunetz hat es ja schonmal geklappt - produziert - das tiefe Verständnis für die Materie und für Gründerzeitviertel wie Chemnitz-Sonnenberg oder Kassberg sucht man jedoch vergebens - der Wert der Viertel ist nicht das Einzelne sondern das Ensemble. Ein Jammer, dass der Sächsischen Denkmalpflege der Biss der Brandenburger oder Berliner Kollegen fehlt....

1

auch ein | 13.01.2021 17:27 Uhr

architekt

eine eins mit sternchen gebe ich hier !

da stimmt wirklich ALLES finde ich.

und die sicher nicht ganz billige liebevolle sanierung geht einher mit gutem geschmack, das gibt es nicht so oft....

 
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Rohe Ziegelfassade zwischen den Putzfassaden von Gründerzeitbauten in Chemnitz-Sonnenberg

Rohe Ziegelfassade zwischen den Putzfassaden von Gründerzeitbauten in Chemnitz-Sonnenberg

Die lasierten und hydrophobierten Ziegel zeigen die Spuren der Zeit auf der Fassade.

Die lasierten und hydrophobierten Ziegel zeigen die Spuren der Zeit auf der Fassade.

Unterm Dach entstand eine Maisonette-Wohnung.

Unterm Dach entstand eine Maisonette-Wohnung.

Im dritten Obergeschoss sind die Ziegel auch im Innenraum freigelegt.

Im dritten Obergeschoss sind die Ziegel auch im Innenraum freigelegt.

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