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23.01.2019

Stetig Neues schaffen

Gottfried Böhm zum 99. Geburtstag


Von Uta Winterhager

Wer Gottfried Böhm treffen möchte, trifft ihn im Büro. Nicht ungewöhnlich für einen Architekten, wohl aber für einen, der kurz vor Vollendung seines 99. Lebensjahres steht: Jeden Tag, sofern seine Gesundheit es zulässt, trifft Gottfried Böhm gegen zehn in dem vom Vater gebauten Büro ein. Dort sitzt er mit einer Tasse Kaffee im Erker des Besprechungsraumes, von dem aus sich das Geschehen in Haus und Garten gut überblicken lässt. Hinter ihm ein Triptychon aus Fotografien der Kölner Bauten seines Sohnes Paul: die Moschee, die Kirche St. Theodor, das Seminargebäude für die Universität zu Köln. Daneben das Ägyptische Museum in München seines Sohnes Peter. Eine Reihe eigener Zeichnungen lehnt gerahmt an der Wand hinter seinem Stuhl, vorm Fenster ein Modell des Potsdamer Hans-Otto-Theaters. Am Wandvorsprung zu seiner Rechten steht auf einem Sockel der Kopf des Vaters Dominikus in Bronze. Auch das ein Werk von ihm, der zunächst gar nicht Architekt, sondern – aus Sorge, dem Anspruch des Vaters nicht zu genügen – Bildhauer werden wollte. Paul Böhm, der sich mit an den Tisch setzt, kann das gut nachvollziehen.

Heute sind es drei der vier Söhne, Peter, Paul und Stephan, die das Büro Böhm – oder richtig: die Büros – im Haus leiten und am Laufen halten. Der Vater läuft mit, wird gefragt. So hat es auch der Film „Die Böhms – Architektur einer Familie“ aufgezeichnet: Man kann nicht über einen Böhm sprechen, ohne den Vater, die Söhne und auch die Ehefrau und Mutter Elisabeth zu erwähnen. Ist das das Geheimnis ihres Erfolgs? „Es ist nett, wenn Sie das so sehen“, sagt Gottfried Böhm und sein Sohn Paul stimmt zu, die Rollen im Privaten und Beruflichen seien schwer zu trennen. „Der Boss“ sei er, Gottfried, so hatte sich das im Büro etabliert – allerdings solle man insbesondere den Einfluss seiner Mutter auf die Arbeit des Vaters nicht unterschätzen.
 
Die Kapelle Madonna in den Trümmern, sein erstes Werk und eine von über 70 Kirchen seines gewaltigen Oeuvres, wird im nächsten Jahr 70. Mit seinem Wettbewerbsentwurf für das Kolumbamuseum in Köln hatte Peter Zumthor die Kapelle Madonna in den Trümmern quasi geschluckt. Den separaten Eingang konnte Böhm schließlich durchsetzen, dass jedoch die farbigen Glasfenster von Ludwig Gies und Ewald Mataré durch die Einhausung ihre Leuchtkraft verloren haben, macht ihn immer noch ärgerlich. Wichtiger als dieser Konflikt aber ist Gottfried Böhm die Erinnerung an den Bau der kleinen Kapelle. Zu Ehren einer Kalksteinmadonna, die den Krieg unbeschadet überstanden hatte, sollte sie in den Trümmern der Pfarrkirche St. Kolumba errichtet werden. Die verantwortungsvolle Aufgabe übertrug ihm sein Vater, der große Kirchenbauer Dominikus Böhm. Voller Kraft und Spiritualität steckt dieser Andachtsraum, bis heute einer der schönsten in Köln.
 
Mit fast 99 denkt er schon mal über das Altern nach. Gottfried Böhm hofft, dass es bei seinen Bauten anders laufe, als bei ihm selbst, er schmunzelt, denn er möchte, dass seine Bauten schön sind. Er denkt dabei an den Mariendom in Neviges, wo die undichten Dachflächen des Betonfaltwerks derzeit aufwendig saniert werden – durch das Büro seines Sohnes Peter. Viele seiner Kirchen seien durch den Ruß der Kerzen innen heute deutlich dunkler, fast schwarz geworden. Eigentlich mag man das so nicht, sagt er, doch er gesteht den Räumen die Spuren der Zeit zu. Schwieriger findet er die Frage nach der Umnutzung von Sakralräumen: „Eine Kirche, was soll es sonst sein?“

Heute zeichne er nur noch, sagt Gottfried Böhm nicht ohne Wehmut. Eine Zeichnung ist gerade fertig geworden, nun möchte er eine neue anfangen, sucht dringlich ein Thema. „Hast du nicht was zu tun für mich, Paul?“, fragt er. Der Sohn verspricht, sich etwas einfallen zu lassen, der Vater ist erleichtert. Gottfried Böhms Wunsch, stetig Neues zu schaffen, ist bis heute beeindruckend stark. Ihm gebühren Dank und Hochachtung. Wir gratulieren herzlich zum Geburtstag.


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Gottfried Böhm im Januar 2019 in seinem Büro in Köln

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