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14.12.2018

Stuttgarts dunkles Silberhotel

Gestapo-Gedenkstätte von Wandel Lorch Architekten


An diesem Ort in Stuttgart wurde 1903 die „Deutsche Motorradfahrer-Vereinigung“ gegründet, die Vorgängerorganisation des ADAC. Am selben Ort tippte aber auch vierzig Jahre später die Stenotypistin Ella Schneck säuberliche Protokolle über die Deportation von Sinti und Roma ab und der Wachmann Anton Dehm ermordete die Gefängnisinsassin Else Josenhans brutal in einer Kellerzelle.

Hinter der unschuldig verspielten Neorenaissance-Fassade des ehemaligen Hotels Silber in der Stuttgarter Innenstadt wurden zwischen 1933 und 1945 zahlreiche Verbrechen begangen. Der nach seinem einstigen Besitzer Heinrich Silber benannte Bau war damals zunächst Hauptstelle der Polizei und schließlich die Zentrale der Geheimen Staatspolizei Gestapo in Baden-Württemberg. Nach dem Krieg hat man mit einer unglaublichen Verbindung aus Pragmatismus und politischer Ignoranz die erhaltenen und wiederaufgebauten Teile des Hauses weiterhin als Polizeipräsidium genutzt. Die Gestapo-Kellerzellen wurden dabei kurzerhand zu einem Gefängnis umgewandelt. Es bedurfte eines langen Prozesses, um die schwere Geschichte des Hotels Silber gebührend zu erinnern. Kürzlich, am 3. Dezember 2018, wurde das Hotel Silber als Gedenkstätte und Ausstellungsort der Gestapo-Verbrechen wieder eröffnet. Die architektonische Aufarbeitung dieses schweren Orters geschah nach Plänen von Wandel Lorch Architekten (Frankfurt).

Anstoß für die Umwidmung des Gebäudes, in dem sich noch bis 1984 eine Stuttgarter Polizeistelle befand, gaben zunächst Abrissplanungen. Die Stadtverwaltung überlegte, das Hotel Silber dem neuen Einkaufsviertel Dorotheenquartier weichen zu lassen. Dagegen wehrte sich 2008 eine Bürgerbewegung, die erstmals auch eine Gedenkstätte forderte. Nach intensiver Debatte beschlossen die Landesregierung und der Gemeinderat der Stadt Stuttgart 2011 den Erhalt des Gebäudes. Im Juni 2015 wurde die Gestaltung der Dauerausstellung nach einem gemeinsamen Wettbewerbsverfahren von Stadt und Land festgelegt.

Die nun fertiggestellte Gedenkstätte von Wandel Lorch, die nunmehr direkt neben dem neuen Shopping-Center des Dorotheenquartiers liegt, ist durch die Belange der Ausstellungsarchitektur geprägt. Dies erforderte umfangreiche Eingriffe in den Bestand sowie Rückbaumaßnahmen. Die Dauerausstellung mit Zeitzeugenberichten, Fotodokumentationen und originalen Gegenständen richteten Wandel Lorch im ersten Obergeschoss ein. Sie ist das Kernstück der neuen Gedenkstätte. Dazu gehört unter anderem eine massive Zellentür, auf deren Rückseite Gefangene zahlreiche Einritzungen hinterlassen haben. Oder die Anstecknadel, die Liebhaber von  der zu NS-Zeiten verbotenen Swingmusik verdeckt trugen. Die Ausstellung zeigt zudem ein differenziertes Bild der Täter.

Für Wechselausstellungen planten Wandel Lorch einen 300 Quadratmeter großen Raum im zweiten Obergeschoss. Für spezielle Bildungsangebote befinden sich im Erdgeschoss, wo einst die Gaststätte des Hotels war, zwei Seminarräume und ein Veranstaltungsraum. Ein Foyer mit den dafür notwendigen Servicebereichen ist im Untergeschoss. Auch außen verweisen die Architekten auf die dunkle Geschichte des Baus. Die historisierende Fassade bespielen sie an Fensteröffnungen mit Schlagworten: „Denunziation“ oder „Überwachung” deuten nun auch für Passanten an, dass sich hinter den Mauern einst Schreckliches abspielte. (sj)

Fotos: Haus der Geschichte Baden-Württemberg / Daniel Stauch, Simon Sommer


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WANDEL LORCH GÖTZE WACH


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Das Hotel Silber wurde 1873 von einem Heinrich Silber erworben und diente zunächst als Gasthof.

Das Hotel Silber wurde 1873 von einem Heinrich Silber erworben und diente zunächst als Gasthof.

Im Erdgeschoss decken Wandel Lorch architektonische Schichten auf und deuten gleichsam die politische Geschichte des Gebäudes an.

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Einige Fenster schließen Wandel Lorch Architekten mit Paneelen, in die Schlagwörter aus der Geschichte des Hotels eingestanzt sind.

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Die Dauerausstellung zeigt eine massive Tür, in die Gefangene der Gestapo Nachrichten einritzten.

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