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10.04.2019

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Holz für Barcelona

Genossenschaftshaus von LaCol


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Ettliche Jahre hat es gedauert, doch vor ein paar Monaten war es endlich soweit: In Barcelona konnte ein neues genossenschaftliches Wohnprojekt bezogen werden. Das orientiert sich einerseits an bekannten Vorbildern, geht in architektonischer Hinsicht aber ganz eigene Wege. Unser Autor schaute vorbei, als die Farbe noch nicht ganz trocken war.

Von Klaus Englert

Genossenschaftsprojekte haben sich in den letzten Jahrzehnten vor allem in Berlin, Wien oder Zürich entwickelt. Aber auch Barcelona blickt in dieser Hinsicht auf eine gewisse Tradition zurück. Vor dem Bürgerkrieg entstand beispielsweise im La Bordeta-Viertel nahe der Textilfabrik Can Batlló ein reges genossenschaftliches Zentrum. Die Fabrik wurde allerdings mit der Krise der Textilproduktion in den Siebzigerjahren geschlossen, und auf dem riesigen Gelände ließen sich kleinere Werkstätten und Unternehmen nieder. In der Spätphase des spanischen Immobilienbooms wollte dort dann ein Projektentwickler Luxuswohnungen errichten. Doch es folgte die Finanzkrise, und damit schlug die Stunde von Anwohner-Initiativen und der Cooperativa LaCol, einem Büro junger Architekten aus dem Sants-Viertel. Die Architekten, die während der Wirtschaftskrise größtenteils arbeitslos waren, unterstützten die Forderungen der Anwohner nach gemeinschaftlichen Einrichtungen in Can Batlló. Und so kam es, dass LaCol in einem Flügel der Fabrik eine Bibliothek, eine Bar, einen Veranstaltungsraum sowie Künstlerateliers einrichteten.

Anfangs galt das als widerrechtliche Besetzung, doch im Juni 2011 kamen Stadtverwaltung, Anwohner, LaCol und Eigentümer überein, einen neuen Weg für Can Batlló einzuschlagen. In der Folge wurden die neuen Gemeinschaftseinrichtungen toleriert und die Eigentümer entschädigt. Auf das Spekulationsprojekt folgten verschiedene alternative Ansätze, bis der Stadtrat schließlich beschloss, hier nicht nur ein neuartiges Archiv-Zentrum zu errichten, sondern auch ein an die Fabrik angrenzendes Grundstück im La Bordeta-Viertel an die Wohnungsgenossenschaft La Borda zu verpachten. Die Genossenschaft erhielt für die nächsten 75 Jahre das Nutzungsrecht für das Grundstück, auf dem LaCol jetzt ein neues Wohngebäude für die Genossenschaft errichtet hat. Als Kreditinstitut konnte man Coop 57 gewinnen, die mit „ethischen und solidarischen Finanzdienstleistungen“ wirbt. Der Eigenanteil für jede Bewohner*in beläuft sich derzeit auf 18.500 Euro. Um die Kreditzinsen zurückzahlen zu können, wurde mit jeder Genossenschaftler*in eine Miete über durchschnittlich 450 Euro vereinbart. Dabei gilt zu berücksichtigen, dass die von LaCol angebotenen Größen der insgesamt 28 Wohneinheiten deutlich differieren – von kleinen Single- bis zu großen WG-Wohnungen.

Vor einigen Monaten zogen die ersten Genossenschaftler in La Borda ein. Erst wenige Tage zuvor arbeiteten noch die Installateure in den Küchen und Badezimmern. Die Genossenschaftler waren sich darüber im Klaren, dass das vom staatlichen Wohnungsbau subventionierte Projekt auf der Calle Constitución in ganz Spanien einzigartig ist. Im Programm der Genossenschaft „Cooperativa d’habitatge La Borda“, der sich auch einige Architekten von LaCol angeschlossen haben, ist über die Zielsetzungen zu lesen: „Es ist ein selbstverwaltetes Projekt, das weder zur Vermietung noch zum Eigentumserwerb gedacht ist. Unser Modell besteht auf nicht-spekulativem Grundbesitz und stellt die Bewohner in den Mittelpunkt.“

Der Enthusiasmus der eng mit den Architekten verflochtenen Genossenschaft war riesig. Bei aller Einzigartigkeit des katalanischen Modells dürfte aber klar sein, dass man viel vom Finanzierungs- und Organisationsmodell der Kalkbreite- und Spreefeld-Genossen aus Zürich und Berlin gelernt hat. Nur bei der Konstruktion hat sich das Architektenteam LaCol, gemessen an der besonderen Lage des Wohnungsprojekts, deutlich von den Vorbildern abgesetzt. Außergewöhnlich genug, dass man das neue Wohngebäude nicht über die schmale Calle Constitución, sondern über eine öffentliche, das Gebäude durchquerende Passage betritt, die zu den Werkstätten von Can Batlló führt. Hinzu kommt ein Atrium, das über dem sechsten Geschoss mit einem gewölbten Glasdach abschließt und das an die Tradition südspanischer Architektur in Andalusien und auf den Kanarischen Inseln anknüpfen soll. Das Atrium, so die Mitarchitektin Cristina Gamboa, ist die Herzkammer des Neubaus, es dient als Kommunikations- und Grünraum wie auch als Klimapuffer.

Für Gamboa ist aber nicht nur das in Barcelona eher untypische Belüftungskonzept wichtig, als Vertreterin der Wohngenossenschaft legt sie besonderen Wert auf die geteilten Bereiche. Auf den offenen Galerieebenen könne man sich zu einem ungezwungenen Plausch treffen, außerdem gebe es noch eine Terrasse und den Waschraum. Besonders hebt sie Gemeinschaftsküche und Essbereich auf der Freifläche des ersten Geschosses hervor: Das sei der Ort, erzählt Gamboa, wo die Genossenschaftler beim Essen zusammenkommen. Auf der nördlichen Straßenseite richtete man nur im dritten und vierten Geschoss Wohnungen ein. Die sechs Geschosse auf der Südseite – also der Sonnenseite – verfügen ausnahmslos über durchlaufende Balkone, die durch die Geschossdecken verschattet werden. Das sind mit Sicherheit die begehrtesten Wohnungen, denn sie gestatten einen Blick auf den ruhigen Hofbereich, der bald zu einem kleinen Park gestaltet wird.

Und wie sieht es mit den Wohnungstypen aus? Ähnlich den Flex-Räumen in der Zürcher Kalkbreite, die sich die Singles als Gemeinschaftsräume hinzumieten, gibt es in La Borda Optionsräume, die ein Bewohner für bestimmte Aktivitäten zur eigenen Wohnung hinzumieten kann. Diese Räume wurden als unmittelbar an einige Wohnungen angegliedert, besitzen aber einen separaten Eingang.

Fotos: LaCol, arbe (Joan Andreu i Usue Belandia)


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Kommentare

10

joscic | 11.04.2019 13:46 Uhr

@S.L.: "nach gutem suchen":

- Die Waschmaschinen im Gemeinschaftsbereich Bild 13, das nennt Herzberger vielleicht "Anknüpfungspunkte für affektive Bindungen schaffen, die jeder nach eigenem Antrieb und Denken annehmen und vertiefen kann", danke Günter.

- Die Schiebewände im Gemeinschaftsbereich zur Straße hin, dito.

- Die Kinderküche in Bild 17.

- Alle haben auf der Baustelle Helme auf.

Im Gegensatz zu Toni in Kommentar 2 und 4 hast du
(und vorher Tobias) lediglich eine pauschale Bewertung abgegeben "um die Diskussion abzukürzen", und fährst dann fort: "dass es generell positiv ist, wenn junge Architekten die Möglichkeit haben überhaupt etwas zu bauen"
(ähnlich Tobias: "schön, dass die Leute glücklich sind etwas geschafft zu haben")
Merke: Mit Überheblichkeit kommt man nicht in die zweite Runde, genau wie beim Fußball!

9

Archi | 11.04.2019 12:10 Uhr

Studie

die dunklen Grundrisse machen mir Angst

8

Liz030 | 11.04.2019 12:03 Uhr

Text

Leute, es sind Absolventen die es geplant haben, bitte Text lesen und Ansprüche entsprechend korrigieren, phrasen helfen da nicht weiter, weniger ist mehr etc.

7

joscic | 11.04.2019 09:41 Uhr

Viva La Cooperation

Sowas genossenschaftlich organisiert und trotzdem gut gestaltet hinzukriegen ist schon eine gigantische Leistung. Architekt möchte ich da nicht sein. Und billig war das (Holzfenster!) bestimmt auch nicht. Die zum Hof liegenden Schlaf- und Wohnräume z.B. sehe ich zwar kritisch, den Flur zu sparen und vom Treppenhaus direkt ins Wohnzimmer zu kommen, probiere ich aber gerade selbst in einer Altbauwohnung aus und es ist überhaupt kein Problem.
@Tobias: gute Architektur ist eher weniger als mehr! Und das ist hier sehr schön umgesetzt.

6

S.L. | 11.04.2019 09:23 Uhr

LaCol

naja, also Günter, mit diesen Zitaten kann man sich vieles schön reden. Wie lange es hält ist die andere Frage ... Stichwort Nachhaltigkeit und ja da spielen insbesondere die Details eine Rolle. Hier muss man doch ehrlicherweise nach gutem sehr suchen und weite Vergleiche bemühen, s. Kommentar 4 ... um die Diskussion abzukürzen können wir uns vielleicht aber darauf einigen, dass es generell positiv ist, wenn junge Architekten die Möglichkeit haben überhaupt etwas zu bauen

5

Günter | 11.04.2019 07:53 Uhr

La Col

Soweit ich ein Projekt überhaupt anhand von einigen Bildern und einigen Worten bewerten kann, halte ich für ausgesprochen gelungen. Ich erinnerte mich an 2 Zitate, die Leitgedanken eines Büros waren in dem ich arbeitete. Gerne werde diese hier zitieren, da sie Grundfragen unseres Selbstverständnisses als Architekten berühren.

Alexander Mitscherlich, Die Unwirtlichkeit unserer Städte, 1965:
"Nicht die Gliederung der Baumasse (Baukörper), sondern bei einer funktionsfähigen Gliederung menschlicher Bezüge im (Stadt)raum muss die Einstellungsänderung beginnen. Was wir (aber) beobachten, ist nicht nur Flucht vor dieser Aufgabe in Traumklischees; wir beobachten zugleich die Flucht in (Raum)ästhetik, welche die fehlenden menschlichen Affektbeziehungen trügerisch ersetzen soll."

Herman Hertzberger, Huiswerk voor meer herbergzame vorm, 1973:
"Wie sorgfältig wir (Architekten) unser Werk auch tun, niemals können wir die Dinge anderen so auf den Leib schneidern, wie sie es selber für sich und untereinander tun könnten. Was wir wohl tun können ist, Anknüpfungspunkte für affektive Bindungen schaffen, die jeder nach eigenem Antrieb und Denken annehmen und vertiefen kann."

4

Toni | 10.04.2019 22:10 Uhr

a-b-c

was mir gefällt:

- ein typologisch komplexer Wohnungsbau, der auch räumlich interessante Momente bietet (anstatt beispielsweise irgendwo in einem 08/15 Wohnungsbei noch ein paar EG-Gemeinschaftsflächen unterzubringen

- die Holzkonstruktion ist ausgestellt und ziemlich geradlinig durchgezogen, ohne dass das Thema zum Fetisch wird

- das Dach oben lässt an Lacaton / Vasall denken, auch die Verjüngung der Metallkonstruktion ist zumindest interessant gelöst

- der Sockel der - okay straßenseitig etwas arg verschlossenen Fassade - ist klassischer No-Detail-Schick, siehe Brandlhuber und Co

- die Gartenseite ist dafür konsequent leicht, und der und die Seitenansicht sogar ein bisschen lustig

In der Summe finde ich das schon deutlich besser als die allermeisten deutschen Wohungsbauten. Klar, das gefängnismässige des Atriums wäre jetzt nicht mein Geschmack, und auch das sichtbar Holz mag ich nicht, aber billiger Schrott ist das nun echt nicht.

3

Tobias | 10.04.2019 20:23 Uhr

@Toni

Kein Problem. Mich würde dann aber bitte interessieren, was genau an diesem Projekt gelungen ist. Architektur hat so wenig mit Budget zu tun wie dieses Projekt mit Architektur, obwohl es - wiegesagt - vielleicht interessant unter sozialen Aspekten ist. Ich finde es ganz ehrlich schön, dass die Leute glücklich sind etwas geschafft zu haben. Aber ich bin gleichzeitig froh, dass Architektur mehr ist.

2

Toni | 10.04.2019 18:42 Uhr

@Tobias

Schrott, billig, ungenau fällt mir jetzt eher bei Ihrem Kommentar ein, aber okay, nichts für ungut.

Im Ernst, das Projekt ist doch gelungen. Ich denke mal, das Budget war wirklich überschaubar, klar, aber entstanden ist eben doch Architektur, die etwas will und das auch hinbekommt. Dass es manchmal etwas rougher zugeht: so what.

Ein weiterer Pluspunkt: Man darf davon ausgehen, dass die Bewohner und Bewohnerinnen dort wirklich eine gute Zeit haben. Sich bei so einem Projekt über ungenaue Details zu ärgern, ist - lieber Tobias - leider ein Indiz fürs Gegenteil.

1

Tobias | 10.04.2019 16:13 Uhr

LaCol

sieht bereits im nicht gealterten Zustand aus wie Schrott, billig, ungenau, nicht durchdacht, aber vielleicht ist es als Sozialstudie interessant

 
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Kurz vor der Fertigstellung des Gebäudes im letzten Herbst.

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Der Durchgang auf das dahinterliegende Industriegelände ist noch verschlossen.

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Das Atrium dient als Kommunikationsraum und Klimapuffer.

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