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17.03.2021

Bibliothek im Schatten

Foster + Partners in Schardscha


Mietpreise sind auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Thema. Deshalb wuchs im Zuge des Booms von Dubai das benachbarte und günstigere Schardscha ebenfalls stark an. Schardscha ist Hauptstadt des gleichnamigen Emirats, letztlich aber Teil der Metropolregion des ungleich reicheren Dubai. In ökonomischer Hinsicht entwickelt sich hier vielleicht alles etwas beschaulicher, dafür lässt es sich aber gut in das nur wenige Kilometer entfernte Nachbaremirat pendeln. Mit der Stadtexpansion – seit 2010 hat sich die Bevölkerung um mehr als 50 Prozent auf heute rund 1,3 Millionen Einwohner*innen erhöht – geht natürlich auch ein stark gestiegener Bedarf an Bildungsinfrastruktur einher. Gut also, dass Foster + Partners (London) hier kürzlich eine große Bibliothek mit insgesamt 13.000 Quadratmetern Nutzfläche fertigstellen konnten – nach gerade mal etwas mehr als zwei Jahren Projektlaufzeit.

Das Gebäude über quadratischem Grundriss entstand in unmittelbarer Nachbarschaft des Flughafens. Auch die ausgedehnte University City befindet sich hier, ebenso wie weitläufige Einfamilienhausgebiete gehobenen Standards. Entsprechend des Masterplans, der ebenfalls von Foster + Partners stammt, wird das schmale Grundstück durch die Bibliothek in einen nördlichen und einen südlichen Abschnitt unterteilt. Im Norden befindet sich ein repräsentativer Garten, den eine Großplastik von Gerry Judah dominiert. Diese nennt sich „The Scroll“ und bezieht sich damit recht direkt auf das historische, durch Schriftrollen überlieferte arabisch-islamische Wissen. Dazu passt auch der offizielle Name der Bibliothek House of Wisdom. Im Süden geht es mit einem Lerngarten und Kinderspielplatz hingegen etwas entspannter zu. Die Außenanlagen wurden vom weltweit tätigen Landschaftsarchitekturgroßbüro Cracknell gestaltet.

Die Architektur lässt mit ihrem weit auskragenden Dach entfernt an Renzo Pianos Kulturzentrum in Athen denken, auch wenn in Schardscha der Baukörper deutlich geschlossener und in der Gesamtkomposition konventioneller ausfällt. Wie in Athen geht es aber auch hier um die schattenspendende Funktion des Daches, was im Wüstenklima Schardschas noch wichtiger sein dürfte. Verstellbare Bambuspaneele an der Fassade dienen zusätzlich dem Sicht- und Blendschutz. Das Programm, das auch allgemeine kulturelle und soziale Nutzungen sowie Ausstellungsflächen umfasst, zeigt sich im fertiggestellten Gebäude etwas gediegener als auf den Visualisierungen, mit denen das Projekt 2019 vorgestellt worden war. Auf zwei Geschossen gibt es lange Bücherregale, viele Arbeitsplätze, Gruppenbereiche, kleinere Rückzugsorte und gastronomische Angebote. Der Schnitt offenbart außerdem eine große Tiefgarage.

Organisiert ist die Bibliothek um einen zentral gelegenen, schattigen und intensiv begrünten Innenhof. Der stützenfreie Raum spannt sich zwischen vier Kernen auf, die auch das Dach tragen. Anders als in Athen, wo zahlreiche schlanke Stützen die statische Arbeit leisten, ist das Dach in Schardscha als eine selbsttragende Konstruktion konzipiert. Sie ruht neben den Kernen lediglich auf der Fassade. Der Querschnitt des Daches lässt an die Tragfläche eines Flugzeugs denken, was vielleicht auch als subtiler Verweis auf die private Leidenschaft des Bürogründers und Hobbypiloten Norman Foster gelesen werden kann. (sb)

Fotos:
Chris Goldstraw


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