RSS NEWSLETTER

https://www.baunetz.de/meldungen/Meldungen-Erweiterung_einer_Kunsthochschule_von_Kempe_Thill_7250729.html

26.05.2020

Zurück zur Meldung

Wände schieben in Antwerpen

Erweiterung einer Kunsthochschule von Kempe Thill


Meldung einblenden

Wird im neuen Atelierhaus der St. Lucas School of Arts in Antwerpen denn nun wirklich Kunst produziert – oder nur gezeigt? Die Fotos suggerieren Letzteres, doch tatsächlich ist der fulminante Neubau von Atelier Kempe Thill aus Rotterdam ein Ort des kreativen Schaffens. Aber er ist eben auch so flexibel konzipiert, dass er für die üblichen Ausstellungen der Studierendenarbeiten, die an jeder Kunsthochschule regelmäßig stattfinden, zu einem eindrucksvollen Ausstellungshaus transformiert werden kann.
 
Doch eins nach dem anderen. Vor vier Jahren gewannen Kempe Thill den Wettbewerb für Umbau und Erweiterung der Kunsthochschule. Ausgangspunkt war eine ehemalige Krankenschwesternschule aus den 1950er Jahren, deren Substanz in gutem Zustand war, deren Raumaufteilung aber nicht den Ansprüchen zeitgenössischer Kunstlehre entsprach. Doch insbesondere die steinerne Rasterfassade zur Straße mit ihren subtilen Differenzierungen dürfte den Rotterdamer Architek*innen gut gefallen haben. Also wurde umgebaut, vor allem im Erdgeschoss, das durch raumhohe Fenster nun wunderbar mit dem Straßenraum kommuniziert.
 
Richtig interessant wird es jedoch im hinteren Teil des Grundstücks. Dort wurden einige Bestandsbauten abgerissen, um Platz zu machen für das neue, in sich zentrierte und lichte Atelierhaus über einem quadratischen Grundriss mit 34 Metern Kantenlänge. Vier Geschosse hat der Bau, jedes mit einer lichten Raumhöhe von 3,75 Metern. Das gekonnt konzipierte Souterrain ist handwerklicher Produktion vorbehalten und darf aufgrund der weiten Fensterflächen als voll nutzbares Geschoss gelten. Das oberste Geschoss wurde aus städtebaulichen Gründen zurückversetzt.
 
Maximale Offenheit im Inneren bei klar definierter Abgrenzung nach außen charakterisieren das Atelierhaus. Kempe Thill schreiben, dass sie in einem außergewöhnlich produktiven Diskussionsprozess die Bauherrschaft davon überzeugen konnten, vom ursprünglichen Raumprogramm abzuweichen und statt abgeschlossener Studios ein offenes Raumkontinuum umzusetzen, das sich um ein zentrales Atrium entwickelt. In Zusammenarbeit mit dem Ingenieurbüro BAS (Leuven) entwickelten die Rotterdamer ein konstruktives System mit möglichst wenigen tragenden Stützen und Wänden.

Doch bei aller Offenheit: Kunst braucht immer auch räumlichen Halt – und Wandflächen. Deshalb konzipierten die Architekt*innen die Außenwände bis auf eine Höhe von 2,20 Metern als geschlossene Flächen, über die sie wiederum ein durchgehendes Fensterband setzten, das für natürlichen Lichteinfall bis in die Tiefe des Hauses sorgt. Große Ausnahme: das zentrale, 14 Meter lange Fenster auf der Eingangsebene. Ein System verschiebbarer, jeweils 2,20 x 2,20 Meter großer Wände erlaubt es, temporäre Arbeitsräume zu schaffen. Oder eben einen offenen Ausstellungsraum – womit wir wieder bei der anfänglichen Beobachtung wären.

Mit dem Neubau verfestigen Atelier Kempe Thill ihre Präsenz in Antwerpen, das für die Rotterdamer in den letzten Jahren zu einem wichtigen Spielfeld wurde und wo sie der bisweilen coolen Manieriertheit der jungen Belgier eine nicht weniger coole Architektur strenger Reduktion gegenüberstellen. 2016 wurde hier ein Mehrfamilienhaus fertig und letztes Jahr der Umbau eines Wohnhochhauses aus den 1970er Jahren. 2024 sollen Umbau und Erweiterung des Antwerpener Maritimmuseums abgeschlossen sein. (gh)

Fotos:
Ulrich Schwarz, Berlin


Dieses Objekt & Umgebung auf BauNetz-Maps anzeigen:
BauNetz-Maps


Kommentare

6

Dr. Yikes | 27.05.2020 10:04 Uhr

Schweb

Sehr hochwertig und elegant, wenngleich ich persönlich mit 'scheinbar schwebenden' Gebäuden nichts anfangen kann. Die Herren predigen konstruktive Logik und... und dann das.

Die durch die großen Fenster erzeugten Energielasten im Sommer, halte ich auch für bedenklich.

Aber wahrscheinlich spricht hier aus mir auch nur unterschwellig der Neid auf eine Lehranstalt, die man so in der deutschen Fakultätslandschaft vergeblich sucht.

5

auch ein | 27.05.2020 08:26 Uhr

architekt

tiptop!

die idee mit den fentserbändern ist klasse, so bleibt sehr viel platz zum hängen. ob das gegenlicht zum betrachten der "kunst" so angenehm ist bezweifle ich.
aber es ist eben auch ein unterschied ob man zeitgenössische arbeiten hängt oder "alte schinken", die farblich viel subtiler sind und damit feinheiten fast nur in gezielt beleuchteten räumen zur geltung kommen.

4

fensterband | 26.05.2020 17:30 Uhr

elegant

die Zukunft könnte so aussehen.
wirklich wunderschön.

3

:-) | 26.05.2020 15:50 Uhr

Klasse

Finde ich ziemlich toll! Die Fensterbänder sind super.
Persönlich mag ich die braune Metallfassade nicht besonders.

2

reto | 26.05.2020 15:42 Uhr

eine Sache

... Kempe Thill können eigentlich bei ihren Gebäuden nur einen Stil - den dafür aber richtig gut. Die großen liegenden Fensterformate mit extrem schmalen Profilen, luftige lichtdurchflutete Räume - passt zu Kunsthochschule, Büro und Wohnhaus gleichermaßen. UND eins von wenigen Beispielen wo die gebaute Realität wesentlich besser ist als die Visualisierung des Entwurfs. Hut ab!

1

archi | 26.05.2020 15:35 Uhr

TOP..

..wie immer :)

 
Mein Kommentar
Name*:
Betreff*:
Kommentar*:
E-Mail*:

(wird nicht veröffentlicht)

Zur Durchführung dieses Service werden Ihre Daten gespeichert. Sie werden nicht an Dritte weitergegeben! Näheres erläutern die Hinweise zum Datenschutz.


Ab sofort ist die Eingabe einer Email-Adresse zwingend, um einen Kommentar veröffentlichen zu können. Die E-Mail ist nur durch die Redaktion einsehbar und wird nicht veröffentlicht!


Ihre Kommentare werden nicht sofort veröffentlicht. Bitte beachten Sie unsere Regeln.




Alle Meldungen

<

27.05.2020

Granddaughter Meets Grandfather

Ausstellung in der Architektur Galerie Berlin

26.05.2020

Neues Office im alten Lesesaal

Transformation einer Bibliothek zum Bürohaus von Hastings in Nashville

>
BauNetz Wissen
Strandgut in der Decke
baunetz interior|design
Monoton monochrom
Baunetz Architekt*innen
Bez + Kock Architekten
BauNetz Xplorer
Ausschreibung der Woche
vgwort