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27.09.2021

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Duisburger Rolle rückwärts

Erweiterung des Museum Küppersmühle von Herzog & de Meuron


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Einst sollte hier eine Art Elbphilharmonie für die Kunst entstehen, eine provokant balancierende Kiste auf einem alten Silo. Aber das überspannte Projekt für die Duisburger Küppersmühle scheiterte an schlecht verarbeitetem Stahl. Herzog & de Meuron blieben dem Projekt jedoch verbunden, und ihr zweiter, letztlich weitaus überzeugender Entwurf konnte schließlich umgesetzt werden. Vor wenigen Tagen wurde ihre Erweiterung eröffnet.

Von Uta Winterhager

Nun sind Herzog & de Meuron (Basel) mit ihrem Erweiterungsbau für das MKM Museum Küppersmühle am Duisburger Innenhafen also doch am Boden geblieben. Für Aufregung hatte die 2008 vorgestellte Idee einer von den historischen Silos hochgestemmten, transluzent leuchtenden Kunstbox gesorgt. Doch dieser Kraftakt blieb den Duisburgern erspart. Das mangelhaft hergestellte Stahlskelett kam nie auf die Höhe und die damalige Besitzerin des denkmalgeschützten Mühlenkomplexes, die städtische Wohnungsbaugesellschaft GEBAG, verkaufte schließlich das in ihrem Portfolio fremde Kulturprojekt an Sylvia und Ulrich Ströher. Die beiden besitzen mit über 2.000 Werken eine der umfangreichsten privaten Sammlungen deutscher Nachkriegskunst und waren bereits als Sponsoren an der gescheiterten Erweiterung beteiligt.

Für den Neustart gründete das Sammler-Ehepaar die MKM Stiftung und wagte einen weiteren Aufschlag mit den Basler Architekten. Diese kannten den Ort und den Bestand schließlich sehr genau, denn bereits 1997 hatten sie auf Initiative des Duisburger Sammlers Hans Grothe die backsteinernen Mühlen- und Speichergebäude zu einem Museum für moderne Kunst umgebaut und damit die Transformation des Innenhafens vorangetrieben. Als Architekten und Sammler 2013 wieder zusammenkamen, hatte sich der RUHR.2010-Hype, der wohl 2008 die ganz große Geste befeuerte, gelegt. Alle Beteiligten fokussierten nun auf einen Bau mit einer angemessenen Haltung, der vor allem der Kunst gerecht werden sollte. Platz für die Erweiterung fand sich am Kopf des charakteristischen Konglomerats, dessen Abschluss die markanten Stahlsilos gebildet hatten. Ein Spickel, so Jacques Herzog über die verfügbare Restfläche, denn auf der anderen Seite galt es, 40 Meter Abstand zu der dort vorbeirauschenden A59 einzuhalten, was den Gebäudekopf schräg beschneidet. Das lässt zwei dreieckige Ergänzungen entstehen, was im Grundriss eben an das Motiv der Spickelung in der Heraldik erinnert.

Der Erweiterungsbau mit 5.000 Quadratmetern Bruttogrundfläche, davon 2.900 Quadratmeter für Ausstellungen, besteht aus drei Elementen: zwei viergeschossige Quader unterschiedlicher Tiefe und Breite für die neuen Ausstellungssäle und einem Kopfstück aus besagten Dreiecken für alle untergeordneten Nutzungen. Nähert man sich dem Komplex von der Stadt oder der gegenüberliegenden Seite des Hafenbeckens, beeindruckt die Kontinuität. Nichts schreit hier „Größer! Neuer! Besser!“, denn es bleibt beim Backstein, alles wird eins, ganz solide. Jeder Schritt dichter heran zeigt dann, wie virtuos Herzog & de Meuron mit den wenigen Mitteln, die sie vorgefunden und weiterentwickelt haben, umgegangen sind. Die gesamte Erweiterung hat eine bis auf wenige Fensterschlitze geschlossene Ziegelfassade mit vielen Nuancen des einen Materials, die der Hülle Substanz verleihen.

Die drei Bauteile unterscheidet ihre – konzeptionell, nicht dekorativ bedingte – Textur. Strenge Lisenen dort, wo die Ausstellungsräume liegen, darauf bündig eine Krone, ihre Zacken geformt aus den Einschnitten der Oberlichter des Großen Saals. Die Haut des Kopfstücks erhält durch die diagonal vermauerten, gebrochenen Steine eine fast textile Anmutung. In der Höhe wird hier der programmatische Ansatz der Architektur einmal deutlich kommuniziert: KÜPPERSMÜHLE steht dort eingemauert, nicht aufgesetzt. Mehr braucht es nicht, es bleibt bei dem, was war: Materialität, Höhe, Name.

Erschlossen wird die Erweiterung über den Altbau, dazwischen sitzen die Silos als Scharnier. Sechs davon wurden aus ihrer Mitte entfernt, zwei zu Durchgängen gemacht, wo schmale Stege in der Höhe und ein Wald massiver Stützen auf dem Grund Alt und Neu zusammenführen. Hier soll die Substanz gesehen werden, eine künstlerische Bespielung ist möglich. Die 35 neuen Ausstellungsräume dagegen ordnen sich der Kunst vollkommen unter, saubere white cubes in unterschiedlichen Größen für kleine oder große Werke. Schmale Schlitze die Türen und Fenster in den massiven Wänden, letztere Zugeständnisse an die Menschen, die Kunst brauche das nicht, so Herzog.

Im dem kleineren der beiden Spickel gibt es noch eine Neuauflage des prominenten Treppenhauses von 1997, dessen organische Rundungen in Ziegelrot gefärbtem Beton eine wohltuend warme Körperlichkeit ausstrahlen. Dem Museum hat diese Rolle rückwärts sehr gutgetan, Herzog & de Meuron, sonst Meister großer Sprünge, haben sie mit eleganter Souveränität ausgeführt.


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Kommentare

8

genius loci | 07.10.2021 08:12 Uhr

@STPH

Ich werfe die Frage zurück: Warum erstarrt man heute in Ehrfurcht vor solch imposanten Industriedenkmälern und nicht vor zeitgemäßer Architektur? Da hätte der Schuhkarton auch nichts daran geändert.. vor dem wäre ich auch erstarrt, aber nicht vor Ehrfurcht, eher vor Furcht!

7

STPH | 01.10.2021 09:46 Uhr

...

Auch wieder ein "Schaulager" von HDM. Das man heute schon vor Industriekonglomeraten in Ehrfurcht erstarrt. Der schwebende Kasten hätte es mehr gebracht. Ein bisschen Gigantismus wie die Londoner Batterseastation. Im Verhältnis zum ja auch künstlich ausgeschaufelten Hafenbecken. Eine geschriebene Form.

6

genius loci | 29.09.2021 18:18 Uhr

Sehr gelungen

Im zweiten Versuch ein - anhand der Fotos - sehr gelungenes Projekt. Diese blöde Kiste und deren Kosten haben für mich aber ein schlechtes Licht auf HdM werfen lassen, ohne jedoch die Hintergründe genau zu kennen. Zu den Fotos: Habe mir zuerst auch gedacht, es sind Visualisierungen. Sehr speziell nachbearbeitet oder ein wahnsinns Licht dort drin?

5

Superarchitekt | 28.09.2021 15:54 Uhr

Architekturfotografie

Die Fotos habe ich zunächst als Renderings wahrgenommen, auch beim zweiten mal hinsehen wirken sie sehr artifiziell.
Nicht sicher ob das positiv zu bewerten ist.

4

Matthias Frey | 28.09.2021 12:38 Uhr

Schön

... im besten Sinne weitergebaut und den Komplex vervollständigt.

3

.,- | 28.09.2021 10:30 Uhr

Schoppe

Danke!

endlich mal wieder ein guter sinnvoller Kommentar ohne dieses Projekt ´bashing´, wie 80% ansonsten.
Ich kann dem nur zustimmen. Tolles Projekt!

2

Lara Schmied | 28.09.2021 06:41 Uhr

Duisburg

Ich war dort und kann Herrn Schoppe nur zustimmen. Ein Glück ist uns in Dusiburg dieser dumme, angeberische erste Entwurf erspart geblieben. Dieser hier ist innen ganz überraschend und wunderbar, und außen sehr angemessen. Die Wand mit dem großen Schriftzug ist toll und die Struktur ist glaube ich mein liebster Teil dieses Projekts. Ganz große Architektur.

1

Hinrich Schoppe | 27.09.2021 18:21 Uhr

Präzise

Endlich einmal wieder ein Projekt, was so wunderbar überkandidelt mit Lust nach purer Schönheit strebt, mit "Schweizer Perfektion", wenn man so will.
Es gereicht zum Beispiel, was geht, wenn man einfach nur will.
Gut, dass der vorherige Wurf gescheitert ist.
Das wünsche Berlin und den Berlinern auch, dass ihnen der erste Wurf erspart bleibt und der dann folgende zweite die Qualität hat, die zumindest ich von Herzog-de Meuron erwarten darf. Vielleicht hilft dabei, dass die Stadt ihre wohnungspolitischen Fehler nach dem Volksentscheid erst einmal wieder ausbügeln darf. Ich kann dazu nur raten. Auch im Sinne der reinen Lehre der Architektur. Danke.

 
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