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04.03.2021

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Reetdachtraditionalismus

Einfamilienhaus bei Enschede


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In den Niederlanden wächst eine neue Generation von Architekt*innen heran, in deren Entwürfen die Linien eines traditionsbewussten Bauens wieder deutlich stärker hervortreten als bei den Vertretern des „Superdutch“ um OMA und MVRDV, die seit den 1990er Jahren den Diskurs dominieren. Eine der Protagonistinnen dieser neuen Generation ist Lieke Göritzlehner, Jahrgang 1985, die seit gut sieben Jahren ihr eigenes Büro in Zwolle betreibt. Sie hat an der TU Eindhoven unter anderem bei Christian Rapp studiert, was ihrem jüngsten Entwurf für ein Einfamilienhaus in Hengelo vielleicht anzusehen ist.

Das Wohnhaus MB entstand für Göritzlehners Onkel und Tante und deren drei Kinder. Es befindet sich am südlichen Rand von Hengelo, wo die Kleinstadt in die flache Landschaft übergeht. Dass es sich um einen Neubau handelt, ist nicht leicht zu erkennen – eher fühlt man sich an ein traditionelles Gehöft erinnert. Von der Straße führt ein asphaltierter Weg auf das Grundstück, der t-förmige Baukörper steht mit seiner Längsseite zu dieser Auffahrt. Der Garten liegt auf der anderen Gebäudeseite, Richtung Westen. Die Positionierung von Haus und Garten folge der Idee, „vom Sonnenlicht im Verlauf des Tages vollauf Gebrauch zu machen“, so die Architektin.

Im Erdgeschoss können von der zentralen Halle aus alle Räume erreicht werden. Nach Süden liegt die große Wohnküche, das Wohnzimmer öffnet sich nach Westen in den Garten. Um der westlich vor der Küche befindlichen Veranda ein wenig mehr Privatsphäre gegen die Straße zu geben, wurde hier die südliche Außenwand ein Stück weit an ihr entlanggezogen, und auch das Dach führt noch mit einem Knick über diese Veranda. Der nördliche Teil des Hauses beherbergt einen kleinen Arbeitsraum und eine große Garage mit zwei doppelflügeligen, hellgrau gestrichenen Toren, die an eine Scheune denken lassen. Die vier gleich großen Schlafzimmer sind alle im Obergeschoss um einen Treppenraum angelegt, der sich bis unter die ebenfalls hellgrau gestrichene Satteldachkonstruktion öffnet. Ein größeres Schlafzimmer mit eigenem Bad fand seinen Platz unter dem steilen Dach über dem Wohnzimmer mit Fenstern nach Süden und Westen.

Äußerlich dominieren das schwere Reetdach, das mehrfarbige Mauerwerk der Außenwände sowie der deutliche Sockel aus Beton die Erscheinung des Hauses. Göritzlehner sagt, sie suche mit ihren Verweisen auf die Traditionen nach einer „zeitlosen Architektur“. Als inspirierende Einflüsse nennt sie Gunnar Asplund, Sigurd Lewerentz, aber auch David Chipperfield, Caruso St. John, Hild und K oder Marie-José van Hee. Für dieses Wohnhaus beruft sie sich jedoch explizit auf den international eher unbekannten niederländischen Architekten Frits Adolf Eschauzier (1889–1957), ein Anhänger der traditionellen Delftse School. Im Archiv des Nieuwe Instituut in Rotterdam hat sie speziell die Materialien und technischen Details von Eschauziers Landhäusern studiert. „Die Ausführung der Rundungen des Dachs sowie die Detaillierung der Schornsteine und des Mauerwerks leiten sich direkt von Eschauziers Details ab“, erklärt sie dazu.

Während das Haus von außen also eine deutlich traditionelle Sprache spricht, ist das Innere ausgesprochen hell, aufgeräumt und gut organisiert. Mit seiner Grundrissaufteilung und eindeutig zeitgenössischen Details wie zum Beispiel bei den tiefen Fensterkästen und deren Dreh-Kippfenstern vermeidet das Haus eine verklärende Nostalgie und entpuppt sich als durchaus modernes Wohnhaus – nur eben mit Reetdach und Backsteinwänden. (fh)

Fotos: Max Hart Nibbrig


Zum Thema:

Mehr zum Neuen Traditionalismus in den Niederlanden steht in der BAUNETZWOCHE#568, die am 3. Dezember 2020 erschienen ist.


Kommentare

4

schlawuki | 05.03.2021 11:37 Uhr

schön

ich finde das ist ein wunderbares und heimeliges haus. auch diese galeriesituation, die materialien und die möbel finde ich sehr, sehr schön.
und ich bewundere den bauherrenmut sich einer solchen dachlösung zu bedienen.
toll!

3

Lars K | 04.03.2021 21:45 Uhr

Lekker

Ihr macht mich fertig. Beim EFH kann man doch sowieso alles machen, was mit den Bauherren funktioniert. Reetdach und Backstein ,na klar, warum denn nicht, schickes Haus. Das ist doch kein Tabubruch und man muss auch nicht Asplund, Lewerentz oder Trüby herbeizitieren. Alles gut, hats immer gegeben, wirds immer geben. Sieht auch gut aus.

2

Albert Freistadt | 04.03.2021 17:37 Uhr

Traditionsbewusstes Bauen

Auch wenn Stephan Trüby darin wohl wieder nur neu-rechte Räume erkennen kann - die Verbindung zu Hans Kollhoff über Christian Rapp ist ja nicht weit -, so muss ich doch sagen: Mir gefällt´s!

1

auch ein | 04.03.2021 17:30 Uhr

architekt

für ein einfamilienhäuschen bemüht man hier aber sehr viele vorbilder im sinne des namedropping....

aber gut gemacht, recht verspielte und liebevoll gemachte details.

da brauchts keine theoretischen abhandlungen....

 
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