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05.11.2004

Nichts Neues

Diskussion in Berlin über Hochhäuser - Mit Kommentar der Redaktion


Am 4. November 2004 fand im Berliner Kronprinzenpalais eine hochkarätig besetzte, ganztägige Diskussionsveranstaltung zum Thema „Das Hochhaus und die Europäische Stadt“ statt (siehe BauNetz-Meldung vom 18. 10. 2004 zur Ankündigung). Initiator und Veranstalter war das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung mit seinem Präsidenten Florian Mausbach und seinem Abteilungsleiter für Architektur, Robert Kaltenbrunner.

Teilnehmer waren unter anderem die Architekten Hans Kollhoff, Christoph Ingenhoven, Dörte Gatermann (für den verhinderten Christoph Mäckler), die Stadtplaner Thomas Sieverts, Julian Wékel und Michael Denkel (aus dem Büro Albert Speer und Partner), der Ingenieur Werner Sobek, der Soziologe Harald Bodenschatz sowie die Baupolitiker Christiane Thalgott (München), Martin Wentz (a.D., Frankfurt) und Hans Stimmann (Berlin).


Kommentar der Redaktion

„Nichts Neues“ sei gesagt worden - das war das zutreffende Fazit des Veranstalters Florian Mausbach am Ende des Kongress-Tages in Berlin - „aber es musste einmal gesagt werden“.

Am Anfang stand die Analyse von Robert Kaltenbrunner, der die drei zentralen Urteile - oder Vorurteile, ja nach Standpunkt - über Hochhäuser sezierte: Hochhäuser seien umweltschädlich, stadtfeindlich und unwirtschaftlich. Kaltenbrunner differenzierte erwartungsgemäß und kam jeweils zu dem sibyllinischen Schluss, dass diese Kritikpunkte wohl oftmals zuträfen, aber eben nicht immer. Es hänge immer vom Einzelfall ab.

Nehmen wir die Ökologie: Zwar ist es richtig, dass der haustechnische Aufwand zur Lüftung, Kühlung und Beheizung eines Hochhauses höher ist als bei herkömmlichen Bauten, aber dafür hat ein Hochhaus Vorteile in der Gesamtenergiebilanz, wenn man zum Beispiel auch Verkehrsbelastungen in die Rechnung einbezieht: Ein Hochhaus an einem perfekt mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossenen Ort im Zentrum einer Metropole verhindert täglich Hunderte von Autofahrten, die für einen anderen Standort angefallen wären. Tom Sieverts war es wichtig, dass Hochhäuser nur an solchen gut erschlossenen Orten ermöglicht werden. Der pragmatische Ingenieur Werner Sobek drehte den Spieß um: „Anderenorts erzwingen sie den Bau der ÖPNV-Erschließung!“

Die Unwirtschaftlichkeit des Bautyps Hochhaus wurde überraschend von einem bestätigt, der diesen Typus oft gebaut hat: Stephan Brendgen vom Investor Tishman Speyer gab unumwunden zu, dass der technische Aufwand für Konstruktion und Kerne in einem immer schlechteren Verhältnis zur Nutzfläche stehe, je höher das Haus wird.
Also muss es andere Gründe als wirtschaftliche geben, warum man Hochhäuser baut. Der malayisch-österreichische Publizist Ramesh Kumar Biswas berichtete, dass die Existenz der Petronas Towers in Kuala Lumpur allein der Tatsache geschuldet sei, dass die dortige Regierung irgend etwas „Aufregendes“ gesucht habe, mit dem der Name der malayischen Hauptstadt international bekannt gemacht werden könnte. Das ist ihr gelungen.
Die Banken und Versicherungen dagegen, die am Standort Frankfurt Deutschlands auffälligsten Hochhaus-Cluster erzeugt haben, werden auf absehbare Zeit keine Hochhäuser mehr bauen. Das sagte der für Immobilien zuständige Commerzbank-Vorstand Grüneis. In diesen Branchen werden zur Zeit Zehntausende von Arbeitsplätzen abgebaut, manche Hauptverwaltung ist schon mehr oder weniger heimlich von Frankfurt nach Eschborn oder München umgezogen - wir erleben gerade die Erosion des Mythos „Bankfurt“.

Und die Stadtfeindlichkeit? Die Hochhäuser der sechziger und siebziger Jahre, die den Frankfurter Westend zerstört haben mit ihrem Abstandgrün, ihren unbelebten Sockeln und ausufernden Tiefgaragenzufahrten, sie waren gewiss stadtfeindlich. Hans Kollhoff ist es, der unermüdlich darauf hinweist, dass ein Hochhaus aus der städtischen Struktur herauswachsen müsse - das bedeutet, ein normaler städtischer Block von sechs oder acht Geschossen mit öffentlichen Nutzungen bildet die Basis, aus der ein schlanker, hoher „Skyscraper“ herauswächst: „Die Plumpheit des europäischen Hochhauses (gemeint sind die der sechziger und siebziger Jahre) ist die Konsequenz aus ihrem Frei-Stehen“ (Kollhoff). Als Antipode zum konservativ etikettierten Kollhoff („Ich will nicht zurück in die Vergangenheit“) wurde ihm vom Veranstalter der Architekt Christoph Ingenhoven für ein „Zwiegespräch“ entgegen gesetzt. Dieser plädierte dafür, Neues zu wagen, auch wenn man sicher nicht davor gefeit sei, dabei Fehler zu machen. Er fahre heute auch nicht mehr Ford T, sondern Porsche, er fliege nicht mit dem Apparat der Brüder Wright, sondern mit der Boeing 747-400. Den Gefallen eines Schaukampfs der städtebaulichen Ideen taten die beiden Architekten dem Publikum indes nicht.

Und China? Asien? Man dürfe nicht immer nur die schrecklichen Bilder bezugsloser Solitär-Turme von Shanghai-Pudong zeigen, um die dortige Entwicklung zu kritisieren, sagte Michael Denke vom Büro Speer, das seit sechs Jahren in China baut und plant. Die Chinesen seien in letzter Zeit sehr viel stärker sensibilisiert worden, was eine gute städtebauliche Einbindung von Hochhäusern in die gewachsene Stadt angehe.
Dennoch ist der Unterschied zwischen Asien und Deutschland krass. Dort wird gebaut, hier eher abgebaut. Zwar hat es jüngst in München am Mittleren Ring einige mittelhohe Hochhäuser gegeben, und auch Köln plant auf der „anderen“ Rheinseite einige - umstrittene - Hochhäuser, aber zum Beispiel in der deutschen Hauptstadt scheint inzwischen „der Ofen aus“ zu sein. Hans Stimmann sagt freimütig: „Die ehrgeizigen Hochhausplanungen der frühen neunziger Jahre sind unter einer komplett anderen wirtschaftlichen Erwartung entstanden. Wir haben heute rund 20 Hochhaus-Standorte anzubieten, aber keine Bauherren. Wenn ein Investor kommt und ein Hochhaus bauen will, sind wir zu enormen Zugeständnissen bereit.“ Er bekräftigte, dass die beiden wichtigsten Standorte der Alexanderplatz und der Breitscheidplatz seien, also die Zentren der Ost- und der Westcity.

Nicht viel Neues also - aber dennoch wäre auch das fast ungesagt geblieben. Denn wie man hörte, hatte das Bauministerium dem ihm unterstellten Bundesbauamt die Durchführung der Veranstaltung lange Zeit untersagen wollen - wohl weil man irgendwelche politischen Scharmützel befürchtete. Das Bundesbauamt wird von dem beweglichen Florian Mausbach geleitet, das Bundesbauministerium von dem eher statischen Manfred Stolpe. Solange derart kleinliche Denkwelten herrschen, kann das mit der Baukultur in Deutschland nicht viel werden.
Jedenfalls sah sich Hausherr Mausbach veranlasst, seine - im übrigen moderaten - Thesen ausdrücklich als seine persönliche Meinung und nicht als offizielle Verlautbarung des Bundes zu deklarieren. Mit Verlaub, anders als so hätten wir ihn auch ohne diesen Hinweis nicht verstanden.

Benedikt Hotze


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