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24.08.2021

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Rechenzentrum oder Garnisonkirche? Oder beide?

Debatte in Potsdam geht weiter


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Nun hat sich auch die Potsdamer Ortsgruppe von Architects for Future in die Debatte um den geplanten Abriss des DDR-Rechenzentrums eingeschaltet. Dessen Schicksal ist eigentlich besiegelt: Das Haus soll 2024 abgerissen werden, um der viel debattierten Rekonstruktion des Kirchenschiffs der Garnisonkirche Platz zu machen. Deren 88 Meter hoher Turm ist bereits im Bau, die Hälfte der Höhe hat er gerade erreicht, womit der Neubau das Rechenzentrum bereits deutlich überragt. Ist der Turm erst fertig, sollte das Kirchenschiff folgen. Eigentlich.

Allerdings ist die Finanzierung des Projekts weiter völlig ungeklärt, sodass die Stadt inzwischen einen „Vier-Phasen-Prozess“ initiiert hat, in dem erstmals seit den 1990er-Jahren der Abriss des Rechenzentrums nicht mehr von Anfang an feststeht. Die ersten beiden Phasen des Prozesses sind inzwischen abgeschlossen, allerdings waren dabei am Rande immer wieder Stimmen laut geworden – auch von Vertretern der Stadt – nach denen ein Erhalt des Rechenzentrums mit den gültigen Regeln des Brandschutzes, des Planungs- und Eigentumsrechts nicht vereinbar sei. Genau hier setzt nun der Vorstoß von Architects for Future an.

Die Initiative hat vergangene Woche drei unabhängige Gutachten vorgestellt, die die Dinge anders beurteilen: So hatte die Stadt mit dem zu geringen Abstand von 1,60 Meter argumentiert. Jedoch sind bei einer „atypischen Grundstückssituation“ Abweichungen von den vorgeschriebenen drei Metern durchaus üblich, so der erste Gutachter Christoph Conrad, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht. Zumal sich normalerweise der Neubau anzupassen habe, nicht der Altbau. Der zweite Gutachter Helmuth Bachmann, Prüfingenieur für Brandschutz, bestätigte zudem, dass eine „dauerhafte Parallelnutzung“ der zwei Gebäude aus Brandschutzgründen absolut möglich sei, schließlich habe die Garnisonkirche eigens eine Brandschutzmauer integriert. Der dritte Gutachter schließlich, Professor Eike Roswag-Klinge von der TU Berlin, weist darauf hin, dass ein bereits als Kompromissvorschlag diskutierter Teilabriss des Rechenzentrums „deutlich teurer, aufwändiger und risikoreicher“ sei als der vollständige Erhalt. Da der Altbau, den die Süddeutsche Zeitung einmal so schön als „Tempel der technologischen Antike“ bezeichnete, bei diesem Vorgehen auch noch seinen Bestandsschutz einbüßen könnte, würde ein Teilabriss höchstwahrscheinlich zu einem Gesamtabriss auf Raten führen.

Insgesamt, so machte Frauke Röth von Architects for Future deutlich, sei ein Abriss des Rechenzentrums damit alles andere als alternativlos. Also folgert die Initiative: „In Hinsicht auf Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung, auf kulturelle Diversität und Denkmalschutz ist ein Erhalt des Gebäudes geboten. Die Klimakrise ist nur zu bewältigen, wenn im Baubereich statt auf Neubau auf Bestandserhalt und -entwicklung gesetzt wird.“ Gegen die Darstellungen der Stadt Potsdam legte Architects for Future offiziell Beschwerde ein und droht mit einer weiteren Fachaufsichtsbeschwerde, falls die angeblichen Sachzwänge nicht binnen drei Monaten korrigiert werden.

Der Vorstoß könnte der Debatte gut tun. Immerhin hat sich das Rechenzentrum seit 2015 mit einer Zwischennutzung durch 250 Künstler*innen in ein das Umfeld belebendes „Kunst- und Kreativzentrum“ in kommunalem Besitz und mit günstigen Mietateliers und Veranstaltungsräumen entwickelt. Deren Nutzungsvertrag endet im Dezember 2023.

Nötig wäre eine möglichst rasche Entscheidung und eine langfristige Planungssicherheit. Sonst droht die Gemeinschaft im Rechenzentrum schleichend auseinanderzufallen – ebenso wie das Haus, dem seit Jahrzehnten der Abriss bevorsteht und in das entsprechend wenig investiert wurde. Im Grunde zeichnet sich bereits eine breite Allianz ab, die sich auf ein Miteinander von erhaltenem Rechenzentrum und rekonstruiertem Kirchturm einigen könnte. Potsdams Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) hatte jedenfalls gerade erst öffentlich angeregt, man könnte doch den gesamten Stadtraum um die gerade frisch gestaltete „Plantage“ unter Denkmalschutz stellen. Denn hier kämen „wie an kaum einem anderen Ort in Deutschland verschiedene Epochen unserer Geschichte“ zusammen. Damit steht die spannende Frage im Raum, ob das Nebeneinander von rekonstruierter und echter Vergangenheit in Potsdam tatsächlich mehrheitsfähig ist. (fh)


Zum Thema:

www.lernort-garnisonkirche.de


www.rz-potsdam.de
www.garnisonkirche-potsdam.de




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Kommentare

10

liebling kreuzberg | 18.09.2021 14:59 Uhr

aus der FAZ

und auch für Herrn Weiß, (von glockenweiß?) kommentarv6:

aus der FAZ vom 25.4.2021, der messerscharfe niklas maak:
"Gegner des Kulturzentrums argumentieren, man könne die Künstler ja in das nebenan geplante Kreativquartier eines Investors, das Glockenweiß-Village, umsiedeln. Aber mal abgesehen davon, dass es in Zeiten, in denen immer deutlicher wird, welchen Anteil das Bauen am globalen Klimawandel hat, fast frivol wirkt, ein Haus für Künstler abzureißen, um ein paar Meter weiter ein neues für sie zu bauen, wäre das "Village" eben kein staatlicher Ort, sondern ein privat finanzierter; würde man die Künstler dorthin umsiedeln, wäre das auch eine Aussage darüber, ob man es für eine essentielle Aufgabe des Staates hält, Räume für Kunst, Experimente, gesellschaftliche Gegenmodelle zu schaffen – oder ob man sie bloß als wertsteigernde Zwischennutzer betrachtet, die man langfristig zugunsten einer lukrativeren Nutzung auch wieder rausschmeißen kann. Man würde die Rolle der Kunst in der Stadt in die Hände von privaten Investoren legen – um dort, wo das Rechenzentrum steht, den Anblick des rekonstruierten Turms der Garnisonkirche nicht zu beeinträchtigen. Die wurde 1735 errichtet; ihre Freunde halten sie für einen der wichtigsten nordischen Barockbauten, die DDR sah in ihr ein Symbol des preußischen Militarismus und ließ ihre Kriegsruine 1968 sprengen."

9

mawa | 27.08.2021 10:03 Uhr

Einzelne Wörter

Manche Beiträge könnte man fast ernst nehmen wollen, aber dann sieht man an bestimmten Wörtern (»sogenannte« Künstler!), dass ihnen nichts als brutale Verachtung zugrunde liegt.

8

Stephan Erath | 25.08.2021 19:06 Uhr

Denkmalschutz

Ich glaube, es wird sich eine sinnvolle Nutzung für die Garnisonskirche finden, vor allem da die Künstler schon Ersatzflächen zugewiesen bekommen haben. Die Stadt muss halt aktiv mitwirken, dann wird man den Raum schon gut bespielen können. Notfalls halt eine Lösung wie in Rostock bei der Nikolaikirche.

7

STPH | 25.08.2021 14:38 Uhr

...

Dieses ständige politische Instrumentalisieren, hier der Architektur, ist ja nur ein Vorwand. Das geht dann weiter mit der Kunst und dem Journalismus. Alles freie besonders geschützte Berufe die als politischer Rammbock zweckentfremdet werden. Unter dem Motto der Freiheit der Kunst werden etwa politische Aktionen getarnt um Gesetzesübertretungen zu kaschieren. Zentrum für politische Schönheit etc. Hier geht es nun darum, die Erinnerung an unsere letzte Diktatur rein zu waschen, als Opfer hinzustellen. Interessant das es sich dabei ja auch um einen Glauben handelt. Kann der sich nicht mit der protestantischen Gemeinde die Kirche teilen?

6

Christopher Weiß | 25.08.2021 14:05 Uhr

Rechenzentrum / Kreativquartier

Was in dem Artikel überhaupt nicht genannt wird: Im Oktober 2023 werden nicht nur 4.300 m² für die Kreativen im RZ direkt nebenan im neuen Kreativquartier bereitgestellt, sondern darüberhinaus weitere 3.700 m² preisgedämpfte kleinteilige Flächen... In dem Artikel klingt es so, als ob das RZ ersatzlos einfach abgerissen wird und die Kreativen auf der Straße stehen...

5

Fam. Sprecher | 25.08.2021 10:24 Uhr

Abriss des Rechenzentrums

Das Rechenzentrum ist ja nun wirklich kein architektonisches Bauwerk, dass man nun unbedingt erhalten muss. Die Mosaike können abgebaut und wo anders angebracht werden. Auch die sogenannten Künstler müssen nicht unbedingt in der bester Stadtlage ihrer Arbeit nachgehen.Die Garnisonkirche gehört zu Potsdam, wie das Stadtschloss und der Stadtkanal.Den Wiederaufbau an einem Tag in der Weltgeschichte fest zu machen, ist nach meiner Auffassung paradox.Ich kann und will mir auch nicht das Nebeneinander stehende der Garnisonkirche und des Rechenzentrum vorstellen.Wenn unbedingt das Rechenzentrum erhalten werden sollte, hätte man mit dem Wiederaufbau de Garnisonkirche garnicht erst beginnen sollen. Jetzt ist der Aufbau schon gut fortgeschritten und man sollte es jetzt auch ordentlich zu Ende bringen und die ständigen neuen Bedenken beiseite schieben.Reißt endlich das häßliche Rechenzentrum ab und unterstützt den Wiederaufbau unserer Garnisonkirche, denn diese gehört auch zu unserer Stadt.Fam. Sprecher

4

Pro Potsdamer Moderne | 25.08.2021 09:59 Uhr

pro

Ich vermisse die Stellungnahme des BDA dazu. Sorge um den bestand: wer es ernst meint, müsste sich doch an genau so einer Stelle mit vollem Gewicht (so vorhanden) hier reinhängen. Kein öffentlichen gelder für eine Kirchen(!)rekonstruktion, wenn gleichzeitig ein offensichtlich robuster, gut nutzbarer Altbau (in öffentlichem Besitz, richtig?) dafür abgerissen werden muß!! Da bin ich ganz bei den ForFuturisten: Kein Abriss für so einen Unsinn. Würde mir einen Einsatz "meines" BDA da sehr wünschen, sitze allerdings in NRW. Grüße!

3

Karl | 25.08.2021 09:27 Uhr

Auflage zur Baugenehmigung

Auflage des Denkmalschutzes; die Wandbilder (Glasmosaiken) sind denkmalgerecht in den Innenraum der Kirche zu integrieren.

2

Lars K | 25.08.2021 07:39 Uhr

Weltneuheit!

Weltneuheit! Das erste DDR-Rechenzentrum mit eigenem Kirchturm!

So charmant ich die Idee finde, den Turm mit einem lebhaft-billigen Kulturzentrum zu paaren, so wenig glaube ich an die Mehrheitsfähigkeit. IN Potsdam setzt sich am Schluß immer die Fraktion Jauch/Plattner durch. Immer. Die zücken wahrscheinlich gerade ihre Geldbeutel. Das Rechenzentrum kommt weg, und dann kann STPH durch die barocke Leere eines sinnlos rekonstruierten Kirchenschiffs wandeln und hallo-o-o-o rufen.

1

STPH | 24.08.2021 18:46 Uhr

...

auf einem Architekturportal darf wohl gesagt werden, dass die Proportionen des Kirchturms, als auch die des Innenraums außerordentlich gelungen sind. Der Innenraum durch das dreiseitige und mehrstöckige Scharen um die mittige wohl Kanzel, seine Helligkeit und die beidseitige nicht achsiale Zuführung. Insgesamt wie sich hier Turm und Raum fügen zu einer Einheit...ist barock, wenn auch dieses Wort schon wieder fast ...incorrect scheint.
Wer lädt das alles so brutal auf?

 
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Rechts wächst der Turm der Garnisonkirche in die Höhe, für die Rekonstruktion des Kirchenschiffs soll das DDR-Rechenzentrum in der Mitte des Bildes ab 2024 abgerissen werden

Rechts wächst der Turm der Garnisonkirche in die Höhe, für die Rekonstruktion des Kirchenschiffs soll das DDR-Rechenzentrum in der Mitte des Bildes ab 2024 abgerissen werden

Das Rechenzentrum, bevor der Bau des Kirchturms begann

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Das Rechenzentrum um 1980, Blick auf die Südwest-Ecke

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