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14.05.2025

Buchtipp: Isozaki Arata

Das Japanische in der Architektur


Er war ein – durchaus umstrittener – Architekt, der nicht nur in Japan, sondern unter anderem auch in Los Angeles, Barcelona, Berlin und Krakau gebaut hat. Mit dem Pritzker-Preis 2019 wurde ihm noch rechtzeitig vor seinem Tod im Dezember 2022 die höchste Auszeichnung für sein baukünstlerisches Lebenswerk verliehen. Darüber hinaus war er aber auch ein renommierter Architekturtheoretiker, dessen bedeutende Essaysammlung Kenchiku ni okeru »Nihon teki na mono« (2003) nun als deutsche Erstausgabe erschienen ist: Isozaki Arata – der Verlag verwendet bei Japanern konsequent die landesübliche Schreibweise mit dem zuerst genannten Familiennamen – hat sich darin auf sehr spezielle Weise mit „dem Japanischen“ in der Architektur befasst.
 
Thema des Buches ist nicht etwa der japanische Einfluss in der zeitgenössischen Architektur – was bei mittlerweile acht Japanern unter den bislang insgesamt 47 Pritzker-Preisträgern durchaus mal ein eigenes Druckerzeugnis wert wäre. Noch weniger geht es um eine enzyklopädische Abhandlung der japanischen Architekturgeschichte. Vielmehr fokussiert Isozaki zunächst – im mit 120 Seiten umfangreichsten, ersten und zugleich jüngsten Essay, das sich den Titel mit dem Buch teilt – auf die Frage, wie sich nach der erzwungenen Öffnung des Landes 1853 und insbesondere ab den 1930er Jahren, „als Japan die Moderne rezipierte“, eine aus der Kultur und der Geschichte des Landes gespeiste Identität als Teil der gebauten Umwelt bildete und im Diskurs ständig weiterentwickelte.

Dazu war zunächst der Blick von außen notwendig, etwa vom Exilanten Bruno Taut, der 1933 nach Japan kam und großen Einfluss auf die Wahrnehmung japanischer Baukultur, auch diesseits der vom Meer gesetzten Landesgrenzen hatte. „Attribute wie einfach, schlicht, rein, leicht und dezent bestimmten seinerzeit die Wahrnehmung ‚des Japanischen‘ und das damit verbundene ästhetische Urteil“, heißt es im Buch. Und weiter: „Diese Zuschreibungen wohnten den japanischen Dingen inne, doch es war neu, dass man sie als ‚japanisch‘ identifizierte.“
 
Mit Querverweisen auf Philosophen und sogar auf Meister der Teezeremonie erzählt Isozaki eine Geschichte gegenseitiger Beeinflussung der westlichen Moderne, der japanischen Bauhistorie (die er „Nicht-Moderne“ nennt) und der globalen Architekturentwicklung im 20. Jahrhundert. Er beschreibt eine fast ein Jahrhundert lange Suche moderner japanischer Architekten nach ihrer Identität und „dem Japanischen“. Gewissermaßen als Meilensteine dieser Suchbewegung führt Isozaki architektonische und auch stadtplanerische Projekte auf. Darunter finden sich Arbeiten von Tange Kenzō (erster japanischer Pritzker-Preisträger 1987, bei dem Isozaki studierte und von 1959 bis 1963 arbeitete, ehe er sein Büro gründete), den Metabolisten sowie eigene – auch künstlerische – Werke. Zahlreiche Abbildungen (oft allerdings nur sehr kleine in der Marginalspalte) illustrieren diese mit der Postmoderne vorerst endende Geschichte (die Originalausgabe des Buches erschien vor 22 Jahren).
 
Drei weitere Kapitel des Buches widmen sich drei „Referenzbauten“, die bereits Tauts Rezeption der japanischen Architektur stark beeinflusst hatten. Isozaki betrachtet sie jeweils als „textuellen Raum“, dem die jeweilige Rezeptionsgeschichte eingeschrieben ist: „Katsura [kaiserliche Villa in Kyōto] – Raum der Ambiguität“ (bereits 1983 verfasst und damit der älteste Essay dieses Buches), „Chōgen und die Rekonstruktion des Tōdaiji [buddhistischer Tempel in Nara]“ sowie „ISE [Shintō-Schrein, höchstes japanisches Heiligtum in Ise] – Mimesis des Ursprungs“.

Ein Vorwort und ein paar Erläuterungen von Architekturjournalist und -kritiker Ulf Meyer, ein sehr erhellendes Nachwort von Isozaki zur 2006 publizierten englischen Ausgabe und ein weiteres Nachwort der Übersetzerin Nora Bierich, ein Glossar, ein Personenregister und nicht zuletzt zehn großformatige Fotografien von Ishimoto Yasuhiro ergänzen die deutsche Fassung dieses sehr individuellen, architekturtheoretisch-philosophischen Standardwerks Isozakis, dessen verdichtete Texte nicht immer leicht zu lesen sind.
 
Text: Oliver G. Hamm
 
Isozaki Arata. „Das Japanische“ in der Architektur
Ulf Meyer, Marco Kany (Hg.)
355 Seiten
Edition AK, Marco Kany, Saarbrücken 2025
ISBN 978-3-9820631-6-4
59 Euro


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