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27.01.2021

Buchtipp: Kopenhagens Probleme

Critical City. The success and failure of the Danish welfare city


Super Design, super Architektur, super Fahrradinfrastruktur, super Kopenhagen. So oder so ähnlich liest es man seit einigen Jahren. Kristoffer Lindhardt Weiss – Architekt, Kurator und Publizist, ehemals Partner bei Effekt Architects und nun als Consultant im Kulturbereich tätig – möchte mit Critical City. The success and failure of the Danish welfare city das viel zitierte Bild von der Vorzeigestadt des frühen 21. Jahrhunderts ein Stück weit korrigieren.

Der Erfolg des dänischen Wohlfahrtsstaates und der „welfare city“ in den Jahrzehnten seit Ende des Zweiten Weltkrieges sei ein Pyrrhussieg, argumentiert Weiss in seiner Einleitung. Er führt vor allem Kopenhagen an, das Weiss als „manicured prosperous city“ beschreibt und das in erster Linie eine Stadt der gutsituierten Mittelschicht sei. Die großen stadtplanerischen Themen der Moderne – Gleichberechtigung, Zugänglichkeit, bezahlbare Wohnungen – seien passé: „Kopenhagen, Aarhus und auch andere dänische Städte bauen unübertroffene Hafenbäder, Fahrradwege und Stadtplätze, doch die strukturellen Ungleichgewichte geht keiner an.“

In den vielen Beiträgen des Buches, das auf zwei Sonderausgaben der Zeitschrift Arkitekten von 2016 basiert, geht es immer wieder um die Frage, was die Stadt lebenswert macht und – noch wichtiger – für wen sie letztlich lebenswert ist. Deutlich wird, was man vermuten durfte: Der aktuelle Architekturboom Dänemarks speist sich aus einer neoliberalen Marktlogik. Wie in vielen Städten seit den 1990er Jahren wurden auch in Kopenhagen massenweise Sozialwohnungen privatisiert. Und die kürzlich eröffneten U-Bahn-Linien – samt beeindruckendem Ringverkehr unterhalb der Innenstadt – finanzierte man durch die umfangreiche Veräußerung kommunaler Immobilien.

Ernüchternd ist auch der Blick auf die Unmengen an Wohnbauten in den neuen Stadtentwicklungsgebieten, denen das Buch einen kleinen Fotoessay widmet. Das „Copenhagen Vernacular“ des 21. Jahrhunderts folgt der schlichten Formel Betonfertigteile plus Ziegelvorsatzschale. Nur auf den ersten Blick sieht das – dank manch architektonischem Kniff – erfrischend aus. Letztlich hat man es aber auch in Kopenhagen mit weitgehend monofunktionalen Wohnquartieren zu tun.

Herausgeber Weiss diskutiert das Thema in drei Kapiteln. Das erste und umfangreichste „The Market-Driven City“ setzt auf wenige, dafür umso längere Beiträge. In den Kapiteln „Social Sorting“ und „Risk City“ findet man kürzere Artikel und Interviews mit Akteure*innen der Szene. Zu Wort kommen unter anderem Jeff Risom von Gehl, Kathrin Gimmel von JAJA oder Dan Stubbergaard von COBE. Auch die Tina Saaby, Stadtarchitektin Kopenhagens in den Jahren 2010–18, wird befragt.

Wer es weniger theoretisch mag, sondern sich lieber mit Grafiken, Daten und Karten auseinandersetzt, der sollte sich ergänzend den Atlas of the Copenhagens (schon richtig gelesen: Kopenhagen im Plural!) besorgen, der 2018 bei Ruby Press erschienen ist. Der Atlas konzentriert sich ganz auf den Hype um die dänische Hauptstadt und die Wahrnehmungsmechanismen internationaler Städterankings – ist aber leider bereits vergriffen. Critical City schließt thematisch nahtlos an, denkt die Themen weiter und bringt erfreulicherweise gleich zu Beginn ein langes Interview mit Atlas-Co-Herausgeberin Deane Simpson. Die beiden Publikationen machen deutlich, dass eine kritische Diskussion der Zusammenhänge von Architektur, Planung, Ökonomie und Politik in Kopenhagen dringend geworden ist.

Text: Gregor Harbusch
Teaserbild: Lars Brund Jensen

Kritisk By. Den danske velfærdsbys succes og fiasko /
Critical City. The success and failure of the Danish welfare city

Kristoffer Lindhardt Weiss (Hg.)
352 Seiten
Dänisch / Englisch
Arkitektens Forlag, Kopenhagen 2019
ISBN 978-87-7407-436-6
47 Euro


Zum Thema:

Einen detaillierten Blick auf das architektonische Geschehen in Kopenhagen wirft auch Baunetzwoche#512 über das BLOX von OMA.


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