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01.10.2018

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Wippe ja, Mauer nein

Bundestag gibt Gelder für Einheitsdenkmal in Berlin frei


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Von Kathrin Schömer

Nun soll die Wippe also wirklich und endlich kommen. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hat am vergangenen Donnerstag rund 17 Millionen Euro für die Realisierung des Freiheits- und Einheitsdenkmals vor dem Berliner Humboldtforum freigegeben. Der nächste Schritt ist die Abstimmung mit den beteiligten Behörden, dann folgt die konkrete Ausführungsplanung. Generalunternehmer sind die Entwurfsverfasser Milla & Partner. Das Berlin-Stuttgarter Büro hatte mit seinem Vorschlag einer begeh- und bespielbaren Schale 2011 den Wettbewerb gewonnen. Die im Entwurf noch beteiligte Choreografin Sasha Waltz ist zwischenzeitlich aus dem Projekt ausgestiegen.

Demokratie-Defizite

Im Vorfeld hatten Wolfgang Thierse und drei weitere Initiatoren des Denkmals an die Entscheidungsträger appelliert, „angesichts der immer wieder stattfindenden respektlosen Angriffe auf unsere Demokratie und der Missachtung der Verfassung […] die Glaubwürdigkeit von Mehrheitsbeschlüssen des Deutschen Bundestages zu wahren und damit ein wichtiges politisches Signal zu senden“. Doch welches Signal sendet der Beschluss wirklich?

Bereits die ersten Diskussionen über das „Bürgerdenkmal“ waren vom Ausschluss der Öffentlichkeit geprägt. Die Demokratie-Defizite zogen sich, dank einer Jury, die sich statt aus beratenden Fachleuten vorwiegend aus Politikern zusammensetzte, auch durch das Wettbewerbsverfahren. Und erst Anfang September hatte das Landesdenkmalamt erhebliche Bedenken bezüglich des instabilen Grundes, des darunterliegenden, gefährdeten Gewölbes sowie der Rückverlegung des historischen Mosaikes an der Schlossfreiheit geäußert. Es scheint, man wolle, ungeachtet der immens gestiegenen Kosten, das Bild der austarierten Waage im Herzen der Hauptstadt nun im Eilverfahren realisieren – obwohl mehr als deutlich ist, dass fast 30 Jahre nach dem Mauerfall zwischen Ost und West längst kein harmonisches Gleichgewicht herrscht.

DAU Freiheit

Gerade mal 300 Meter vom zukünftigen Standort des Freiheits- und Einheitsdenkmals entfernt sollte am 12. Oktober ein umstrittenes Projekt der Berliner Festspiele starten: Vorgesehen war, ein Areal von 37.000 Quadratmetern rund um das Kronprinzenpalais für vier Wochen mit einer Rekonstruktion der Berliner Mauer abzuriegeln. Die fiktive Zone, für deren Besuch man Visa hätte beantragen müssen, wäre Teil der großangelegten Premiere eines nicht weniger megalomanen Filmprojektes geworden.

Für sein Projekt DAU ließ der russische Filmemacher Ilya Khrzhanovski im ukrainischen Charkiw das geheime sowjetische Wissenschaftsinstitut, an dem Physiker um Lew Landau die Wasserstoffbombe entwickelten, wiederaufbauen – eine gigantische Kulisse, in der rund 400 Darsteller für bis zu drei Jahren lebten und arbeiteten und dabei sporadisch von Kameras begleitet wurden. Die 13 Filme und mehrere Serien, die angeblich ohne Skript entstanden sind, sollen unter dem Motto „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ neben Berlin auch in London und Paris gezeigt werden.

Kapitel abgeschlossen

Die größte Sorge der DAU-Kritiker war eine Reinszenierung der DDR als Erlebnispark und die damit einhergehende Verharmlosung des Regimes. Also wurde aufgeatmet, als die Veranstalter aufgrund von Zeitnot im Umgang mit Sicherheitsbedenken vergangene Woche das endgültige Aus für DAU Freiheit in Berlin bekanntgaben. Dass der Mauerbau jedoch durch das physische Erleben totalitärer Verhältnisse die Möglichkeit einer gesellschaftlichen Debatte über Freiheit, Demokratie und Zusammenleben geboten hätte – verschenkt. Stattdessen werden durch den Bau der Wippe die Ereignisse von 1989/90 mit einem nationalen Symbol gewürdigt. Kapitel abgeschlossen.

Einheit und Freiheit sind keine Aufforderung, sie bleiben große Worte, die auf ein fotogenes Objekt übertragen werden. Die Verarbeitung der deutschen Wiedervereinigung und ihre realen Konsequenzen rücken weit in den Hintergrund. Was kommt, was ist, was bleibt, ist die Legitimierung eines politisch behaupteten Status Quo: die friedliche, geglückte Einheit beider Teile Deutschlands.


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Kommentare

8

Johann Maier | 02.10.2018 17:00 Uhr

Bitte nicht

noch eine weitere Touristenattraktion in Berlin-Mitte und ein Monument für die Personen, die es bedenkenlos schafften, sich in einer Bausünde zu verewigen.

7

ixamotto | 02.10.2018 15:49 Uhr

@solong

Lies doch bitte einfach noch mal die Kommentare.
Und spar Dir die billige Polemik - ich denke, es werden an jeder Stelle Argumente vorgebracht, über die man diskutieren kann. Mit "Kleingeistigkeit" hat das nichts zu tun, wenn man das gewählte Konzept kritisiert.
Du aber faselst davon, dass irgendwer den europäischen Gedanken am Ende sehen würde, das deutsche Volk zerbersten sehen würde, über unseren Staat lamentieren und diesen nicht akzeptieren würde, usw. Nix davon steht i.d. Kommentaren 1-5, auch nicht dass gar kein Denkmal gewollt ist. Also: Inhalt prüfen, sachlich bleiben, dann klappt's vielleicht beim nächsten Versuch besser...

6

solong | 02.10.2018 10:17 Uhr

... erschreckend ...

... wie "kleingeistig" hier kommentiert wird ... nein ! das deutsche volk steht nicht vor dem zerbersten ... und eine waage ist genau die richtige metapher ... nur wer wiegt ... kann auch ausgleichend ... agieren ... nein ! auch der europäische gedanke ist nicht am ende ... es sind nur ... ein paar "geistige kleingärtner" ... die konzeptionslos "rumkrakelen" ... von unserem staat lamentieren ... und diesen am wenigsten akzeptieren ... ein denkmal für die demokratie ... ist hier und jetzt völlig richtig ...

5

volker | 02.10.2018 07:46 Uhr

den haushalt verschaukeln...

ich finde es wirklich beeindruckend das man für einen schaukel/wippe 17. mio ausgeben wird und dann wird sie nicht wippen und alle werden verschaukelt...

vielleicht macht man sie hohl, in der mitte ein haushaltsloch und man lässte von den enden einfach die taler herunterrollen. das wäre repräsentativ...

armes reiches deutschland...

4

ixamotto | 01.10.2018 18:37 Uhr

Krise der Repräsentation

Vielen Dank für die gute und kritische Besprechung der Entscheidung zum Einheitsdenkmal! Wie leer die Symbolik der Waage ist und wie krisenhaft ihr Repräsentationsversprechen wird vor allem dadurch anschaulich, dass sich die Autorin ausführlich dem Projekt DAU widmet. Dessen Umsetzung hätte sicher Zoff gegeben - aber eben eine erlebbare Auseinandersetzung mit Totalitarismus, körperlicher Zurichtung und Disziplinierung des räumlichen Verhaltens ermöglicht. Schade. Die dämliche Waage ist nicht nur eine hohle materialisierte Phrase. Sie gaukelt (oder schaukelt?) auch etwas vor, was es nicht gibt - Gesellschaft im Zustand harmonischen Gleichgewichts.

3

C. Sitte | 01.10.2018 17:23 Uhr

Geld sparen und Film gucken

https://de.wikipedia.org/wiki/Balance_(Film)

2

Lutz Borchers | 01.10.2018 17:22 Uhr

unfallfreies Schaukeln

Diese breite, nicht nutzbare Freitreppe! Ich fürchte, die Angst vor Unfällen ist so groß, daß das Ganze eher ein Ausstellungspavillon für Sicherheitskonzepte als sonst irgend etwa wird, oder es gibt Türsteher, die die Anzahl der Besucher limitieren.

1

Schmidt | 01.10.2018 16:50 Uhr

Waage

Grundsatz: Ist eine Waage in waage nicht etwas sehr illusorisch?
Entweder sie funktioniert auch als solche oder man kann sie sich schenken. Zumal eine Waage wirklich nicht das passende Gleichnis für unsere heutige Gesellschaft zu sein scheint. Vielleicht kann man mit genügend Leuten auf einer Seite der Waage, die Waage zu Fall und damit zum funktionieren bringen!

 
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