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01.01.2000

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Bauhaus. Kunstschule der Moderne;
Bauhaus Weimar. Entwürfe für die Zukunft

Bücher im BauNetz


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Wahrhaft niemand wird es sich wohl mehr zutrauen, alles, was über die 1919 in Weimar gegründete Kunsthochschule geforscht, geschrieben, geredet und geglaubt wurde, noch erfassen zu können. Was dem Germanisten sein Kafka, das ist dem Architekturhistoriker das Bauhaus: bergeweise Fachliteratur zu immer spezielleren, abwegigeren, esoterischeren Aspekten, laufende Regalmeter von Bibliographien, von Sekundär-, Tertiär-, Quartärtexten, deren Autoren sich nichts sehnlicher zu wünschen scheinen, als von all diesen Büchern erschlagen zu werden. Rainer K. Wick, Autor des "Kunstschule der Moderne" betitelten "Handbuchs", hatte sich schon 1982 erstmals daran gemacht, Schneisen durch das Bauhausbücherdickicht zu schlagen, zu dessen Wildwuchs er im Laufe der Jahre selbst nicht unwesentlich beigetragen hatte. Nachdem der Band trotz der postmodernen Zeichen der Zeit mehrfach aufgelegt worden war, stand nun mit neuem Verlag, neuer Aufmachung und neuen Erkenntnissen eine neue Auflage ins Haus.


Gabriela Daniela Grawe durfte dabei einen Beitrag zur Rezeption des Bauhauses in Amerika beisteuern und damit für das Werk auch die Erkenntnisse der aktuellen Exilforschung, der Arbeiten zum New Bauhaus am Black Mountain College und schließlich ihrer eigenen Forschung im Rahmen der Dissertation fruchtbar machen. Wick selbst kümmerte sich bei der Neubearbeitung vor allem um die Nachwirkungen des Bauhauses in der deutschen Nachkriegszeit, ein Abschnitt, den er im Vorwort als "grobe, Details notwendig vernachlässigende Skizze" und in der Kapitelüberschrift als "Fragment" bezeichnet. Wie gut er daran getan hat, zeigt der prüfende Blick ins Register unter dem Buchstaben "Sch", wie Rudolf Schwarz. Denn jener rheinländische Sakralbaumeister, der mit ätzender Rede und anhaltenden Sticheleien 1953 die sogenannte "Bauhaus-Debatte" lostrat, kommt in Wicks Buch nicht vor. Nicht allein fällt damit ein wichtiger Aspekt der Nachkriegs-Auseinandersetzung mit der Moderne der Weimarer Republik unter den Tisch. Gerade Rudolf Schwarz’ Kritik, die auf die seiner Meinung nach zu engen bundesrepublikanischen Rezeption des Bauhauses als Synonym für die "Weiße Moderne" schlechthin abzielte, hätte generell für die Analyse der Kunsthochschule herangezogen werden können.


Daß Wick die heißen Diskussionen, die Ulrich Conrads in einem Bauwelt-Fundamente-Bändchen zugänglich gemacht hat, kennt, zeigt das Literaturverzeichnis. Sie jedoch im Text zu unterschlagen, ist mehr als töricht. Bei näherem Hinsehen aber ist dieser Mangel nur einer unter mehreren: Es fehlt eine umfassende Herleitung des Phänomens Bauhaus aus den reformpädagogischen Ahnen wie der Breslauer Akademie unter Hans Poelzig (deren Lehrbetrieb immer nur als "Bauhaus vor dem Bauhaus" gewertet wird, so, als liefe die Weltentwicklung auf das in Weimar etablierte Kunstgottesgnadentum zu) oder ein Vergleich mit ähnlichen Institutionen, wie der von Otto Bartning in enger Auseinandersetzung mit Gropius initiierten Staatlichen Hochschule für Handwerk und Baukunst in Weimar. Was bleibt ist eine lehrreiche Analyse des Bauhauses aus sich selbst heraus. Ein Standardwerk (so verkündet der Umschlag) im "Handbuchformat", das alle Aspekte des komplexen Phänomens Bauhaus zumindest andeutungsweise versammelt, liegt damit jedoch nicht vor. Der Band bestätigt nur wieder die alte Weisheit, dass Mythen auch durch Auslassen von Fakten entstehen und fortgeschrieben werden können.


Da ist der Ansatz des zweiten Bauhausbuchs aus dem Hause Hatje-Cantz mit dem Titel "Bauhaus Weimar. Entwürfe für die Zukunft" schon erfreulicher, zumal sich die Autoren hier auf einen schmaleren Zeitraum beschränkten, den zwischen der Gründung des Bauhauses 1919 und seinem Umzug nach Dessau 1925. Der Band dient als neuer Katalog des Bauhaus-Museums Weimar, dessen Beständen sich innerhalb von fünf Jahren verzehnfacht haben, und das Buch will dabei vor allem knappe Einführung und Bildband sein – und enttäuscht, im Gegensatz zu seinem Pendant dabei nicht. Der Herausgeber Michael Siebenbrodt schildert kurz und knapp die Geschichte der Institution – und danach regieren, kapitelweise nach der jeweils gelehrten Kunstgattung geordnet, die Bilder. Das meiste ist fraglos bekannt, aber die geometrischen, bunten, utopischen, funktionalistischen, experimentellen, praktischen und formschönen Artefakte und Architekturen in der geschlossenen Form einer sammlungsbegleitenden Publikation zu sehen, ist nicht nur für das Bauhaus-Museum, sondern auch den nach einer sinnvollen Einführung suchenden Leser erfreulich.


In der Vorstellung des lesenden Buchkonsumenten sind Handbücher klein und kompakt, Kataloge großformatig und reich bebildert. Die Wahrnehmungsmodi seiner Kundschaft zu respektieren, ist, dem Erscheinungsbild beider aktueller Publikationen nach zu urteilen, ein zentraler Aspekt der verlegerischen Arbeit. Das "Handbuch" ist klein, kompakt und blau, der "Katalog" ist groß, reich bebildert und besitzt einen roten Schutzumschlag. Doch über die wahre Brauchbarkeit des Buches entscheidet am Ende doch der Inhalt. Und dieser ist eben manchmal mit dem Format deckungsgleich oder er liegt weit hinter dem, was man sich als Leser beim betrachten des Umschlags zu erhoffen wagte. (Christian Welzbacher)


Rainer K. Wick (Hg.);
Michael Siebenbrodt (Hg.)
Wick: 403 S., 270 Abb., kartoniert,
Siebenbrodt: 295 S., 367 Farb- u. 53 SW-Abb., gebunden,
beide Hatje-Cantz, Ostfildern-Ruit, 2000
ISBN: Wick: 3775708006; Siebenbrodt: 3775790306



 
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