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19.01.2012

Architekturdialoge

Bücher im BauNetz


Was für ein Buch! Allein die Namensliste! Seit 2008 haben neun Interviewer ausführliche Gespräche mit 30 Schweizer Architekten geführt, darunter Luigi Snozzi, Mario Botta, Bernard Tschumi, Valerio Olgiati, Herzog & de Meuron und Peter Zumthor, aber auch Fuhrimann Haechler, Peter Märkli, Burkhalter und Sumi, Christian Kerez, Gigon/Guyer bis zu den jüngeren Büros wie pool, EM2N, HHF, Made In, Gramazio und Kohler oder Philippe Rahm. Und viele weitere.

Es ist aber nicht nur die stattliche Namensliste, die dieses Buch so beeindruckend macht, sondern vielmehr die großartig entspannte Atmosphäre und gleichzeitig die enorme Tiefe, die jedes einzelne dieser 30 Gespräche entfaltet. Hier wird nicht sofort nach der allgemeinen Haltung gefragt, sondern ein Dialog begonnen: Wie läuft dein Büro? Welche Projekte beschäftigen dich gerade? Wie ist das Büro organisiert? Daraus entwickeln sich geradezu alltägliche Gespräche, die dann stetig tiefer graben und auf beinahe beiläufige Art zu großen Themen wie die Entstehung und Bedeutung der „Schweizer Schulen“ führen, die Einflüsse von vor allem Aldo Rossi und Miroslav Sik diskutieren oder die Aktualität der „Schweizer Box“ gegen die aktuell aufkommenden, polygonalen Körpern abwägen. Manchmal würde man sich vielleicht etwas mehr grundlegende Informationen, etwa zu den verschiedenen Schweizer Schulen oder zu den Biographien der Architekten wünschen, denn diese fehlen ganz und es ist für den Nicht-Schweizer nicht immer leicht, die regionalen Bezüge herzustellen. Andererseits lassen sich diese Informationen auch schnell aus anderen Quellen beschaffen und das Buch ist ja bereits dick genug.

Gut, dass sich die Fragensteller dabei eigene Meinungen erlauben und Diskussionen entstehen lassen; etwa, wenn Jörg Himmelreich sich mit Miller & Maranta über Konvention, Innovation, Wein und Architektur streitet. Vor allem mit den quer durch alle Generationen und Gespräche wieder auftauchenden Themen gelingt es in diesem Buch, rote Fäden zwischen den einzelnen Interviews zu entwickeln, ohne diese aber zwanghaft zur Sprache bringen zu müssen. Es sind eben keine vorgefertigten Fragebögen, die von allen beantwortet werden müssen, sondern lebhafte, immer wieder überraschende Gespräche. So entfaltet sich tatsächlich ein äußerst breites Bild der Meinungen, Positionen und Themen, mit denen sich die aktuellen Schweizer Architekturschaffenden beschäftigen. Die gemütliche Lockerheit sorgt dafür, dass dieser Wälzer trotz seiner 600 Seiten keinesfalls zu dick ist – es könnten ruhig noch mehr Gespräche sein.

„Architekturdialoge“ ist ein ungemein anregendes, inspiriendes und insgesamt einfach wunderbares Buch, nicht nur über die Schweiz, sondern ganz allgemein über die Komplexität der Architektur und wie diese gedacht und betrachtet werden kann – weit jenseits der üblichen Architektenphrasen. Ein Buch, das jedem Architekten, jedem Studenten, jedem Journalisten und jedem allgemein an Architektur Interessierten nur allerwärmstens empfohlen werden kann.

Die herausragend ruhige Gestaltung des Buchs mit viel Weißraum und nur wenigen Bildern ist für eine Schweizer Publikation dann schon fast selbstverständlich. Eigens erwähnt seien aber noch die hinreißenden Portraitfotografien von Christian Aeberhard, der die Architekten in jeweils relativ alltäglichen Situationen ablichten wollte, von denen einige aber schon fast surreal anmuten, etwa Olgiati beim Betanken seines (weißen!) Ferrari, Fuhrimann und Haechler beim Holzholen oder Gion Caminada in der Fleischerhalle. Acht dieser Fotos dürfen wir hier zeigen. (Florian Heilmeyer)

Architekturdialoge
Hrg.: Marc Angélil, Jørg Himmelreich, Departement für Architektur der ETH Zürich
628 Seiten, über 180 Abbildungen, 14 x 22 cm,
eine deutsche und eine englische Ausgabe,
Freirückenbroschur, Niggli Verlag, 2011
62 Euro


www.niggli.ch


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