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25.11.2022

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Zur Potsdamer Abrissdebatte

Breites Bündnis für Erhalt des Staudenhofs


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Der Streit um die Gestalt der Potsdamer Innenstadt geht munter weiter. Nachdem mit der umstrittenen Rekonstruktion des „Minsk“ die Preisgabe bestehender DDR-Architektur in der brandenburgischen Landeshauptstadt zuletzt wieder einmal ausgiebig diskutiert wurde, steht mit dem Staudenhof das nächste Stück Ostmoderne auf dem Spiel. Dagegen formiert sich nun ein Bündnis.

Von Maximilian Hinz

Wo heute unmittelbar hinter der Potsdamer St. Nikolaikirche noch ein 1972 erbautes Wohn- und Geschäftshaus, der so genannte Staudenhof weilt, soll bald nach Plänen der Potsdamer Stadtverordnetenversammlung ein weiterer Neubaublock die vormals barocke Stadtstruktur nachempfinden. Es wäre der nächste Griff in die Vergangenheit in Potsdams Mitte: Die einstige Fachhochschule musste dem historischen Grundriss bereits 2018 weichen, das Rechenzentrum hat im Wettkampf mit dem Wiederaufbau der Garnisonkirche immerhin einen Aufschub bekommen. Auf einer Pressekonferenz in eben jenem widerständigen Rechenzentrum hat sich am heutigen Freitag, 25. November 2022 ein breites Bündnis um die Initiator*innen Anja Günther, Stadtverordnete in Potsdam (Die Linke), und Frank Schönert, Mitgründer von Hütten & Paläste, offensiv gegen den Abbruch und für den Erhalt des Staudenhofs ausgesprochen. Dabei geht es der Initiative weniger um einen ideologisch aufgeladenen Bilderstreit, vielmehr fordert sie einen klimagerechten und sozialverträglichen Weiterbau des Bestandes.

Ersetzt werden soll der L-förmige Plattenbau mit seinen 186 größtenteils 30 Quadratmeter großen Wohnungen durch Neubauten nach Maßgabe des Leitbautenkonzepts „Potsdamer Mitte“. Neben der Annäherung an den einstmaligen Stadtgrundriss ist in den Planungen auch die Errichtung von sogenannten „Erinnerungsarchitekturen“ mit Fassaden nach historischem Vorbild vorgesehen. Das Ganze ist Teil eines 1999 ausgewiesenen Sanierungsgebietes, dessen Hauptziel laut Satzung die Beseitigung „städtebaulicher Missstände“ ist.

Künftig sollen 20 bis 30 Prozent der geplanten Fläche dem Gewerbe gewidmet werden, die restlichen rund 10.000 Quadratmeter Nutzfläche dem Wohnen, drei Viertel davon wohl mietpreis- und belegungsgebunden. Die dafür nötigen Mittel sollen aus der Wohnraumförderung des Landes Brandenburg stammen.

Ein weiterer Grund für die Abrissentscheidung waren Berechnungen der Eigentümerin – dem kommunalen Bauunternehmen ProPotsdam – nach denen eine Sanierung unwirtschaftlich sei. Ursache dafür könnten, erklärte Sophie Haebel (Energie Forum Potsdam), nur höhere Gewerbemieten und die Verwendung von Fördermitteln sein. Beispielsweise stünden im Rahmen des städtebaulichen Denkmalschutzes auch Zuschüsse für den Abriss zu Verfügung.

Das neu formierte Bündnis prangert an, dass Abriss und Neubau – noch dazu im historisierenden Gewand – angesichts der Klimakrise ohnehin nicht mehr zeitgemäß sind – erst kürzlich richtete auch das Abrissmoratorium ganz ähnliche Kritik an die Bundesbaupolitik. Nicht nur sei die Ressourcen- und Energiebilanz weitaus schlechter als bei einer Instandsetzung, ein Abriss hätte in diesem Fall auch die Verdrängung von über 230 Bewohner*innen aus der Innenstadt zur Folge, darunter zahlreiche Geflüchtete. Stattdessen sieht die Initiative im Staudenhof die Chance für ein Modellprojekt der längst überfälligen Bauwende. Mit vergleichsweise geringem Kosten- und Materialaufwand sei ein ökologischer und sozialgerechter Umbau möglich.

Das letzte Wort scheint hier noch nicht gesprochen. Zu den über 200 Erstunterzeichnenden des von der Initiative gestarteten Aufrufs zählen unter anderem der BDA, die Architektenkammern der Länder Brandenburg und Berlin, die Potsdamer Gruppen von Architects und Fridays for Future, Pritzkerpreisträger Jean-Philipp Vassal sowie zahlreiche Vertreter*innen aus Forschung, Lehre und der Zivilgesellschaft. Am Mittwoch, den 7. Dezember 2022 werden die Forderungen offiziell an Oberbürgermeister Mike Schubert (SPD) übergeben.

Fotos: Leon Lenk


Zum Thema:

staudenhof.info


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Kommentare

8

Volker H | 30.11.2022 21:17 Uhr

@prof b.

Gott, wie banal. Schlimm, welchen Gesinnungen immer noch Lehrstühle zugeschanzt werden. #Tellerrrand

7

arcseyler | 30.11.2022 18:20 Uhr

@ Brands

Die offen gefügte Moderne ist auch Städtebau, Vielleicht eine noch zwingendere als eine historische Straßenstadt. Historische Gebäude müssen sich in ihr kraft ihrer plastischen Qualität behaupten und können das hier mit der Nicolai- oder auch der Garnisonskirche auch. Ein neues Konzert. Ein Solo im Freejazz. Vielleicht bekommen sie hier erst ihre volle Entfaltungsfreiheit, die sich ihre Erbauer erhofften. Vielleicht brauchen sie keine Stadtstütze.

6

Prof. Ludger Brands (Architekt) | 30.11.2022 12:43 Uhr

Zur Potsdamer Abrissdebatte, Staudenhof

Die Argumentationen der Abrissgegner erfolgen leider in der falschen Reihenfolge, was das große Dilemma der “Moderne“ bis in die heutige Zeit ist.
Häuser in städtischen Quartieren formen und säumen den öffentlichen Raum, bzw. sollten dieses tun. Der öffentliche Raum ist ein Gesamtkunstwerk oder sollte diesen Anspruch an sich stellen, ein Gesamtkunstwerk, dessen Teile sich dialektisch zueinander verhalten oder sich gegenseitig referenzieren. Denn erst durch das gekonnte Verbinden einzelner Elemente entsteht ein Sinnzusammenhang.

Ausgangspunkt muss in hierarchisch richtiger Reihenfolge immer der städtebauliche-stadträumliche Zusammenhang sein. Der qualitative Anspruch des umgebenden Stadtraums muss also über die Einzelarchitektur gestellt werden. In welcher Art und Weise bespielen die einzelnen Häuser oder Hausensembles einen Platz- oder Straßenraum? Leisten diese Einzelarchitekturen keinen Beitrag zur Raumbildung, bzw. festigen oder verstärken sie den Stadtraum nicht, müssen sie infrage gestellt werden. Denn das ist hier der Fall. Also die Qualität des städtischen Raums muss über der "Qualität " eines Solitärs stehen und nicht umgekehrt. 

Ein geplanter Neubau, der den Stadtraum nicht verbessert, ist es nicht Wert, gebaut zu werden, bzw. ein Haus, das den Stadtraum als Ganzes nicht respektiert und keinen hochwertigen öffentlichen Raum generiert, also falsch platziert ist, muss infrage gestellt werden dürfen. Es verhält wie in einem Zimmer. Die Außenwände des Innenraums (eines Hauses) sind die Innenwände eines  Außenraums (Platz, Straße). Sowohl das Fehlen einer Außenwand eines Hauses als auch das Fehlen einer Platz- oder Straßenwand ist für den Raum, innen wie außen, nicht zuträglich. 

Die Position des Staudenhofs verschafft der Nikolaikirche keinen rahmenden Rücken, damit dem Alten Markt keine raumabschließende Platzwand, so wie dieses die modifizierten künftigen Quartiere/Blöcke es leisten können. Es wird also mit der beabsichtigten baulichen Rahmung ein in sich abgeschlossener Platzraum mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen, so wie es z.B. in den Büchern von Joseph Stübben (Der Städtebau) oder Camillo Sitte (Der Städtebau nach seinen künstlerischen Grundsätzen) beschrieben wird. In Sittes Kapitel “Beziehung zwischen Bauten, Monumenten und Plätzen“ wird unterschieden zwischen “Agora oder Forum und Marktplatz und das Streben, an diesen Hauptpunkten der Stadt die hervorragendsten Bauwerke zu vereinigen ….“ . Diese hervorragenden Bauwerke (Barberini, Altes Rathaus, Landtag im Schloss) existieren bereits und sind Platzwand oder stehen in der Mitte eines Platzes (Nikolaikirche) und benötigen nur noch die sie umgebenden Platzwände, die nun geschaffen werden sollen.
Solange die Daseinsberechtigung einzelner Gebäude unabhängig von ihrer architektonischen Qualität und stadträumlichen Bedeutung ausschließlich aus ihrer Repräsentanz für eine bestimmte Zeit hergeleitet wird, solange bewegen wir uns in der gemordeten Stadt (Wolf Jobst Siedler 1964).

5

Hinrich Schoppe | 28.11.2022 13:25 Uhr

der böses will und gutes schafft

Dank der unsäglichen Dreigestirns Corona - Putin - Erderwärmung kommt jetzt doch noch Bewegung in die betonköpfige "Postdamer Bürgersschaft", die normalerweise erstaunlicherweis vor allem Beton zu Gunsten des guten märkischen Ziegels beseitigen möchte.
Nach dem Motto: "Ach wenn doch der alte Fritz noch leben würde wäre alles besser..."
Also, ein für alle Mal:
Stehenlassen. Umnutzen. Preise und Lob und Fördermittel einheimsen.
Und der "Eigentümerin" mal ordentlich den Marsch blasen, auf dass sie kompetente Leute an die Rechnerei setzen. Die sogenannten Rechnungen haben mich schon zu Studentenzeiten aufgeregt.
Ein Haus kaputtrechnen kann heutzutage jeder Werkstudent. Da erwarte ich von der hochdotierten Verwaltung anderes und besseres.
Vielleicht geht von Potsdam ja doch mal wieder etwas positives und der Allgemeinheit förderliches aus. Jenseits der üblichen Tümelei.
Danke.

4

arcseyler | 27.11.2022 09:07 Uhr

....

das um die Wette Aufwärts von Historie und DDR Moderne finde ich erfrischend. Gerade auch der Kontrast. Das duck dich der historischen Bürgerlichkeit nicht unbedingt wiederholungswürdig, schon der beschränkteren Nutzung wegen. Lieber das Heroische des Bestehenden, der erfrischend fragmentierte Gegensatz mit den Lücken, die genug Herausforderung darstellen.

3

Lars k | 27.11.2022 06:51 Uhr

@H. Caesar und Superarchitekt

Danke Ihnen für die guten Beiträge. Endlich mal fundierte Diskussion in den Kommentaren hier.

Aber zwei Anmerkungen: Nachhaltigkeit hat *nicht* "vor allem" ästhetische und gesellschaftliche Aspekte, sondern vor allem ökologische.
Wenn Beton recycelt wird, dann endet er in D derzeit meist als geschredderte Schüttung im Tiefbau, das ist sicehr keine ökologische Lösung.

Wenn ich Potsdam wäre, dann würde ich Lacaton Vassal ansprechen. Dann könnte, wie in F, auch in Potsdam eine ästetisch ansprechende und ökonomisch umsetzbare Lösung als Leuchtturm in Potsdam entstehen. Man wird am Sonntag früh ja wohl noch träumen dürfen.

2

Helmuth Caesar | 26.11.2022 11:35 Uhr

Potsdamer Abrissdebatte

Das Baunetz sollte bitte mehr Informationen zu der Debatte liefern. Wie sehen die städtebaulichen Neuplanungen an dieser Stelle aus? Wer soll den Erhalt dieser Anlage finanzieren? Was ist ästhetisch von dem Gebäude übrig, wenn dieses für Neubaukosten energetisch saniert werden würde. Die Diskussion, in welcher Stadt wir leben wollen, wird vielfach zu oberflächlich geführt - und publiziert. Hier sollte Journalismus sich mehr abverlangen. Graue Energie ist nun wirklich der letzte Stoßsäufzer einer solchen Debatte. Nachhaltigkeit hat vor allem auch auch ästhetische und gesellschaftliche und nicht zuvorderst technologische Aspekte, zumal man den verbauten Beton zu 100% recyceln wird.

1

Superarchitekt | 25.11.2022 16:24 Uhr

Heikles Thema

Objektiv betrachtet ist das Gebäude ein städtebaulicher Problemfall, der Maßstab ist unpassend, die Erdgeschosszone liegt nicht auf Straßenniveau und es hat eine Rückseite, der man höchtstens die Vorzüge einer schattigen innerstädtischen Grünanlage zusprechen kann.

Gestalterisch ist das Haus ebenfalls nicht gerade kooperativ mit seiner Umgebung, hier braucht es einige intellektuelle Anstrengung um die ästhetischen Vorzüge würdigen zu können.

Und man muss auch ehrlich festhalten: die Bauten der DDR-Moderne in Potsdam (Hotelhochhaus, Fachhochschule, Café Minsk + abgerissene Schwimmhalle...) beweg(t)en sich in gestalterischer Hinsicht verglichen mit anderen Orten im Ostblock eher im unteren Mittelfeld.

Fazit: städtebaulich und asthetisch fragwürdig.
Insofern ist der Wunsch nach neuem an dieser Stelle nicht allzu weit hergeholt.

Wenn die politische Note der Revisionierung von deutscher Geschichte ausgeblendet wird, bleibt als wesentliches Argument nur das ökologische.
Vor dem Hintergrund der menschgemachten Planetenzerstörung ist dieses gegenüber irgendwelcher Befindlichkeiten einzelner Interessengruppen auch das einzig gültige.

Mal sehen, welche Ideologie sich als tragfähiger erweist.

 
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Der Potsdamer Staudenhof wurde 1972 nach Plänen von Hartwig Ebert, Fritz Neuendorf und Peter Mylo errichtet. Nun soll es das nächste dem Abriss preisgegebene Bauwerk der DDR-Architektur sein.

Der Potsdamer Staudenhof wurde 1972 nach Plänen von Hartwig Ebert, Fritz Neuendorf und Peter Mylo errichtet. Nun soll es das nächste dem Abriss preisgegebene Bauwerk der DDR-Architektur sein.

Der Staudenhof ist kein gewöhnlicher Plattenbau. Die Architekten konnten dem vorfabrizierten Elementbau viele individuelle Lösungen hinzufügen, beispielsweise mit dem verglasten Treppenhaus oder der spezifischen Fassade.

Der Staudenhof ist kein gewöhnlicher Plattenbau. Die Architekten konnten dem vorfabrizierten Elementbau viele individuelle Lösungen hinzufügen, beispielsweise mit dem verglasten Treppenhaus oder der spezifischen Fassade.

Auf der Ostseite kragt der Plattenbau weit über die Apotheke im Erdgeschoss aus. Massive Betonstützen fangen ihn ab.

Auf der Ostseite kragt der Plattenbau weit über die Apotheke im Erdgeschoss aus. Massive Betonstützen fangen ihn ab.

Im Hintergrund ist die St. Nikolaikirche am Alten Markt zu sehen. Die Befürworter des Abrisses stören sich nicht zuletzt auch am stilistischen Kontrast der Bauten.

Im Hintergrund ist die St. Nikolaikirche am Alten Markt zu sehen. Die Befürworter des Abrisses stören sich nicht zuletzt auch am stilistischen Kontrast der Bauten.

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