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29.10.2018

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Betonbarren im Bayerischen Wald

Bauernhausumbau von Peter Haimerl


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Morsche Balken, die Wände eingedrückt, kaum noch Dach – und zur Hälfte bereits eingestürzt. Der Wohnbereich war das letzte, was noch stand. Das Austragshaus, ein Holzblockbau mit Granitsockel, war eine Ruine. Eine Ruine voller Kuhmist. Die Besitzer, eine Bauernfamilie, hatten es 1963 aufgegeben und waren in ein neues Wohnhaus umgezogen. Kühe und Schafe, die auf der Wiese grasten, schlüpften in der Ruine unter, Pilze und Farn wucherten. Alles wirkte so fragil, dass man dachte, den nächsten Winter würde dieses Haus nicht überstehen – so fand Peter Haimerl (München) das Bauernhaus im bayerischen Arnbruck.

Peter Haimerl, bekannt für sein Konzerthaus in Blaibach und jüngst mit dem Bayerischen Staatspreis für Architektur ausgezeichnet, nahm sich dem in Auflösung begriffenen Bau an. Baute mit dem, was vor der Tür lag: bemooste Granitblöcke zum Beispiel, die gedanklich zu 43 mal 43 Zentimeter dicken Betonbarren verarbeitet und in den Bestand geschoben wurden, um das verwitterte Holz zu stützen oder um ganze Wände skulpturenhaft zu ersetzen.

Auf 180 Quadratmetern Wohnfläche gibt es nun drei Schlafzimmer und alles, was zum Wohnen nötig ist: Ofen, Herd, Tisch, Bett und WLAN. Haimerl wandelt den Bestand aber nicht zugunsten eines modernen Hauses, sondern besteht auf Ursprünglichkeit: Das Bad ist im ehemaligen Stall untergebracht, die Speisekammer im ehemaligen Kartoffelkeller übernimmt den Kühlschrank, in der geräumigen Stube wird mit einem behaglichen Ofen geheizt, die Eckbank in der Küche kennt man von früher. 400.000 Euro kostete der Umbau.

Modern, einfach, schmucklos und kraftvoll sollte das traditionelle Bauernhaus im Bayerischen Wald sein, eines der letzten seiner Art, ein Bote einer armen Zeit, die vergessen werden wollte, wie es in der Projektbeschreibung heißt. Weshalb die meisten bereits abgerissen wurden. Die Sanierung des Hauses am Schedlberg – der Ort heißt eigentlich Schedlhof und war vermutlich die erste Gerichtsbarkeit der Gegend – wurde von der HAUS.PATEN Bayerwald KG getragen. Eigentümer ist noch immer der Bauer des benachbarten Hofes, der nicht verkaufen wollte. Und so wird das Austragshaus jetzt vermietet, für Seminare, als Rückzugsort oder Ferienhaus und soll sich innerhalb von 30 Jahren seinen Erhalt selbst verdienen.

Das Wichtigste, so Architekt Haimerl, sei die gedankliche Anregung durch fraktale Momente. Das eine vergeht, das andere wird. Nichts sei zu Ende gedacht und gebracht. Und so könne im Zusammenspiel aus Alt und Neu etwas Drittes entstehen, etwas, was das Denken befördert. Weshalb Haimerl dieses Projekt als ein Haus für Denker bezeichnet. „Beim Schedlberg fällt das leichter, weil da in der Form des starken Ortes, der sich über Jahrhunderte entwickelt hat, schon ungemein viel vorhanden ist“, so Haimerl. (kat)

Fotos: Edward Beierle


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Kommentare

8

solong | 31.10.2018 11:29 Uhr

... manchmal ...

... ist eine avantgardistische lösung der aufgabe ... angesagt ... und das trägt der besitzer mit ... im tiefsten bayrischen wald !! ... das haus wurde erst dadurch ... "rettbar" ... in dem es zu etwas ganz besonderem transferiert wurde ... sonst kommt doch kein mensch dorthin !!

7

rotho | 30.10.2018 17:50 Uhr

kunst kommt von können

und Peter Heimerl kann Kunst, Raumkunst und Materialcollage und weiterbauen. Es steht für sich, ist ein Statement und mehr muß man dazu nicht sagen und auch nicht vergleichen. Zumthor hatte einen anderen Kontext und ist darum anders mit seinem Projekt. Das Haus hält die Spannung aus, warum muß man an einer guten und ausgeführten Idee immer noch etwas negatives finden , vergleichen mit.... Es steht soviel von gebauter Umweltverschmutzung herum, solch ein Kleinod muß man schützen!

6

staubmeier | 30.10.2018 09:35 Uhr

- - -


der eine macht architektur für die kunst,

und der andere für den menschen vor ort.

leider.

in wenigen ausnahmen für beide gleichzeitig.

muss man können.

5

a.Nette | 29.10.2018 19:56 Uhr

@4 Genau

Lieber Gabriel, ich stimme dir da vollkommen zu. Versam kam mir da auch in den Sinn als positives Gegenbeispiel.

Nicht falsch verstehen – natürlich ergibt diese Herangehensweise tolle Bilder für das Magazin oder den Blog, aber insgesamt bleibt für mich ein Gefühl vom Stock im Allerwertesten bei den Innenräumen.

4

Gabriel | 29.10.2018 17:37 Uhr

... konnte gerettet werden?

Vielleicht ist es ja ein Kunstwerk geworden – da gibt es keine Regeln. Vorher war es ein Haus – da gab es welche. Im Hinblick auf die konstruktiven und bauklimatischen Verhaltensweisen des Holzbaus ist das Vorgehen ein überspannter Krampf. Dass der völlig unkritische Text von „gerettet“ und "ursprünglich" redet, passt dazu. Man wünscht sich und den alten Häusern, dass ein so begabter Architekt sich mal ein wenig entspannt und sich auf die Architektur besinnt. Zumthors Gugalun Haus in Versam kommt in den Sinn - beispielhaft für den Umgang mit solchen Häusern ganz ohne Kraftmeierei.

3

Thomas Walta | 29.10.2018 16:56 Uhr

Denken... Staunen und Loben

Denken... Staunen und Loben, das ist wirklich großartiger Beitrag zur Baukultur.

2

Jörg | 29.10.2018 16:04 Uhr

Was für ein...

wundervolles Projekt!

Herzlichen Glückwunsch an alle Beteilgten!

1

Franz | 29.10.2018 16:00 Uhr

Wow

Heiliger Bimbam, ist das geil!

Ob dass jetzt Sinn macht, ist eine andere Frage. Aber gut, dass das mal jemand durchexerziert hat.

 
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Am Waldrand des Schedlbergs liegt das alte Bauernhaus, das seit 1963 vor sich hinrottete.

Am Waldrand des Schedlbergs liegt das alte Bauernhaus, das seit 1963 vor sich hinrottete.

Nur der Wohnbereich war vom Ursprungsbau übrig, dessen bröckelnde Wände jetzt von Betonbarren gestützt werden.

Nur der Wohnbereich war vom Ursprungsbau übrig, dessen bröckelnde Wände jetzt von Betonbarren gestützt werden.

Altes Holz und neuer Beton lassen das Austragshaus mit 180 Quadratmetern Wohnfläche neu entstehen.

Altes Holz und neuer Beton lassen das Austragshaus mit 180 Quadratmetern Wohnfläche neu entstehen.

Die meisten dieser bayerischen Bauernhäuser wurden abgerissen, dieses konnte gerettet werden.

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