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08.11.2011

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... and Architecture For All?

Architektur-Biennale Sao Paulo eröffnet


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Die internationale Architekturbiennale von São Paulo steckt bereits seit mehreren Jahren in der Krise. Die „nonaBia“, die neunte und aktuelle Ausgabe, die vergangenen Mittwoch eröffnet wurde, dürfte dabei den vorläufigen Tiefpunkt markieren.

Das Institut der brasilianischen Architekten IAB hat sich in diesem Jahr mit der Biennale-Organisation zerstritten, so sehr sogar, dass die Ausstellung eigentlich gar nicht in den Gebäuden der Biennale gezeigt werden sollte. Erst in letzter Sekunde konnte man sich wenigstens so weit einigen, dass die Exponate nun – wie bei den vergangenen Kunst- und Architekturbiennalen auch – im von Oscar Niemeyer und Burlé Max entworfenen Ibirapuera-Park ausgestellt werden. Dieses Mal allerdings im Pavilhão Governador Lucas Nogueira Garcez (OCA), einem verhältnismäßig kleinen, halbkugelförmigen Gebäude, charakterisiert durch Bullaugen und die für Niemeyer typischen, raumgreifenden Rampen. Denn im Gegensatz zur populäreren und größeren Schwesterveranstaltung, der Kunstbiennale, hatte die Architekturbiennale seit jeher Mühe, das Hauptgebäude überhaupt zu füllen. Vor diesem Hintergrund macht die Gebäudewahl durchaus Sinn. Umso nachdenklicher stimmt allerdings die Tatsache, dass nun selbst das OCA mit seinen 10.500 Quadratmetern Ausstellungsfläche nicht richtig ausgelastet werden konnte.

Die Schau, kuratiert von Valter Caldana, Direktor des Architekturfachbereichs der Mackenzie-Universität, macht den Anschein einer ohne übergeordnete Leitung zusammengeschusterten Studentenausstellung zum Semesterende. Die Besucher bleiben weitgehend sich selbst überlassen, es gibt nicht einmal ein Statement des Kurators zu lesen. Und ganz offensichtlich gab es auch nicht genügend Geld oder Zeit, um das Gebäude einer Reinigung zu unterziehen. Das übergeordnete Thema „Architecture for all – Building Citizenship“ ist in der ganzen Ausstellung kaum spürbar, obwohl es gerade in der von einer starken Dualität zwischen Arm und Reich geprägten Stadt von São Paulo viel Potenzial zur Erkundung bieten würde.

So werden im obersten Geschoss des OCA an Stellwänden Bauten aus der ganzen Welt in Grundriss, Schnitt und Bild gezeigt, darunter so unterschiedliche Beispiele wie das Porsche-Museum in Stuttgart (Delugan Meissl) oder der Neubau Pérolles II auf dem Universitätscampus im schweizerischen Fribourg (Büro B). Die Projekte sind von einer Jury aus lokalen Architekturschaffenden aufgrund ihrer „hervorragenden und exemplarischen Qualität“ ausgewählt worden und müssten wohl trotz des versteckten Ausstellungsortes als „Hauptausstellung“ deklariert werden. Es handelt sich dabei zumeist um Projekte, die entweder kollektive Nutzungen beherbergen oder sich im weitesten Sinne mit dem öffentlichem Raum beschäftigen; präzisere Auswahlkriterien bleiben im Dunkeln. Im Untergeschoss findet sich dann – etwas verloren – der Beitrag des Stadtplanungsamtes von São Paulo mit Projekten zur Aufwertung von Favelas und den Siegerprojekten des kürzlich abgehaltenen offenen, landesweiten Wettbewerb „Renova São Paulo“.

Im Eingangs- oder Hauptgeschoss schließlich sind prominent die internationalen Beiträge ausgestellt, die – je nach Ausstellungskonzept – in eher geschlossenen Pavillons (Frankreich) oder wie in offenen Messeständen (Norwegen, Israel, Norwegen, Niederlande, Italien, Südamerika) gezeigt werden. Dass einige der internationalen Teilnehmer, so beispielsweise Frankreich oder Dänemark, sich lediglich dazu aufraffen konnten, ihre Beiträge zur letztjährigen Architektur-Biennale in Venedig zu zeigen, trägt jedenfalls nicht zur Qualität der Ausstellung insgesamt bei. Die Schweiz und Österreich sind gar nicht vertreten.

Erfreuliche Ausnahmen etwa sind die Beiträge von Deutschland und den Niederlanden. Letztere widmen sich (Mikro-)Projekten im öffentlichen Raum und laden die Ausstellungsbesucher zum aktiven Mitmachen und zum Stöbern am Lesetisch ein. Damit heben sie sich von der sonst üblichen Leistungsschau des jeweiligen heimischen Schaffen der Länderpavillons oder -stände ab.

Der deutsche Beitrag ist in der Stadt im Centro Cultural Vergueiro im zentral gelegenen Stadtteil Paraíso zu sehen. Das ohne Eintritt frei zugängliche Centro Cultural ist eine Ikone der Moderne, beherbergt neben zahlreichen Ausstellungs- und Veranstaltungsräumen eine öffentliche Bibliothek und lohnt schon wegen der großartigen Architektur von Eurico Prado Lopes und Luiz Telles einen Besuch. „Baukultur Made in Germany“ ist zwar eine klassische Leistungsschau zur deutschen Bau- und Ingenieurskunst – dies aber durchaus mit Kalkül: Der Großraum São Paulo ist für die deutsche Außenhandelswirtschaft von großer Bedeutung. In einer spielerisch-attraktiven Ausstellungsinstallation von Jürgen Mayer H. werden zwanzig Bauwerke und Infrastrukturbauten unter deutscher Beteiligung gezeigt, so etwa die spektakuläre Elbbrücke von Leonhardt, Andrä und Partner mit VIC GmbH oder das ansprechende Cape Town Stadium von v. Gerkan, Marg und Partner. Denen wird in Brasilien sicher besondere Aufmerksamkeit entgegen gebracht, sind gmp doch auch für Entwurf und Bau der Stadien in Brasilia, Belo Horizonte und Manaus zur Fußball-WM 2014 in Brasilien zuständig.

Es ist zu bedauern, dass die (Internationale) Architektur-Biennale São Paulo ihren Standort und das selbst gewählte Motto nicht besser nutzt, um als Sprachrohr oder Plattform des Globalen Südens oder zumindest Latein- oder Südamerikas zu dienen. Es gäbe genügend dringliche Probleme wie den Umgang mit Slums, das immense Wohnbaudefizit für niedrige Einkommensschichten, die massiven Verkehrs- und Mobilitätsprobleme, die überlasteten Infrastrukturen oder den fehlenden öffentlichen Raum zu diskutieren. (Fabienne Hoelzel)

Fabienne Hoelzel ist Architektin und Stadtplanerin und arbeitet seit zwei Jahren beim Departement für Wohnungsbau und Stadtentwicklung in São Paulo, welches unter anderem für das slum-upgrading-Programm verantwortlich ist.

Termin: Die IX. Internationale Architekturbiennale São Paulo ist noch bis zum 4. Dezember 2011 zu sehen. Di-Fr 10-20 Uhr, Sa+So 10-18 Uhr
Ort: Centro Cultural de São Paulo (CCSP), Rua Vergueiro, 1000, Metrô: Vergueiro (Linie 1, blau)


Zum Thema:

Webseite zum deutschen Beitrag: www.baukultur-made-in-germany.de


 
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