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12.02.2020

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Buchtipp: Stadt aneignen

Architecture of Appropriation. On Squatting As Spatial Practice


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Der kulturelle Freihafen ADM in Amsterdam galt als eine der europaweit größten selbstorganisierten Communities mit über 100 Bewohner*innen aller Altersklassen. Das aufgegebene Hafengelände mit großem Hallenbau im Zentrum war 1987 und dann wieder ab 1997 besetzt. Als alternatives Projekt mit in Eigenregie errichteten Strukturen bot es diversen Akteuren Raum zum Leben und Arbeiten und trug mit Gemeinschaftsgärten und Veranstaltungen zum nichtkommerziellen Kulturangebot der Stadt bei. Vor fast genau einem Jahr folgte die Zwangsräumung.

Die Publikation Architecture of Appropriation. On Squatting as Spacial Practice geht den in den Niederlanden seit den 1970er Jahren populären Praktiken der Aneignung und Besetzung städtischer Räume auf den Grund. Neben dem ADM werden weitere Projekte mit ihrer jeweiligen historischen Rolle in der Stadtentwicklung und aktuellen Problematiken in den Fokus genommen: Plantage Dok, Vluchtmaat und Wijde Heisteeg 7 in Amsterdam, Poortgebouw in Rotterdam und Landbouwbelang in Maastricht. Die Herausgeber René Boer, Marina Otero Verzier und Katía Truijen haben einen Schatz an Architekturzeichnungen, Fotografien, Interviews und Archivmaterial zusammengetragen und liefern eine umfassende Dokumentation eines selbstbestimmten, zugleich oftmals prekären und ephemeren Lebensstils in der Stadt. Das 2019 erschienene Buch baut auf einer mehrjährigen Recherche auf, die auch in die Ausstellung Architecture of Appropriation im Het Nieuwe Instituut in Rotterdam 2017 einfloss und im gleichen Jahr auf der Architekturbiennale in Sao Paulo gezeigt wurde.

Was das Buch zu einer gewinnbringenden Lektüre macht, ist der nüchterne, architekturtheoretische Blick. (Haus-)Besetzen wird weder romantisiert noch kriminalisiert, vielmehr werden dem Leser anhand einer vorangestellten wissenschaftlichen Methodologie wichtige Prinzipien der Organisation innerhalb der Gruppierungen anschaulich gemacht. Holland ist auch deswegen ein ergiebiges Forschungsfeld, weil sich dort Gruppen in den letzten Jahrzehnten in besonderem Maße institutionalisiert haben. Und da ein 2010 verabschiedeter "Squatting Ban" die Hausbesetzung gesetzlich unterbindet, haben verschiedene Projekte nach Wegen gesucht, legale Strukturen als Kulturprojekt, Wohn- und/oder Arbeitsgemeinschaft zu etablieren.

Gerade in Zeiten des Anstiegs von Boden- und Mietpreisen, der vielen Menschen das Leben in Städten erschwert oder unmöglich macht, kann „Appropriation“ als ein Mittel verstanden werden, marktgetriebenen Entwicklungen subversiv entgegenzutreten. Inwiefern aber ist das Squatting ein wirklich ernstzunehmendes Gegenkonzept zur üblichen Stadtplanung mit Masterplan? Den Autoren zufolge liegt ein wesentlicher Unterschied in den kollektiv und nicht-hierarchisch definierten Leitprinzipien, in denen sonst marginalisierte Gruppen zu Wort kommen können. Zum anderen wird die Flexibilität der Entscheidungsfindungen herausgestellt, mit der das Vorgehen schnell an neue Gegebenheiten angepasst werden kann.

Mit Architecture Of Appropriation ist ein wichtiges und praktisches Kompendium entstanden, das sich nicht nur an Aktivist*innen richtet, sondern gleichermaßen Architekt*innen, Forschende und Stadtplaner*innen mit relevanten Fragen zum Neudenken von Stadt anregt.

Text: Alexander Stumm

Architecture Of Appropriation. On Squatting As Spatial Practice
René Boer, Marina Otero Verzier und Katía Truijen (Hg.)
Englisch
396 Seiten
Idea Books, Amsterdam 2019
ISBN 978-90-830152-0-0
25 Euro


 
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Die Publikation widmet sich dem (Haus-)Besetzen in historischer Perspektive und mit architekturtheoretischem Blick.

Die Publikation widmet sich dem (Haus-)Besetzen in historischer Perspektive und mit architekturtheoretischem Blick.

Jedem der sechs Squatting-Projekte widmet das Buch ein eigenes Kapitel.

Jedem der sechs Squatting-Projekte widmet das Buch ein eigenes Kapitel.

Architekturzeichnungen, Archivmaterial, Fotos und Interviews geben Einblicke, hier in das ADM in Amsterdam (Aufnahme von 2016).

Architekturzeichnungen, Archivmaterial, Fotos und Interviews geben Einblicke, hier in das ADM in Amsterdam (Aufnahme von 2016).

Charmante Zeichnungen veranschaulichen die Architektur. Hier das ADM in Amsterdam.

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