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Königreich der Niederlande

Die Anforderungen an den Standort waren bei den Niederländern schnell festgelegt: Man komme nicht nach Berlin, um mit anderen Botschaften Beziehungen zu pflegen, sondern mit der Regierung der Bundesrepublik, so sagten sie. Damit waren reine Botschaftsstandorte wie das ehemalige Diplomatenviertel aus dem Rennen. Auch wünschte man, nahe am Wasser zu sein. Das Grundstück am Rolandufer in Berlin-Mitte bietet beides: Nähe zu allen Bundesministerien und die Uferlage zur Spree.

Der Rotterdamer Architekt Rem Koolhaas konnte sich in einem Dialogverfahren ohne Entwurf mit seiner Interpretation des holländischen Selbstverständnisses und mit seiner unkonventionellen Architekturauffassung durchsetzen. Er legte daraufhin für die Botschaft einen Entwurf vor, dessen Realisierung in Berlin mit größter Aufmerksamkeit begleitet wurde - Koolhaas ist in den neunziger Jahren zu einem der meistbeachteten Avantgarde-Architekten aufgestiegen. Besonderes Interesse weckte sein zweites Bauwerk für Berlin auch deshalb, weil er 1991 als Preisrichter des städtebaulichen Wettbewerbs Potsdamer Platz angesichts des Ergebnisses enttäuscht der Stadt den Rücken kehrte und Berlin "Reaktionismus, Provinzialität und Dilettantismus" bescheinigte.
Die Vorgaben des Berliner Senats, die sowohl die Blockschließung als auch eine öffentliche Uferzone zwischen Botschaft und Spree forderten, beantwortete Koolhaas mit der Idee eines "kontextualisierten Solitärs".

Das Herzstück des Komplexes bildet ein würfelförmiger Baukörper mit 27 Metern Kantenlänge, der das geforderte Raumprogramm nahezu komplett in sich aufnimmt. Er steht mit seiner Gebäudekante auf der Grundstücksgrenze zum Wasser. Durch die Kompaktheit dieses Baukörpers ergibt sich westlich und nördlich ausreichend Raum, um das Gebäude stadtvillenartig frei anzuordnen und es mit seitlicher Einfahrt und umlaufendem Garten- und Empfangshof von der Nachbarschaft abzusetzen.
An deren Brandwände gestellt, bietet ein schmaler L-förmiger Randbau Platz für einhüftige Wohnnutzungen und rahmt zusammen mit dem Hauptbau einen - zum Wasser hin - offenen Hof.
Der gesamte achtgeschossige Hauptbaukörper ist von einem so genannten "Trajekt" durchzogen, das die gemeinschaftlichen Räume über alle Geschosse durch Treppen und Rampen verbindet und so einen kontinuierlichen öffentlichen Raum von der Straße bis zum begehbaren Dach erzeugt. Über diese Erschließungsfunktion hinaus hat Koolhaas dem "Trajekt" einen weiteren Zweck zugeordnet. Da das Gebäude zur Erhöhung der thermischen Masse und zur Reduzierung der Geschosshöhen keine abgehängten Decken erhalten hat, gewährleistet der Spiralweg auch die Belüftung der Räume. Auf diesem Wege zieht die Frischluft durch das gesamte Gebäude, sie kann an der doppelt verglasten Fassade wieder entweichen und wird dort durch die - einem Kamin ähnliche - Sogentwicklung nach oben gesogen.

An dieser mäandrierenden Binnenstraße, die teilweise auch aus der Kubatur hervortritt, sind die gemeinschaftlichen Funktionen angegliedert. Die Büroräume liegen in den Flächen zwischen "Trajekt" und Fassade auf versetzt angeordneten Halbgeschossen, die auch abteilungsübergreifende Servicezonen ermöglichen. Differenziert gestaltete Grundrisse führen dazu, dass trotz der angestrebten vertikalen Durchlässigkeit die einzelnen Abteilungen – Konsulat und Handelskammer auf den unteren Etagen, Botschafts- und Residenzräume in den oberen – deutlich voneinander getrennt bleiben. Eine "skybox" im fünften Obergeschoss, die zum Innenhof hervorspringt, gewährt besonderen Gästen Aussicht auf Berlins Innenstadt, sie wird vom Botschafter als Besprechungsraum benutzt.

Im Gegensatz zur im Büro- und Verwaltungsbau üblichen Trennung von Tragkonstruktion und Raumgliederung sind die tragenden Elemente hier als Wände ausgebildet, die mehrfach auch als Schrankmöbel dienen. Die stellenweise opaken, hochformatigen Glastafeln der Fassade stehen im Kontrast zur horizontal bewegten Struktur des dahinter liegenden Betongerüsts.


Die wohlbekannte Abneigung des Architekten gegenüber den Berliner Städtebau- und Architekturkonzepten hat zu einer sehr spannungsreichen Gegenüberstellung an der Spree geführt. Koolhaas baute genau die Architektur, für die sein Name seit Jahren steht: komplex, genial und trotzdem ruppig genug um sich nicht vereinnahmen zu lassen.

Grundstück

Klosterstraße 50, 10179 Berlin

Architekten

Office for Metropolitan Architectur (OMA), RotterdamRem Koolhaas, Erik Schotte, Gro Bonesmo; Ingenieure: De Weger Ingenieurs- en Architectenbureau B.V., Huygen Elwako Raadgevende Ingenieurs bv (Installationen), Ove Arup & Partners, Berlin

Bauherr

Außenministerium der Niederlande - Dienst Gebouwen Buitenland

Verfahren

nichtanonymes Architektenauswahlverfahren

Entscheidung

April 1998

Baubeginn

2000

Fertigstellung

2004

Links

Website der Botschaft
Website der Architekten