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In den Ministergärten

Der 2. Botschaftsspaziergang
Sieben Landesvertretungen auf einen Streich


Die Grundstücke der fünf neu erbauten Landesvertretungen südlich des Pariser Platzes in direkter Nachbarschaft zu dem Holocaust-Mahnmal liegen an einem historisch bedeutenden Ort. Das Gebiet entwickelte sich im Laufe des 19. Jahrhunderts zum Sitz der preußischen Administration und mit der Reichsgründung 1871 zum Regierungsviertel des Deutschen Reiches. Die beeindruckenden Villen und Gartenanlagen der verschiedene Ministerien wurden 1937 um den monumentalen Bau der nationalsozialistischen Reichskanzlei von Albert Speer an der Voßstraße erweitert. Aus der städtebaulichen Struktur ergab sich auch der heutige Name: Die Ministersitze orientierten sich zur Straße, ihre Gärten dagegen nach Westen zum Tiergarten.
Zum Ende des Krieges zusammen mit den darunter liegenden Bunkeranlagen zur Gänze zerstört, verlief hier bis in die achtziger Jahre hinein die Grenzanlagen zwischen Ost und West mit dem Todesstreifen.

Nähern Sie sich von Süden, dann gewährt Ihnen der erste Blick zugleich einen Überblick über das gesamte Areal.
Der S-Bahnhof Potsdamer Platz verfügt über einen Ausgang Richtung Voß- bzw. Ebertstraße, ebenerdig angekommen liegt der Potsdamer Platz mit seinen baulichen Höhenflügen in Ihrem Rücken, und ein Blick gen Nord-Osten lässt die fünf Häuser mit ihren sieben Landesvertretungen beeindruckend erscheinen. Im Vordergrund befinden sich die Hessen, übrigens von dieser Warte aus gesehen durchaus ein stimmiges und überzeugenden Haus.

Die hessische Vertretung fällt durch weit auskragende Volumen über gänzlich verglasten Flächen auf. Alles scheint von Luft getragen und erinnert ein wenig an den Bungalowbau der 60er Jahre. Leider bleibt das Haus von der rückwärtigen Seite aus seiner eigentlichen Straßenfassade den Versprechungen des ersten Eindruckes nicht treu: Die Auskragungen werden zu massiv und entziehen sich jeder konzeptionellen oder gar kompositorischen Grundlage.

Aber zurück zum Überblick: Rechts neben den Hessen glänzt Brandenburg im Verbund mit Mecklenburg-Vorpommern in schwarzem Granit. Edel und distinguiert lässt das Gebäude die beiden Bundesländer in einem anderen Licht erscheinen als die gewohnten Meldungen über landespolitische Etatzustände.

Im Hintergrund können Sie nun die drei anderen Gebäude schon sehen. In rotgestreifter Verkleidung sind Schleswig-Holstein und Niedersachsen zu Hause, daneben in vornehmer Zurückhaltung und leicht gebrochenem Weiß die Landesvertretung Rheinland-Pfalz und, wenn Sie jetzt in Richtung Voßstraße weitergehen, schiebt sich der an seinen vielen Quadraten gut zu erkennende Bau der Saarländer in Ihr Blickfeld.
Diese drei Häuser teilen sich einige gemeinsame Parkplätze und verwenden in Teilbereichen auch dieselben technische Anlagen im Gegensatz zu den südlich der Straße liegenden beiden anderen Landesvertretungen.
Vier derart ähnliche Nutzungen auf so engem Raum hätten jedoch noch ein viel weitergehendes Konzept der Verknüpfungen nahegelegt. Eigentlich hatten es die Schweden, Finnen, Norweger, Isländer und Dänen in der Rauchstraße schon exzellent vorgemacht, aber die Bundesländer konnten oder wollten den Nordlichtern wohl nicht folgen.

Das Saarland beeindruckt durch seine gnadenlos konzeptionelle Herangehensweise. Quadrate, wohin das Auge blickt: als Fenster, als Einschnitt, als Auskragung und natürlich für die im genauen Hinschauen Ungeübten auch als all-umfassendes Gerüst. Mit Ihrer Vermutung, es könnte sich bei den Architekten um Schüler Oswald Mathias Ungers’ handeln, liegen Sie richtig.

Rheinland-Pfalz dagegen hält sich zurück. Die schwarzen Fenstereinfassungen sind auf ein Minimum reduziert und strukturieren den nicht gerade kleinen Kubus mit Hilfe unsymmetrisch angeordneter Fassadeneinschnitte angenehm unaufgeregt.

Am uninspiriertesten erscheinen leider Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die große Halle in der Mitte verspricht zwar eine kommunikative Atmosphäre, sieht aber immer etwas überproportioniert und ungenutzt aus. Klagen über mangelhafte akustische Zustände erscheinen glaubhaft.

Dann ist der kurze Rundgang schon an seinem Ende. Nun schiebt sich der Potsdamer Platz zum ersten Mal in seiner Gänze in Ihren freien Blick, die Landesvertretungen verlieren an Größe und Bedeutung. Die eigentliche Machtverteilung im Staat zwischen Politik und Wirtschaft spiegelt sich auch architektonisch wider.

Botschaften dieses Spazierganges


Niedersachsen und Schleswig-Holstein

In den Ministergärten 8-10, 10117 Berlin

Rheinland-Pfalz

In den Ministergärten 6, 10117 Berlin

Saarland

In den Ministergärten 4, 10117 Berlin

Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern

In den Ministergärten 1-3, 10117 Berlin

Hessen

In den Ministergärten 5, 10117 Berlin