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Hiroshimastraße

Der 9. Botschaftsspaziergang
Wie die Perlen einer Kette


Der 9. Botschaftsspaziergang wird Sie auf nur 300 Metern zu sechs Botschaften und zwei Landesvertretungen führen.
So dicht gedrängt wie hier entlang der Hiroshimastraße findet sich das diplomatische Corps in ganz Berlin an keinem anderen Ort.
Diese Ansammlung von architektonischen (und politischen) Ansätzen ist nicht verwunderlich, befinden Sie sich doch im Herzen des ehemaligen und neuen Diplomatenviertels südlich der Tiergartenstraße. Trotzdem überrascht die Vielfalt der Ansätze und vor allem die Bandbreite der Resultate.

Die erste Perle der Botschaftskette wird durch ein leuchtendes Rot ausgewiesen: Die Bremer Landesvertretung am südlichen Ende der Tiergartenstraße. Sie wurde von den Berliner Architekten Leon, Wohlhage und Wernik erbaut und bietet gleich zwei bemerkenswerte Aspekte: Zum einen können Sie hier Architektur wieder einmal in Farbe genießen, und zum anderen zeigt dieses Haus seine städtebaulichen Leitgedanken so deutlich, dass es eine wahre Freude ist. Die beiden getrennten Baukörper basieren auf dem Aufeinandertreffen von Blockrandbebauung und freistehenden Stadtvillen. Ein Berliner Versuch, den Übergang zwischen zwei Stadträumen zu gestalten, der eindeutig gelungen ist.

Die zweite Perle ist noch gar nicht da. Die Portugiesen besitzen das Grundstück schräg gegenüber den Bremern und haben noch nicht angefangen zu bauen. Aber wenn Sie den Plänen für das neue Haus Glauben schenken, ist in Kürze mit einer weiteren Kostbarkeit (vielleicht dauert es auch noch etwas länger) zu rechnen.

Das Haus gegenüber der portugisischen Leere hat sicherlich schon seit Anfang des Spaziergangs immer wieder Ihre Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Es gehört den Vereinigten Arabischen Emiraten und entspricht eher einem Palast als einer Botschaft.
Tauchen Sie ruhig ein in diese Pracht. (Von dem südlichen Fußweg aus sind noch mehr Blicke auf kostbare Innenräume und herrschaftliche Außenräume zu werfen.) Aber verlieren Sie sich nicht in den konservierten Palmen und Dekorationssternen, Sie befinden sich schließlich immer noch in Berlin.

Im Anschluss an so viel demonstrativen Reichtum klärt die gläserne Haut der Landesvertretung von Nordrhein-Westfalen Ihren Blick wieder auf. Die Konstruktion lässt darauf schließen, dass Statik immer noch Spaß machen kann. Die Architekten Petzinka und Pink aus Düsseldorf haben einen Glaskubus über sichtbarem und virtuosem Holztragwerk errichtet, der sich vielleicht städtebaulich nicht als Glücksgriff erwiesen hat, aber bleibende Eindrücke hinterlässt.

Wieder zur östlichen Straßenseite gewechselt, erreichen Sie mit einem kurzen Abstecher über den Fußweg südlich der Friedrich-Ebert-Stiftung die estnische Botschaft in der Hildebrandstraße. Schon ein kurzer Blick auf die renovierte und sehr additiv entstandene Fassade vermittelt Ihnen einen Eindruck vom Diplomatenviertel vor den Abrissarbeiten der Nationalsozialisten und den Kriegsschäden.

Estland ist in engem Zusammenhang mit seinem architektonisch bemitleidenswerten Nachbarn Griechenland zu betrachten. Diese Ruine stellt den Bestand der griechischen Botschaft von 1910 dar, sie soll saniert und durch einen schon geplanten Anbau ergänzt werden. Sicher können auch noch zerfallenere Gebäude gerettet werden, aber es ist doch langsam Eile geboten.

Die beiden letzten Perlen der Straße heißen Italien und Japan. Sie wurden zur gleichen Zeit erbaut, zerbombt, wiederhergestellt und ergänzt. Sie stehen für die Ideologie ihrer Entstehungszeit und sind doch unterschiedlicher in ihrer modernen Interpretation kaum denkbar. Italien hat Kriegsschäden konserviert und Ruinen im Hof so malerisch angeordnet, dass nun die repräsentativen Veranstaltungen ästhetisch bereichert abgehhalten werden können. Zusammen mit der altrosa Originalfarbe ist ein ruhiger, geradezu gelassener Ort entstanden, der Freiräume für historische Betrachtungen lässt.

Im Gegensatz dazu hat Japan saniert, rekonstruiert und ergänzt. Das Hauptgebäude wurde fast vollständig abgerissen und später als Kopie wieder neu errichtet. Entstanden sind mehrere moderne Volumen in direktem Zusammenhang mit den historischen Bauten. Die architektonischen Zeitzeugen wurden aneinander gereiht und treten unmittelbar in Kontakt zueinander. Alle Element sprechen eine sehr gediegene und auch ein wenig schwere Sprache. Die gedanklichen Freiräume sind viel enger gesteckt als bei der italienischen Botschaft. Vielleicht könnte ein Blick in den japanischen Garten im Grundstücksinneren die Schwere in eine kontemplative Atmosphäre verwandeln, aber der bleibt leider verwehrt.

Die aufgereihten Perlen an der Hiroshimastraße lassen sich mühelos durch die städtebaulichen Schätze an der Tiergartenstraße aus dem 7. Botschaftsspaziergang (Diplomatenviertel) ergänzen.
Aber vielleicht haben Sie auch erst einmal genug von der Pracht - und dem Protz - und verschwinden für eine Weile zum Ausspannen im Tiergarten.