03.06.2011

Der unheimliche Pavillon

Mike Nelson inszeniert den britischen Beitrag.

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Wer interessant erscheinen will, sollte sich möglichst rar machen – wieder einmal bewahrheitet sich dieser Satz. Diesmal am britischen Pavillon, der in diesem Jahr von dem vom British Council ausgewählten Künstler Mike Nelson bespielt wird. Immer nur maximal vierzig Besucher dürfen sich gleichzeitig im Inneren aufhalten.

Kein Wunder also, dass als Punkt 10 Uhr die Eingänge der Giardini geöffnet werden, ein Sturm und Gerenne zum englischen Pavillon beginnt. Wenig später reicht die Schlange schon fast bis zurück zu den Einlasstoren.

Nach einer Stunde haben wir es geschafft und dürfen endlich mit anderen Glücklichen den Pavillon betreten. Das Warten hat sich gelohnt. Uns empfängt eine labyrinthartige Raumstruktur, die sich dem Besucher auch nach mehrmaligem Durchwandern ratlos und etwas deprimiert zurücklässt.

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Man betritt den Pavillon durch mehrere enge Flure, die Wände weiß verkalkt. Größere, zum Teil so niedrige Räume, die ein aufrechtes Gehen kaum zulassen, schließen sich an.
Überall liegen Hinterlassenschaften von fiktiven Bewohnern, die ihre Behausungen anscheinend fluchtartig verlassen mussten. Zigarettenstummel scheinen gerade erst weggeworfen zu sein.

Uns kommen sofort Bilder von heruntergekommenen, verstaubten Städten und Dörfern in Afghanistan oder Bagdad in den Sinn. Eine Nachfrage beim freundlichen Mitarbeiter des British Council (die überall herum stehen, um die strapazierten Biennale-Besucher davor zu schützen ihre Köpfe an den niedrigen Decken zu stossen) klärt auf: Mike Nelson hat mehrere Jahre in Istanbul gelebt und macht diese Stadt in seinem Pavillon zum Thema.

Aus alten, zum Abriss vorgesehenen Häusern in Istanbul hat er Baumaterialien, Möbel, Werkzeuge nach Venedig bringen lassen und damit den gesamten Innenraum des Pavillons neu zusammengesetzt und wieder aufgebaut. Die Frage, die sich stellen soll, heißt: Was passiert mit unserem Kulturgut? Wie gehen wir mit alten Strukturen, Häusern, kulturellen Überlieferungen um?

Beklemmende Bilder, die weit mehr Assoziationen aufrufen als die Stadt am Bosporus. Beeindruckt aber auch etwas ratlos verlassen wir den Pavillon. Die Schlange ist inzwischen noch 100 Meter länger.