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07.06.2011
Exkurs Kino: Die Filmcollage „The Clock“
24 Stunden in Echtzeit durch die Kinogeschichte
Dass ausgerechnet eine Filminstallation den bleibendsten Eindruck hinterlässt, erinnert ein wenig an die Architekturbiennale von 2008: Damals hatten Diller, Scofidio + Renfro mehrere um die Welt verteilte Venedigs (darunter Las Vegas oder Macao) in einer Bild-/Ton-Collage zusammenmontiert und das Publikum ebenso irritiert wie begeistert.
Der Ansatz von Christian Marclay ist ähnlich, sprengt aber alle Dimensionen: Seine exakt 24 Stunden dauernde Filmschleife ist aus tausenden von Filmszenen aller Jahrzehnte kompiliert. Allesamt Szenen, in denen die Zeit, der Blick auf die Uhr, im Mittelpunkt steht.
Der Zuschauer erlebt die Zeit auf der Leinwand auf die Sekunde synchron zur jeweiligen Tageszeit, was „The Clock“ zu einer filmischen Meta-Uhr werden lässt. Als Inszenierung von absoluter Zeit. Ein Jahrhundert Filmgeschichte steht Marclay für sein atemberaubendes Experiment zur Verfügung und er nutzt es virtuos: Alle paar Sekunden überbrücken „match cuts" die Jahrzehnte und katapultieren den Zuschauer durch Zeit und Ort, von Szene zu Szene: London, Paris, Berlin, Tokyo, Wüste. Bahnhof, Hotelbett, Leichenhalle, Polizeirevier.
Wer länger als drei Minuten zusieht, ist gefangen und fasziniert von der Vielzahl an Szenen: Billy Wilder, Chaplin, Clouzot, DEFA, Harry Potter; Matthau, Niven, Matt Damon, Lola, Amélie.
Man kann problemlos Stunden auf den zehn weißen Sofas zubringen. Besonderen Spaß bringen jeweils die vollen Stunden, wenn alle Kirchtürme der Filmwelt - und immer wieder Big Ben - zum Geläute laden. In London, wo die Filmschleife bereits im November 2010 zu sehen war, sollen sich zu jeder Tageszeit Trauben um die Galerieräume gebildet haben. In der Szene gilt Marclay mit seinen verwegenen Schallplatten-Ton-Montagen schon längst als Genius.
„The Clock“ beweist eindrucksvoll, dass er mit Bildern gleichermaßen virtuos umgehen kann und ist in jedem Fall ein Grund mehr, in den nächsten Wochen nach Venedig zu reisen. We love it!
Ausschnitt: 3 Minuten (12:04 bis 12:07 Uhr)
Sehr empfehlenswert:
Künstlerporträt über Christian Marclay auf youtube (06:00 Min)