Crystal Talk
Text: Oliver HerwigFotos: Florian Holzherr

Profil


Profil Allmann Sattler Wappner

VIRTUOS LAPIDAR.
ZWISCHEN HOCH- UND SATZBAU: DAS MÜNCHNER BÜRO ALLMANN SATTLER WAPPNER



Markus Allmann setzt sich an den weißen Besprechungstisch. Ein groß gewachsener Mann in Jeans und weißem Rollkragenpullover. Kaffee?, fragt die Assistentin. Nein, lieber Wasser. Dann schlägt er ein Bein übers andere und lehnt sich weit zurück. Allmann holt aus. Da sei ein Projekt in Kuwait, erzählt er, eine ziemliche Herausforderung. Leider könne er nicht viel darüber sagen. Noch nicht. Allmann arbeitet wie ein Turbo, er braucht sich nicht warm zu reden, er formuliert frei und druckreif. Zieht es ihn eigentlich an den Persischen Golf oder nach China, ins Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Allmann verneint. Und doch: "Es gibt keine Restriktionen", sagt er, darin bestehe ein gewisses Potential. "Man denke nur an die CCTV von Koolhaas, das wäre in Europa nicht denkbar." Koolhaas ist so etwas wie die Messlatte der drei Münchner Architekten, eine Orbitalstation im Universum der Architektur, die sie immer wieder anpeilen. Da huscht ein Lächeln über Allmanns Gesicht. Immer, wenn sie gegen OMA angetreten wären, hätten sie gewonnen. Stolz schwingt dabei mit, aber keine Überheblichkeit. Wahrscheinlich habe sich Koolhaas nicht auf das Projekt konzentriert, lenkt Allmann ein. Das Projekt, über das er nicht reden könne. Aber Reden, das wird deutlich, ist eine Facette moderner Architektur, die virtuos zwischen Hoch- und Satzbau wechseln muss, will sie erfolgreich sein. Erfolgreich wie zum Beispiel das Münchner Büro Allmann Sattler Wappner.

Allmann zeigt auf das Modell in der Mitte des Tisches. Das Haus der Gegenwart entstand nach den strengen Vorgaben des SZ-Magazins. Ein Wettbewerb um die besten Konzepte fürs Wohnen mit Zukunft: vier Personen, 500 Quadratmeter Grundfläche, 200 Quadratmeter Haus und 250.000 Euro Baukosten. Das Modell hat schon bessere Tage gesehen, an der Seite wellt sich die Aluminiumverkleidung, das Obergeschoss wackelt. Draußen in München-Riem steht es in Originalgröße, ein Experimentalhaus, in dem mehr Ideen stecken als in vielen vergleichbaren Projekten. Die Schlafzimmer liegen unten, im Grün des labyrinthischen Gartens, Speise- und Sozialzimmer dafür im ersten Stock. Das ist die Stärke der Münchner: Alles auf den Kopf zu stellen und so lange nach Lösungen zu suchen, bis sie den CAD-Rechner anwerfen, den Zollstock auspacken und die HOAI. Wenn Architektur wirklich eine Lösung darstellt, wie Raum und Gesellschaft am besten zueinander finden, haben die Münchner die richtige Denkfabrik dafür.


Seit 19 Jahren besteht das Büro Allmann Sattler, 1993 komplettierte Ludwig Wappner das Team Markus Allmann und Amandus Sattler. Alle drei haben an der TU München studiert, alle sind heute Ende Vierzig. Mit dem Schulzentrum in Flöha wurden sie Mitte der 90er Jahre schlagartig bekannt. 1997 gab es nach vielen "lobenden Anerkennungen" den Deutschen Architekturpreis für das Ensemble. Nun ging es Schlag auf Schlag. Wettbewerbsgewinne über Wettbewerbsgewinne, die Maschine Allmann Sattler Wappner lief auf Hochtouren. Und wiederholte sich nicht. Sie arbeiten zwar in Typologien, bis das Potential einer Lösung ausgeschöpft ist, die Arbeit vor Ort bleibt spezifisch. 1996 folgte der Realisierungswettbewerb um die Herz Jesu Kirche in München-Neuhausen, nur wenige Gehminuten vom Büro entfernt, und wieder schoben sie einen Prototyp an, die Kirche des 21. Jahrhunderts, vom liturgischen Konzept konservativ, in der Ausführung avantgardistisch. Kein Wunder, dass der Pfarrer stolz von einem Rennwagen unter den Kirchen sprach. Das Gotteshaus als Mobilie, eine geradezu absurd-verlockende Vorstellung. Ein Experiment über Fassaden, Hüllen und das rechte Licht.


Letztes Jahr haben Allmann Sattler Wappner ihr altes Büro verlassen, einen Fuchsbau aus Kammern, Kojen und Besprechungsräumen im Rückgebäude und zogen in eine von ihnen selbst umgebaute Fabrik an der Nymphenburger Straße. Satte Fläche auf zwei Etagen, auf der sich die Architekten nun mehr als geplant ausbreiten können, denn das Büro hat eine Schrumpfkur hinter sich. Heute arbeiteten sie wie eine Agentur, sagt Allmann, flexibel auf den aktuellen Bedarf angepasst. Zu viele gewonnene, aber nie realisierte Wettbewerbe belasten. Rund 90 Prozent ihrer Arbeiten stammen aus gewonnenen Ausschreibungen.

Und einige Aufträge ließen auf sich warten. Modelle setzen seit Jahren Staub an, erste Preise wie das Mobile Evolution Center in Bremen von 2003, oder für das Verwaltungsgebäude der Loewe AG in Kronach vom Oktober 2002. Computeranimation zeigen, wie sich die Bauten auffalten, die virtuelle Kamera umkreist das, was einmal Stahl, Glas und Beton werden soll. Dennoch. Allmann Sattler Wappner ist wieder da, mit neuen Projekten und neuer Struktur. Unverdrossen setzt sich Ludwig Wappner zudem als ehrenamtlicher Landeswettbewerbsausschussvorsitzender (!) Bayern für mehr Ausschreibungen öffentlicher Bauaufgaben ein.

Wettbewerb muss sein. Er hat sie groß gemacht. Das Neue heißt immer auch Altes in Frage stellen. Einige ihrer Gebäude seien stillos, kritisierte mal ein Kollege. "Das war mit das Schönste, was je über unsere Gebäude gesagt wurde", antwortete Allmann. Bauen bedeutet für Allmann Sattler Wappner keine Automatik, Bauen hat viel mit Selbstzweifel zu tun, der zu Innovationen führt. Das ist aufwendig. Einen kleinen Teil davon spürt auch der Besucher. Wer im Internet nach ihnen sucht, wird nicht auf ein modisches Kürzel ASW stoßen, man muss lang und vollständig eingeben: www.allmannsattlerwappner.de. Das hat nichts mit altmodischem Standesbewusstsein zu tun, das hat Stil. Eine charakteristische Handschrift, die die drei Gestalter sonst so gerne verweigern.