Crystal Talk
Text: J. Tabor, A. SoucekFotos: G. Hagen, H. Hurnaus, L. Rastl, M. Seidl, M. Spiluttini, R. Steiner

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Profil Rashid
querkraft

Zahlreich sind die Architektengruppen bzw. Büros in Wien, die einen hübschen Namen tragen und manchmal auch recht erfolgreich geworden sind: eisvogel., caramel, t-hoch-n, pool, the next ENTERprise, BWM, propeller z, AllesWirdGut, Bittersüss, 000y0 Architekten, feld72, silberpfeil... So ein auffälliger Gruppenname hat viele Vorteile. Man braucht nicht sämtliche Nachnamen der Mitglieder aufzählen, die sich ohnehin keiner merken kann, auch kein Auftraggeber, und es entsteht der Eindruck einer unverbrauchten Jugend, einer permanenten Jungarchitektenfrische.

Zu den erfolgreichsten Büros und zu jenen mit dem schönsten Namen zählt die Gruppe querkraft. Seit 1998 gibt es die querkaftler. Vier junge Absolventen der Technischen Universität in Wien beschlossen damals zusammenzuarbeiten. Damals waren diese Wiener Gruppennamengruppen noch keine Massenerscheinung – mit propeller z architekten gehörte querkraft zu den ersten. Sehr wohl gab es in dieser Hinsicht aber eine österreichische Tradition, die mittlerweile ruhmreich ist: Haus- Rucker-Co, Salz der Erde, Coop Himmelb(l)au, missing link oder ZÜND-UP hießen Jungarchitektengruppen in den 1960er und Anfang der 70er Jahre – alle haben es zu irgendeinem Ruhm gebracht, fast alle sind Professoren geworden und die meisten sind auch heute noch als tätige Architekten weiterhin interessant, wenn auch nicht mehr utopisch.

Die neuen Gruppen interessiert das Utopiemachen nicht mehr so sehr, sie haben es irgendwie im Hinterkopf. Vor allem wollen sie bauen – allerdings nicht um jeden Preis. Sie wollen so bauen, dass etwas von der Utopie im Hinterkopf sichtbar wird: Architektur als Poesie, als Spaß und als humane Aufgabe. Wer einen guten Bau – und gut bedeutet interessant im Konzept und Detail – in die Welt gesetzt hat, der hat diese ein wenig verbessert. Insofern unterscheiden sich querkraft nicht von anderen Architekten der Wiener Szene. Unbestreitbar aber haben die drei Architekten mit ihren Mitarbeitern den kraftvollsten Namen von allen Wiener Büros. Wer kann da widerstehen: kraft, das heißt jung, stark, verlässlich, ausdauernd, ideenreich... quer: konstruktiv, durchsetzungsfähig, crossover, unkonventionell, gegebenenfalls rebellisch, keineswegs aber stur oder unflexibel.



querkraft

querkraft, das sind Jakob Dunkl, Gerd Erhartt und Peter Sapp. Bis 2004 war noch Gründungsmitglied Michael Zinner dabei, der nach Linz gegangen ist, um sich dort an der Kunstuniversität der Ausbildung von Architekten zu widmen. Auch Peter Sapp unterrichtet, an der Akademie der Bildenden Künste München hat er den Lehrstuhl für Raumgestaltung inne. Einen wichtigen Einfluss auf die querkraft Architekten hatte Helmut Richter, der unlängst von Peter Cook in einem Vortrag als der beste Gegenwartsarchitekt in Österreich bezeichnet wurde. Geschätzt wird Richter, bei dem sie studierten und in dessen Büro sie arbeiteten, für innovative Lösungen, die von der Konstruktion ausgehen. Das Konstruktive setzt Richter ästhetisch ein, wobei die Wirksamkeit dieser Ästhetik durch die Wahl der ungewöhnlichen Materialien unterstrichen wird. Dazu gehören sogenannte banale, architekturfremde Materialien wie LKW-Planen, Schalungsbretter, Drahtgitter und Wellblech. Querkraft werden nicht müde zu beteuern, wie sehr sie Richter schätzen und wie viel sie von ihm gelernt haben.


Durch eine Richter-gerechte Herangehensweise konnten die querkraftler erstmals mit der Sonnenbesegelung eines Schanigartens in Wien auf sich aufmerksam machen: Segelstoff wurde konstruktiv geschickt eingesetzt – die Lösung war nicht nur effizient, sondern auch preiswert. Die Verwendung von Segelbootvorrichtungen ist später zur Mode geworden, und Mode ist die Sache der querkraftler nicht. Sie suchen und sie finden individuelle Lösungen. Sie streben keine wiedererkennbare Handschrift, kein eigenes Image an, es sei denn das einer Gelassenheit sowohl in der Arbeitsweise als auch in welcher Sprache ihre Bauten ausfallen. Gelassenheit regierte zu Beginn der Laufbahn auch in Bezug auf die Baukosten, allerdings nicht nach oben, sondern umgekehrt: nach unten. Je knapper bemessen das Baubudget, desto leichter – schien es – tun sie sich. Man merkt den Bauwerken an, dass sie mit wenig Geld hergestellt werden mussten, nie aber sehen sie billig aus. Eher im Gegenteil: recht aufwändig, und zwar mit viel Denk-Aufwand in der Konzeptions- und Entwurfsphase. Dies lassen die fertigen Bauwerke ebenso erahnen wie die langen gemeinsamen Diskussionen, die den endgültigen Entwürfen voran gegangen sind. Am Anfang ist das Entwerfen ein verbaler Prozess – anstelle einer demokratischen Lösungsfindung wird bei querkraft so lange diskutiert, bis alle einverstanden sind.


Öffentlich bekannt wurden querkraft mit der temporäreren Gestaltung einer künftigen Großbaustelle, nämlich dem zum MuseumsQuartier adaptierten Messepalast in Wien. Die Aufgabe war, mittels einer Fassadengestaltung auf das kommende Ereignis aufmerksam zu machen: Ein barockes Baudenkmal, die einstigen kaiserlichen Stallungen, sollte in ein modernes Kulturzentrum verwandelt werden. In Wien, wo man, vor allem Stadtplaner und Kommunalpolitiker, am furchtbaren Horror Vacui des 19. Jahrhunderts leidet und alles dicht verbuscht werden muss in der Irrmeinung es sei Natur und schön, warteten querkraft mit einer Gegenstrategie auf. Sie ließen sämtliches Gebüsch und Bäumchenzeugs vom Vorplatz des künftigen MuseumsQuartiers entfernen. Die befreiten Flächen wurden mit vielen Laufmetern Baugerüst-Netz bestückt. Die Installation sah aus wie senkrecht zur Fassade stehende farbige Tennisnetze. Es war ungewöhnlich und nicht zu übersehen, und damit unübersehbar waren damit auch der Witz und das Talent von querkraft.

Im MuseumsQuartier gestalteten querkraft zwei Jahre später, 2001, die auf Kunst und Architektur spezialisierte Buchhandlung Prachner. Den barocken Raum adaptierten sie zu einer großzügigen Lesearena. Es folgten größere Aufträge wie etwa das Büround Betriebsgebäude der Firma Trevision im Burgenland, ein Einfamilienhaus aus Holz für 200.000 Euro, ein Doppelgebäude an einem Steilhang in Klosterneuburg oder die Bebauung einer kleinen Baulücke mit einem Wohnhaus. Zu den jüngsten querkraft-Projekten gehört die Gestaltung des Römermuseums in Wien und das Adi Dassler Brand Center Herzogenaurach in Deutschland. Sowie der letzte Coup, das Museum Liaunig in Kärnten. Das Bauwerk zählt zu den besten Museumsneubauten in Europa. Es bereichert eine wunderschöne Hügellandschaft – ein seltener Fall.


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