Crystal Talk
Text: Katrin VoermanekFotos: David Franck, Torsten Seidel, Torchondo

Profil

Profil jmayerh


Das Büro J. MAYER H. Architekten ist an einem spannenden Punkt angekommen: Vor zehn Jahren noch ein Berliner „Ein-Mann-Unternehmen“, beschäftigt es heute 17 Mitarbeiter. Die Liste realisierter Hochbauprojekte war bisher ausgesprochen kurz – im Gegensatz zu den dokumentierten Kunstprojekten, Installationen, Designobjekten, Preisen und Veröffentlichungen. Als einzige gebaute Referenz gab es bislang das 2001 eröffnete Stadthaus in Ostfildern bei Stuttgart. So blieb Jürgen Mayer H. (Geburtsjahrgang 1965 und damit nach üblicher Lesart ohnehin noch lange ein „junger Architekt“) über Jahre hinweg ein viel versprechender Newcomer und Hoffnungsträger. Er wurde immer bekannter – aber sich wirklich zu beweisen, ein zweites Mal nach dem Stadthaus, das hatte er noch vor sich.


„One-Hit-Wonder“ gibt es nicht nur in der Musikbranche, sondern auch in der Architektur. Würden die Raumideen und die eigenwillige Formensprache, die man als Renderings aus Veröffentlichungen und durch Wettbewerbserfolge kannte, der Realität standhalten? Würden sie den Schritt in die Dreidimensionalität schaffen und sich in gute Architektur übersetzen lassen? Was, wenn nach dem preisdekorierten Erstling nichts mehr kommt?




Die Latte lag hoch. Und nach der Eröffnung der Mensa in Karlsruhe in diesem Frühjahr steht nun fest, dass die Erfolgsgeschichte weitergeht. Das Haus – wie auch das Stadthaus ein Auftrag nach Wettbewerbsbeginn – ist bereits zigmal veröffentlicht, wobei es in der Fachwelt durchaus kontrovers diskutiert wird. Nicht jeder findet alles gut an diesem Projekt, mal erregen die Details, mal die seltsame Farbe, mal das Materialkonzept Anstoß. Aber dass es ein beachtlicher Architekturbeitrag ist, ein Statement, über das sich das Diskutieren auch lohnt, das steht außer Frage. Einen ersten Holzbaupreis gab es auch schon für die innovative Konstruktion, es wird nicht der letzte gewesen sein. Und das MoMA in New York hat ein Konzeptmodell in seine Sammlung aufgenommen.

Der gelungene Mensa-„Zweitling“ allein würde 2007 also schon zu einem besonderen Jahr für Jürgen Mayer H. machen. Es kommen nun aber auf einen Schlag noch fünf weitere fertige Projekte hinzu: die Erweiterung von „Danfoss Universe“, einem Naturwissenschafts- und Technikerlebnispark in Nordborg / Dänemark, ein großes Bürogebäude für Cogiton an der Alster in Hamburg, eine Villa in der Nähe von Stuttgart sowie ein Penthouse in Berlin-Mitte, jeweils für private Bauherren, und schließlich noch der Umbau der Galerie Kicken in Berlin. Es stellen sich also noch mehr erbrachte Architektur-Beweise der Kritik, und damit ist die Zeit des Neulings-Status endgültig vorbei.


Spaß am Bauen scheint für Jürgen Mayer H. stets auch etwas mit „Spaß am Bau- herren“ zu tun zu haben. Jedenfalls kommt er auffallend oft auf das persönliche Verhältnis zwischen Architekt und Bauherrn zu sprechen und darauf, wie wichtig es ist, dass man sich versteht, dass es eine gemeinsame Basis gibt, ein ähnliches Interesse am Potenzial eines Projekts. Was er sich wünscht, ist die Bereitschaft, Architektur als Abenteuer zu begreifen. Wenn darüber Einigkeit besteht und die Chemie stimmt, dann gibt es kein Halten mehr:„Ich nehme jede Bauaufgabe an, wenn die Bauherrschaft die richtige ist“.

Mal sehen, was sich im Gespräch noch alles erfahren lässt über diesen Architekten mit Mut zum Muster. Wie schafft er den Spagat zwischen Kunst und Baukunst, zwischen Möbeldesign und Architekturlehre? Während gerade die neuen Häuser fertig werden, entstehen parallel sowohl neue Bisazza-Objekte als auch Editionsmöbel für Vitra, die im Juni dieses Jahres vorgestellt werden. Und nebenbei ist Mayer H. auch noch Gastprofessor an der angesehenen Columbia University in New York.



Was lässt er sich entlocken – außer professioneller Bewunderung für das Ensemble der Berliner Gedächtniskirche in Berlin ebenso wie für Erich Mendelsohns Kaufhaus Schocken (das ihn, wie er sagt, zur Architektur verführt hat)? Tadao Andos Grundrisse hat er in jungen Jahren so lange studiert, bis er sie auswendig konnte. Das passt noch halbwegs ins Bild. Dass er einräumt, ein „kleines Faible“ für Mario Botta zu haben, mutet unter jüngeren Architekten und Anhängern weicher Blubber-Formen dagegen eher exotisch an. Aber wir haben es bei Jürgen Mayer H. mit einem Trendsetter zu tun, also merken wir uns das lieber mal. Und wundern uns nicht, wenn gerade das Frühwerk des Tessiner Meisters geometrischer Strenge und gestreiften Mauer- werks demnächst an unerwarteter Stelle wieder zitiert und gewürdigt wird.