Crystal Talk
Text: Oliver ElserFotos: Paul Ott

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Profil Innocad


ACHTUNG AUSTRIA!
DIE JUNGE ARCHITEKTENSZENE IN ÖSTERREICH


Namen, diese Namen! Als Mitte der 1990er Jahre eine junge Generation von Architekturbüros sich auf den Weg machte um die Peichls, Holleins und Holzbauers zu verdrängen, da brach eine Lawine seltsamer Gruppennamen los: The Poor Boys Enterprise, SPLITTERWERK und propeller z gingen als Erste an den Start, gefolgt von querkraft, AllesWirdGut, L.O.V.E., pool, Caramel, feld72 und Innocad. Bei den aktuellen Bürogründungen wird es immer skurriler: Heri&Salli, raumhochrosen, morgenbau, hobby a, gaupenraub, noncon:form, SOFA, oder archiguards heißen die Gruppierungen.

Wer da an Pop-Bands denkt, liegt richtig. Denn viele der "Jungs" haben zuerst mit Partys und Aktionen Aufmerksamkeit erregt. Das hat Tradition: Auch Coop Himmelblau und Haus-Rucker-Co (später Ortner & Ortner, sowie Zamp Kelp) haben mit Happenings begonnen. Doch während es bei ihnen gut ein Jahrzehnt gedauert hat, bis sie die Kunstszene gegen das harte Baugeschäft eintauschen konnten, schafft die heutige Generation viel schneller den Sprung in die Welt der Statik und Detailplanung. Liegt es an der vergleichsweise guten Wirtschaftslage oder daran, dass sie alle sich viel realistischere Ziele gesetzt haben als die Superhelden der 68er-Generation?

Beides ist der Fall. Und noch ein Faktor kommt hinzu: Österreich ist ein kleines Land. Das hat auch in den Niederlanden und der Schweiz das Entstehen einer dichten, eng vernetzten Architekturszene begünstigt. Der Holzbau-Boom in Vorarlberg konnte ebenfalls nur in einem Soziotop seinen Anfang nehmen, wo jeder jeden kannte. Damals lösten die ins "Ländle" zurückgekehrten Schüler von Roland Rainer, der Lichtfigur der österreichischen Nachkriegsmoderne, die entscheidenden Impuls aus. Heute ist es eher umgekehrt. Aus allen Landesteilen "übersiedeln" junge Leute zum Studium nach Wien und bleiben dort, wo die Dichte an Hochschulen und anderen Institutionen genauso hoch wie das übrige kulturelle Hintergrundrauschen, dass für die meisten von ihnen der Nährboden ihrer Arbeit ist. Die Baustellen aber sind über das ganze Land verstreut: Wer etwa ein Gebäude von AllesWirdGut sehen will, der wird in Südtirol und Tirol fündig, die Boygroup selbst aber betreibt das Büro in Wien.




Doch was macht den Zusammenschluss als Gruppe so viel attraktiver, als mit dem eigenen Namen die eigene Architektur zu signieren? Bei SPLITTERWERK, die mit ihren als "Laubfrosch" betitelten Gebäuden derzeit in die internationalen Magazine vorstoßen (domus, a+u), gibt es sogar eine Art "Bilderverbot" für die Gruppenmitglieder. Das Kollektiv bleibt namenlos, tritt hinter ein verwaschenes Foto zurück und stellt einzig und allein das gebaute Werk in den Vordergrund. So strikt sind längst nicht alle der jungen Architektengruppen, aber gemeinsam ist ihnen doch die Skepsis gegenüber den "Künstlerarchitekten" wie Hans Hollein, Gustav Peichl, Günther Domenig und Wilhelm Holzbauer, die lange die österreichische Szene dominiert haben.

Auffallend oft ist in Gesprächen mit den "Jungen" (Mädchen sind in den Gruppen eher unterrepräsentiert) zu hören, dass es nicht mehr darum geht, auf Kosten des Bauherrn die eigenen Vorstellungen durchzusetzen, sondern gemeinsam zu einer, oft kostengünstigen, Lösung zu kommen. Kein Zufall, dass deshalb Einfamilienhäuser mit niedrigen Budgets häufig die ersten Aufträge sind. Nicht allein deswegen, weil das der klassische Weg ist, sich nach oben zu arbeiten. Viele der Gruppen engagieren sich in einer Interessenvertretung, der ig-architektur, die auf eigene Initiative und vorbei an den als langsam und träge geltenden Verbänden und Architektenkammern aktive Lobbyarbeit betreibt. Dazu zählt eben auch, sich mit den meist belächelten "Häuselbauern" einzulassen und auf den Eigenheimmessen für bessere Architektur zu werben.





Natürlich kann selbst in Österreich kein Architekturbüro davon leben, ausschließlich Privathäuser zu bauen. Das Wettbewerbswesen ist hoch entwickelt und wird gerade von Seiten der jungen Büros und ihrer Interessenvertretung, jener ig-architektur, mit Argusaugen überwacht. Doch viele der herausragendsten Bauten der vergangenen Jahre sind weder auf öffentliche Ausschreibungen zurückzuführen, noch handelt es sind dabei um Einfamilienhäuser. Kleinere oder mittlere Unternehmen sind auffallend häufig bereit, in gute Architektur zu investieren. Auch hier zeigt sich ein Generationenwechsel, denn Bauherr und Architekten sind meist gleichaltrig. Um nur einige Beispiele zu nennen: Die eigenwillige Kombination von Schlosserei und Bar in Trumau von pool , der VIT-Showroom von querkraft oder etliche der unlängst in einer Ausstellung im Wiener Architekturzentrum gewürdigten neuen Weingüter.

Aus dieser äußerst vitalen Szene ein Büro herauszugreifen fällt nicht leicht. Die Wahl fiel auf Innocad aus Graz, die nicht allein als Architekten (und gelegentlich als DJs) tätig sind, sondern auch als Projektentwickler arbeiten und vor kurzem das "Golden Nugget" fertig gestellt haben - ein Gebäude, bei dem sie selbst die Bauherrenrolle übernommen haben.

Bei dem Treffen mit den vier Partnern von Innocad (alle sind Jahrgang 1972) wurden die verschiedenen Besprechungszonen im Golden Nugget getestet: Das Konferenzzimmer, der unterirdische Rückzugsraum mit den freigelegten Bruchsteinmauern, die goldenen Stehpulte, denen das Innocad-Logo entnommen ist und die Flokati-Lounge mit einem Siebdruck von Warhols Marilyn Monroe. Im Hintergrund puckerten stets mp3s von der iPod-Festplatte über die Lautsprecher.

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Links
www.thenextenterprise.at / splitterwerk.at / www.propellerz.at /
www.querkraft.at / www.alleswirdgut.cc / www.love-home.com /
pool.helma.at / www.caramel.at / www.feld72.at / www.innocad.at /
www.heriundsalli.com / www.raumhochrosen.com / www.morgenbau.net /
www.hobby-a.at / www.gaupenraub.net / www.nonconform.at /
www.sofa-architekten.com / www.archiguards.at