Crystal Talk
Text: Jochen PaulFotos: Wolf Kern, Florian Holzherr, room4b

Profil

Profil bogevischs büro


München-Isarvorstadt: Weder Schlachthof noch Südbahnhof oder Großmarkthalle konnten den Aufschwung des einstigen Glasscherben-Viertels zum Bohème-Quartier aufhalten. Heute sind die Fassaden frisch verputzt, der Stuck ist saniert, und die Karawane der Projektentwickler mittlerweile weitergezogen ins Westend und an die Schwanthalerhöhe. Zwischen den automobilen Symbolen eines beschaulichen Wohlstands parkt ab und an ein Citroën DS Break, ein Saab Cabrio, ein Volvo Amazon und ein Mercedes 280/8 CE Coupé, in den Eckhäusern zwischen Thalkirchner- und Isartalstraße haben sich zahlreiche Bars, Bistros und Cafés angesiedelt.

Szenenwechsel: Dreimühlenstraße 19, schräg gegenüber. Hat man die schmale Hofeinfahrt passiert, ist es schlagartig aus mit dem gepflegtem Münchner Szeneviertel- Chic: Linker Hand eine übermannshohe Mauer, blickt man am gegenüberliegenden Ende des asphaltierten Innenhofs auf einen graubraunen Gewerbebau, der Putz blättert über alle drei Geschosse. Parkende Autos vor einem altertümlichen hölzernen Fahrradunterstand, zwei Waschtröge, ein Bretterverschlag für die Mülltonnen, dahinter Wohnungen mit rostigen Eisenbalkonen. Willkommen bei bogevischs buero.


Vor drei Jahren allenfalls im kleinen Kreis bekannt, belegt das Büro mit dem befremdlichen Namen inzwischen einen festen Platz unter den Top 100 im aktuellen BauNetz- Ranking, gleichauf mit Kollhoff, Gatermann Schossig oder Mäckler. Vergleichbar kometenhafte Aufstiege kannte man bisher eigentlich nur von den jungen Österreichern.

Das erste Projekt Ende 2000: ein achtgeschossiges Dienstleistungszentrum in exponierter Lage in der Stuttgarter Innenstadt, knapp 20.000 Quadratmeter Nutzfläche und 20 Millionen Euro Bausumme. Nicht schlecht für ein Büro, das offiziell zwar seit vier Jahren bestand, bis dato aber nur als Briefkastenfirma existierte, weil Rainer Hofmann und Ritz Ritzer ihr Geld bei anderen Architekten verdienten. Unter dem Kunstnamen bogevischs buero firmierten die beiden ausschließlich für die Teilnahme an Wettbewerben.

Danach ging es Schlag auf Schlag: Der nächste Wettbewerb bescherte einen Auftrag über 545 Studentenwohnungen auf der Panzerwiese, einem ehemaligen Militärgelände in München-Hasenbergl. Und während Horden Cherry Lee, Hofmanns ehemaliger Arbeitgeber in London, einen 18 Kubikmeter großen Wohnwürfel namens "micro compact home" für das Münchener Studentenwerk entwickelt, planen Hofmann und Ritzer für den selben Bauherren einen 250 Meter langen Riegel, dreigeschossig und 18 Meter breit, mit fünf dazwischen liegenden Wohntürmen.




Ihr jüngstes Projekt, ebenfalls für das Studentenwerk München, ist eine Arbeitsgemeinschaft mit dem fast neunzigjährigen Prof. Werner Wirsing: Dessen berühmtes "Frauendorf" der olympischen Spiele 1972 soll komplett abgerissen werden und anschließend wieder neu entstehen. Eine Sanierung wäre zu kostspielig. Fünf Bauabschnitte, 1.052 Apartments, Fertigstellung 2010.


Grund genug für einen Besuch in der Dreimühlenstraße 19. bogevischs buero betritt man über ein in die Jahre gekommenes "Münchner" Treppenhaus an der Stirnseite. Innen dann der Bruch: gekalkte Ziegelmauern, an der Längsseite fordert ein bestimmt zehn Meter langer Tisch in Ochsenblutrot Aufmerksamkeit, gegenüber ein kleiner Besprechungsraum, abgeteilt von einer raumhohen Schiebetür. Innen anthrazitgraue Regalreihen im Wechsel mit Eiermann-Tischgestellen, Artemide-Leuchten und Flatscreens in weiß. Wenn das Nachmittagslicht durch die fünf großen Stahlrahmenfenster hereinfällt, wirkt der abgeschliffene Industriebetonfußboden fast wie Terrazzo...