Crystal Talk
Text: Friederike MeyerFotos: Christoph Reichelt, Petra Steiner, Inga Paas

Interview

Interview knerer

Frau Lang, Herr Knerer, wie sind Sie auf die Idee gekommen, von München nach Dresden zu ziehen?

Knerer: Das war Zufall. Wir hatten damals, Anfang der Neunziger Jahre den Eindruck, dass es hier viel zu tun gibt. Aber wir sind da nicht die einzigen. Es gibt viele Büros, die nach dem Studium hierher kamen, um was zu bewegen.

Gab es denn damals viel zu tun?

Knerer: Mehr als die damals in Dresden ansässigen Büros schaffen konnten. Das war unser Glück. Das ging sogar so weit, dass ein Kollege, der zu einem Wettbewerb eingeladen war, seine Einladung an uns junge Kollegen weitergab. Das würde heute niemand mehr machen. Wir haben einen der beiden ersten Preise bekommen, mit dem Büro von Peter Kulka zusammen. Da waren wir richtig stolz.

Worum ging es im Wettbewerb?


Knerer: Um die städtebauliche Neuordnung an der Hauptstraße in der äußeren Neustadt und um die 70er-Jahre-Plattenbauten. Die Bausubstanz war sehr marode. Da musste dringend etwas passieren. Das Büro Kulka und wir hatten uns im Wettbewerb für den Erhalt der Plattenbauten ausgesprochen. Die Woba fand das gut.

Sie haben daraufhin über viele Jahre hinweg Schritt für Schritt alle Plattenbauten an der Hauptstraße saniert. Damit sind Sie bekannt geworden.

Lang: Nicht ganz. Es gibt Abschnitte an der Hauptstraße, die haben andere Büros gemacht.

Aber Sie gelten als die Woba-Architekten von Dresden.

Knerer: Ganz falsch. Mit den Wohnungsbauten haben wir dank der Woba mehrere Projekte realisiert, die oft veröffentlicht wurden und zum Teil auch Preise bekommen haben. Da hat sich dieser Eindruck verfestigt. Wir wollen uns aber nicht nur auf Wohnbauten festlegen lassen. Wir kennen uns zwar mit den Plattenbauten sehr gut aus und machen das gerne. Aber wir planen auch viele andere Sachen. Das Zentrum für Energietechnik in Dresden zum Beispiel, oder eine Kältezentrale in Chemnitz.




Lang: Was uns interessiert, sind in erster Linie Räume, egal ob zum Wohnen oder für andere Zwecke. Wir suchen die Herausforderung, beteiligen uns an vielen Wettbewerben.

Wie viele waren es im vergangenen Jahr?


Lang: Etwa sechs, davon drei richtig große. Das ist ein wichtiger Aspekt unserer Arbeit, das gibt uns Gelegenheit uns mit den unterschiedlichsten Themen auseinanderzusetzen. Ein Luxus, auf den wir nicht verzichten wollen.

Wie würden Sie Ihre Architektur beschreiben?

Knerer: Wir versuchen die Zahl der gestalterisch wirksamen Elemente auf zwei, maximal drei zu beschränken, um gut lesbare Strukturen zu schaffen.

Lang: Viele sagen, wir machen straighte, coole Sachen.

Haben Sie Vorbilder?

Knerer: Wir eifern niemandem nach. Wir versuchen immer die Aufgabe zu hinterfragen und dann die beste Lösung dafür zu finden.

Lang: Den Kulka finden wir beispielsweise gut, weil seine Bauten minimalistisch und geradlinig sind.

Knerer: Einen Formalismus zu entwickeln, den wir immer wieder hinplatzieren, das ist nicht unsere Sache. Es gibt viele Büros, bei denen man merkt, wo die Inhaber oder Mitarbeiter zuvor gearbeitet haben. Bei uns passiert das schon deshalb nicht, weil wir nicht in Promibüros gearbeitet haben. Wir versuchen einen eigenen Stil zu entwickeln.




Wie teilen Sie die Arbeit auf?

Knerer: Wir arbeiten zusammen. Wirklich. Es ist völlig egal, wer die Idee hat, wir diskutieren darüber und entscheiden uns gemeinsam für den besten Vorschlag.


Lang: Thomas ist der Visionär. Ich bin eher die Realistin.

Verhandeln Sie beide mit den Bauherren?

Lang: Früher ist es passiert, dass ich gefragt wurde, ob mein Chef kommen könne, weil sie dachten, Knerer und Lang wären zwei Männer. Jetzt ist das anders. In Dresden gibt es mittlerweile viele Büros, die auch von Frauen geführt werden. Das ist hier vielleicht sogar üblicher als im Westen.

Und die Mitarbeiter?


Knerer: Das Team ist total wichtig. Wir haben die Vorstellung, dass die Mitarbeiter von Anfang bis Ende an einem Projekt arbeiten können. Das klappt nicht immer, weil diejenigen mit guten Ideen nicht immer die richtigen Ansprechpartner für die Baufirmen sind. Niemandem, der entwirft, kann egal sein, wie das Detail aussieht.

Modelle oder Renderings?

Knerer: Wir bauen oft auch große Modelle, weil man mit 3D-Zeichnungen manchmal an Grenzen gerät. Wenn es darum geht, den Bauherren zu überzeugen oder zu zeigen, wie bestimmte Details aussehen, sind Modelle einfach total wichtig. Auf dem Rechner benutzen wir Programme, die man schnell lernen kann und die zuverlässig funktionieren. Bei einem Wettbewerb hatten wir mal das Problem, dass die Perspektiven nicht rechtzeitig aus dem Rechner kamen, weil die eingesetzte Software zu aufwendig und unser 3-D Modell zu komplex waren. Da war dann wochenlange Arbeit umsonst.

Wie hat sich die Situation für Architekten in Dresden verändert seit 1993?


Lang: Ich war gerade in München. Dort geht es um eine neue kulturelle Nutzung für den Marstall, die ehemalige Hofreitschule von Leo von Klenze. Alle Politiker sagen dort: München solle sich als offene zukunftsorientierte Stadt präsentieren. Man will die Möglichkeiten nicht einschränken. Dresden ist hingegen ein reaktionäres Pflaster, das muss man wirklich sagen. Das Killerargument bei den Bauberatungen ist immer: Das ist ja nur Optik. Und dann kommt der Vorwurf: Architekten wollen sich doch nur selber verwirklichen.

Knerer: Man muss Architektur mit pragmatischen Argumenten begründen können. Brandschutz und Wirtschaftlichkeit - dann bekommt man was durch.




Wie steht es aus Ihrer Sicht um die bekannte Begeisterung der Dresdner für ihre Stadt? Es wird heftig um die Bebauung des Neumarktes an der Frauenkirche diskutiert.

Knerer: Am Neumarkt geht es längst nicht mehr um Architektur, sondern um Klischees. Viele verwenden hier den Begriff Barock ohne zu wissen was das ist. Das finde ich schwierig. Problematisch ist auch, dass vielen Dresden als Vorbild gilt. Berlin zum Beispiel, bei der Diskussion zum Wiederaufbau Stadtschloss, bezieht sich auf das gute Beispiel der Frauenkirche in Dresden, obwohl die Situationen sehr unterschiedlich sind.

Lang: Ein Problem, das man als Architekt mit dem Wiederaufbau hat, ist, dass es meist keiner ist.




Knerer: Ich glaube der Neumarkt hat mit Architektur nichts zu tun, das ist nur ein Schauplatz, mit dem man eine bürgerliche Sicherheit zurück gewinnen will, die man in Bezug auf etwas vermeintlich Gutes sucht.

Mischen Sie sich ein in die Diskussion?

Knerer: Wir waren neulich zu einer Diskussionsveranstaltung zum Neumarkt. Wir hatten ja einen Preis im Wettbewerb zum Neubau des Gewandhauses gewonnen. Ohne ins Detail einsteigen zu wollen, wie gerade Vertreter der Wiederaufbaufraktion dort auftreten, aber das ist keine Diskussionskultur, der man sich gerne aussetzten möchte.

Für wen würden Sie niemals bauen?


Lang: Wir haben schon Aufträge abgelehnt, weil uns jemand suspekt war. Aber gleichzeitig sind uns viele unserer Bauherren so ans Herz gewachsen, dass sie unsere besten Freunde geworden sind.

Knerer: Wir treffen sie häufig.

Zum Beispiel beim von Ihnen initiierten Bauherrenkochen?

Knerer: Ja, wir dachten, wir machen jetzt mal eine große Feier mit allen Bauherren zusammen, die müssten ja eigentlich gut miteinander auskommen, denn sie haben ja schließlich auch etwas gemeinsam.

Sie haben für alle gekocht?

Lang: Wir suchen die Rezepte aus und gehen einkaufen. Für mehrere Gänge. Gruppen mit 5 bis 6 Leuten kochen dann zusammen.




Das hat funktioniert?

Knerer: Wenn man eine Party macht und die Gäste kennen sich nicht, fremdeln sie erstmal und wissen nicht worüber sie reden sollen.

Lang: Wir haben unsere Gäste deshalb einfach gemischt und Zettel ziehen lassen, wer mit wem kocht. Beim ersten Mal gab es noch ein paar Tauschwünsche, das haben wir einfach erstmal ignoriert. Schließlich geht es ja auch ums gegenseitige Kennenlernen. Das hat dann super funktioniert.

Entstanden daraus neue Aufträge?


Knerer: Darum ging es nicht. Wir wollen vermitteln, dass wir uns auch nachher noch für das Projekt interessieren, dass wir uns mit den Bauherren gut verstehen und dass es keinen Grund gibt, sich vor der Zusammenarbeit mit einem Architekten zu fürchten. Hier gibt es sehr viele Leute, die ein Haus bauen, und niemals auf die Idee kommen würden, Architekten zu beauftragen. Bauen mit Architekten läuft hier leider oft noch unter Luxus.

Mit welchen Argumenten überzeugen Sie interessierte private Bauherren?

Lang: Wir wollen sie nicht um jeden Preis überzeugen. Eine eventuelle Zusammenarbeit hat ja auch sehr viel mit Sympathie und vor allen Dingen mit Vertrauen zu tun.

Vielen Dank für das Gespräch.




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