Crystal Talk
Text: Cordula VielhauerFotos: Torsten Seidel

Arbeiten

Arbeiten hsh


Diese Lückenbebauung besteht fast zur Hälfte aus Lücke und nur zur anderen Hälfte aus Bau. Verschwendung? Nicht, wenn man bedenkt, dass die Lücke vorher gar kein Baugrundstück war, sondern lediglich als Durchfahrt zum hinteren Hammergrundstück diente. Und da kommt man jetzt immer noch hin. Darüber aber sind - eingeklemmt zwischen zwei Altbauten - drei Container ziemlich hoch gestapelt worden, bis unters Dach, und dann auch noch versetzt zueinander (als baurechtliche Legitimation wurden dafür die Erkervor- und Fassadenrücksprünge der historischen Nachbarbebauung zitiert). Der mittlere Container hat darum einen Balkon zur Straße hin.

Nun ja, denken wir, eine dreigeschossige Maisonette auf vier Metern Breite? Abzüglich der Treppe bleibt da nicht mehr viel Platz zum Wohnen, vom ewigen Treppensteigen mal ganz abgesehen. Doch soweit haben die Architekten auch gedacht, die Lösung sieht daher ganz anders aus: In den dem benachbarten Altbau zugeschalteten "Containern" befinden sich lediglich die Küchen und Bäder - Räume, bei denen man einen echt knarzigen Altbaucharme schon aus hygienischen Gründen nicht wirklich vermisst. Den kam man dafür in den Wohn- und Schlafzimmern der Etagenwohnungen erleben.

Und da die Jungs von Hoyer Schindele Hirschmüller echte Raumfrickler sind, reicht ihnen die Querverbindung mit Blick zur Altbauwohnung nicht aus, sie inszenieren auch die Längsrichtung der Container: Zur Straße hin sind die Küchen angeordnet, zur Gartenseite die Bäder. Zwischen beiden verläuft eine Schiebewand, die sich bis auf einen Wandvorsprung zurückschieben lässt, so dass das Badezimmer inklusive Gartenblick visuell mit in die Küche einbezogen werden kann. Doch - keine Angst: Weil das Bad rund einen Meter höher gelegt ist, verschwinden alle Sanitärmöbel unsichtbar im Boden bzw. hinter dem Wandvorsprung.

Auch statisch funktioniert dieser "urbane Parasit" nach dem "Containerprinzip": Die Boxen sind ein eigenständiges Tragsystem und wurden mittels eines Stahlträgers wie ein Rucksack an den Nachbaraltbau angehängt.

E-WERK

Umbau und Sanierung des E-Werks sind HSH's bisher größtes realisiertes Projekt: Hier konnten sie mit dem Pfund ihrer Erfahrung beim Umgang mit Altbau- und denkmalgeschützter Substanz wuchern. Das Gebäude hat eine bewegte Geschichte hinter sich: 1924-28 wurde das ehemalige Blockkraftwerk von Hans Heinrich Müller zum Abspannwerk umgebaut, nach dem Zweiten Weltkrieg blieb es als Ruine ungenutzt, um in den neunziger Jahren von der Techno-Szene wieder entdeckt zu werden. Seit 2005 ist der Umbau zum Bürogebäude für ein IT-Unternehmen fertig, eine Halle und die auf dem Dach gelegene "Chillout-Lounge" werden aber als Referenz an die legendäre Zwischennutzung des "E-Werks" für Veranstaltungen vermietet.




Der Komplex besteht aus drei Teilen: Den Abspannwerken Nord und Süd sowie einer Warte. Als erstes pellten die Architekten das Gebäude aus seinen überflüssig gewordenen Brandmauern: Es war zur Zeit seiner Errichtung in das verwinkelte Gefüge des Buchhändlerquartiers eingeschlossen gewesen und hatte sich daher nur nach innen und oben entwickeln können. Die Fassade war nur zum Innenhof hin expressionistisch ausgestaltet worden, und das Gebäude ragte weit über seine Nachbarn hinaus. Von letzteren war nach dem Zweiten Weltkrieg wenig übrig geblieben, so dass HSH den Komplex großzügig öffnen konnten, wobei sie die neu geschaffenen Sichtachsen nach außen hin durch farbige Brüstungselemente markierten, während die "aufgeschnittenen" Flächen dunkel verputzt wurden.







Der streng am Raster ausgerichteten Architektur Müllers stellten sie organisch geformte ergänzende Volumen zur Seite: Ein neuer, geschwungener Treppenturm erschließt den nördlichen Komplex, die frei geformte Chillout-Lounge thront auf dem Dach des südlichen Baukörpers, auch die eingestellten Servicebereiche entwickeln sich entlang amöbenhafter Grundrisse. Während von der Altbausubstanz an der Fassade und in den Hallen so viel wie möglich von der vorhandenen Patina erhalten wurde, grenzen sich die neuen Elemente mit ihrer glatten Haut bewusst ab: So sind Treppenhausturm und Lounge in ein mattes Aluminium gekleidet, einer Nicht-Farbe, die die Umgebung unscharf reflektiert. Die Bürobereiche in den oberen Geschossen wurden dagegen vollständig umgestaltet und modernisiert, einzelne erhaltene Fundstücke und Zitate verweisen hier auf den vormals industriellen Kontext.





WOHNHAUS IM GRUNEWALD

Mit diesem Wohnhaus im Berliner Stadtteil Grunewald ist nun auch für Hoyer Schindele Hirschmüller endgültig die Mauer gefallen. Es ist ihr erstes Projekt im Westteil der Stadt und wurde im Sommer 2006 fertig gestellt. Die lockere Bebauung des Viertels mit wenigen städtebaulichen Bezügen machte eine freie, fast idealtypische Herangehensweise möglich: Das Entwurfsprinzip besteht aus vier Raummodulen, die an drei Seiten um einen Innenhof angeordnet sind. Dadurch ergeben sich immer wieder Verschränkungen von Innen- und Außenraum, große Terrassen ergänzen die angrenzenden Wohnräume, ein zum Turm gewordenes Dachzimmer setzt einen vertikalen Akzent. Das strahlende Weiß und die skulpturale Verteilung der Volumen erinnern an eine futuristisch getunte Moderne und grüßen ihre gar nicht so weit entfernten Vorbilder, die Villen der Luckhardt-Brüder oder Erich Mendelsohns...