Crystal Talk
Text: Oliver ElserFotos: Torsten Seidel, Hans Christian Schink, AFF

Interview

AFF


Woran arbeitet Ihr gerade?

Sven Fröhlich
Daran, dass es Frühling wird.

Martin Fröhlich
An der Vergrößerung der Familie

Könnt Ihr da einen Beitrag leisten?

(lachen)

Also – woran arbeiten AFF als Architekten?

Sven Fröhlich
Wir haben hier um die Ecke die vielleicht nächstliegende Baustelle, die man als Büro haben kann. 200 Meter entfernt. Eine Schule. Beim Schloss Freudenstein haben wir mit diesen Umbau- und Sanierungsgeschichten angefangen. Jetzt betreuen wir seit drei Jahren Umbauten, Schulen, Schulerweiterungen.

Da macht Ihr tatsächlich auch die Bauleitung? Also nicht nur die künstlerische Oberleitung?


Martin Fröhlich
Ja, das gehört zum Bauen und zur Architektur dazu. Wir sind dem Handwerk sehr nah, nicht nur weil einige selbst erst einen Beruf gelernt haben.

Nämlich welche?

Martin Fröhlich
Wir haben Maurer, Modellbauer oder Baufacharbeiter, wie das so schön hieß, an Bord. Zur Schule: Das ist ein Erweiterungsbau, keine energetische Sanierung. Dann machen wir noch ein Reihenhausprojekt. Ein echtes Baugruppenprojekt. Mit elf Bauherren.

Zieht Ihr selber mit ein?

Martin Fröhlich
Ja. Eigentlich wollte das ganze Büro einziehen, aber es sind dann nur drei Leute übriggeblieben. Ansonsten tüfteln wir an Entwürfen zu Wettbewerben.

Der größte Wettbewerbserfolg in letzter Zeit war das Sprengelmuseum in Hannover?

Sven Fröhlich
Der größte war Freiberg, was ja dann auch gebaut wurde. Das Sprengelmuseum war ein vierter Platz.


Vor kurzem war im Deutschen Architekturzentrum, dem DAZ, eine Ausstellung zu sehen, die Euch als Sammler zeigt. Wo verstaut Ihr die ganzen Dinge, die dort zu sehen sind, denn sonst so?

Martin Fröhlich
Hier im Büro.

Wie bitte?

Sven Fröhlich
Naja, es war noch ein bisschen voller hier. Ich weiß ja nicht, wie‘s bei Dir zuhause aussieht ... Aber bei uns daheim so ähnlich wie im Büro. Dabei haben wir unsere Dunkelkammer sogar schon abgebaut und verkauft! (zum Fotografen Torsten Seidel:) Eine Linhof könntest Du noch haben!

Ihr hattet eine Profi-Plattenkamera?

Martin Fröhlich
Sven hat mal Fotografie studiert. Ich war eher der Nikon-F3-Typ.


Die ganzen Fotos in Eurer Ausstellung habt Ihr nicht mit dem Handy gemacht?

Sven Fröhlich
Schon, aber... Also da gibt es noch analoge Bestände, die sind noch gar nicht aufgearbeitet. Wir waren mal – da gibt es sogar ein Bauwelt-Heft dazu – im Pionierferienlager Artek auf der Krim, davon gibt es noch 5000 Dias (es ist Heft Bauwelt 16.2000).

Warum ward Ihr dort?

Martin Fröhlich
Na, das war das größte Pionierferienlager! (lachen) Natürlich unter dem Aspekt: Da im Osten gibt‘s auch ne Moderne! Bei uns hingegen, in der Ex-DDR, guckten damals alle in den Westen. Das war ein Seminar, das wir als Assistenten an der Uni gemacht haben. Aber auch Abenteuerlust.



Noch mal zu Eurer Sammelleidenschaft: Ihr häuft beide solche Mengen an Sachen an?

Sven Fröhlich
Nicht nur – das Material ist vom ganzen Büro. Das war uns wichtig: Dieses Team hier zu schärfen.

Martin Fröhlich
Das ist so, wie Du als Schreiber bzw. Beschreibender zitierst. Du hast ganz viel gelesen und könntest Dich auch in Zitaten unterhalten...

...das glaubt Ihr!

Martin Fröhlich
So‘n Bild haben wir davon! (zu Torsten Seidel) Du als Fotograf hast ein Bildgedächtnis, als Schreibender hast Du ein Textgedächtnis.


Und als Architekt...

Martin Fröhlich
... biste irgendwo dazwischen: zwischen Text-, Bild- und Objektgedächtnis.

Und verwendet Ihr diese Objekte aus der Sammlung manchmal als Ready-Made, quasi 1:1 in die Architektur eingebaut?

Sven Fröhlich
Dazu gäbe es auch ein gewisses Lager. Aber solche konkreten Dinge haben wir bewusst nicht in die Ausstellung getan. Wir haben sogar ein Verbot ausgesprochen: Du darfst keine Bauteile hintragen. Ich könnte Dir sofort den Schrank aufmachen, Dir ‚ne Kiste mit irgendwelchen Kabelschellen rausholen ...

Aber Ihr verwendet nichts konkret so, wie es hier gesammelt ist?

Sven Fröhlich
Du würdest es entdecken, wenn Du Dir Freiberg anschaust oder jetzt die Schule. Da gibt‘s so Details. Zum Beispiel einen Türanschlagstopper, der aus einem ganz anderen Bereich stammt, aus dem Fahrzeugbau zum Beispiel.

Ihr fotografiert gerne verschneite Autos, richtig?


Martin Fröhlich
Die Frage klingt nach der Offenlegung eines Fetischs, so ist es nicht. Wir fotografieren alles, was uns fasziniert. Das schönste an den verschneiten Autos war, dass Du da dieses deutsche Wertbild hast, diese Edelkarosse, für die man ein Leben lang spart. Die Leute geben mehr für Autos aus als für Architektur. Die pflegen ihre Autos mehr als Architektur. Das sind so Gleichnisse, die wir gern benutzen, wenn wir mit Bauherren reden.

Über Autos?

Martin Fröhlich
Nicht nur Autos. Wir sind in einer Zeit groß geworden, in der wir das Fernsehen und andere neue Medien zur Verfügung hatten. Da kannst Du, wenn Du eine Schule baust, auch über Teletubbies reden...

Teletubbies?

Sven Fröhlich
Meinetwegen auch Teletubbies, ja. Bei uns läuft viel über Beispiele. Als Metaphern gesehen. So was kommt grundsätzlich auch bei Bauherren an. „Schauen Sie sich doch mal Ihr Auto an, da haben Sie doch auch alles richtig gemacht“. Da kann man sich den Bauherren einfacher verständlich machen, als immer nur über Architektur zu reden.



Die Betonhütte im Erzgebirge – wie ist dazu die Geschichte?

Sven Fröhlich
Die Region hat viel mit unseren sportlichen Wurzeln zu tun: Skilauf, Langlauf, also insofern auch etwas mit Erinnerung.

Immer die Erinnerung.

Sven Fröhlich
Es ist schon so, dass wir Nostalgiker sind. Alte Autos, bei denen man selber den Motor erklären kann...

Zurück zur Betonhütte:

Sven Fröhlich
Durch einen Zufall haben wir auf einer Auktionsplattform diese Immobilie gesehen. Das könnte ein Ort sein, wo man ein Experiment macht – ohne erstmal zu wissen, was genau. Denn hat es zwei Jahre gedauert.


Martin Fröhlich
Wenn Du als Architekt in Urlaub fährst, ärgerst Du Dich immer, wenn Du in einem hässlichen Ambiente sitzt, auf Plastikstühlen. Wo Du doch sonst den ganzen Tag damit beschäftigt bist, den Leuten so was auszutreiben! Wir wollten das besser machen. Also, die Hütte liegt im Außenbereich, zehn Meter vor dem Ortseingangsschild. Die baurechtliche Situation war deswegen so, dass Du nichts wegreißen und neu bauen darfst. Daraus entstand die Idee, dass wir sie mit Beton abgießen. Wir konnten sie ja nur um zehn Prozent erweitern. Das ist eine Faustregel für Bauten im Außenbereich.

Gegenüber dem Bauamt legt man die Karten auf den Tisch und sagt, also wir haben jetzt so 'ne Hütte gekauft und wollen Sie mit Beton abgießen?

Martin Fröhlich
Nee, Bauantragspläne sind 1:100 plus eine grobe Beschreibung. Man geht ja nicht ins Detail.

Die jetzige Innenfläche ist also die alte Außenhaut?

Martin Fröhlich
Ja.

Heizung gibt’s nicht?

Sven Fröhlich
Das haben wir vorher mit einem Freund diskutiert, der ist Bauphysiker. Wir sind in der Hütte im Schnitt 20 Tage pro Jahr, da ist es unwirtschaftlich zu dämmen. Der Freund meinte: Macht es anders, installiert etwas, das eine große Strahlungswärme hat. So funktioniert jede Berghütte, die gemauert ist: Wärmt Euch am Ofen und am nächsten Tag seid Ihr wieder weg!



Zugleich ist es ein romantisches Anti-Wärmedämmung-, Anti-Thermohaut-Statement?

Sven Fröhlich
Wir wollten schon die Urhütte, korrekt.

Martin Fröhlich
Ja, wir sind gegen dieses Deutschland-dämmt-sich-zu-Tode. Ist es da nicht ein politisches Statement, wenn wir fragen, wie viel Wärme man eigentlich wirklich braucht?
Aber im Grunde machen wir das ja bei jedem Projekt.

Aber die Betonwände strahlen kalt zurück?

Martin Fröhlich
Das ist bei jeder Berghütte so.

Ein Holzbau würde sich leichter aufheizen. Stichwort: Barackenklima.

Martin Fröhlich
Ja, aber nicht im Hochgebirge. Wenn Du ziemlich weit oben bist, hast Du Steinhütten. Aber stimmt schon: Holz, gestapelt, hätte da Vorteile gebracht. Nur war aber bereits der Bestand aus Holz. Da wollten wir dann mit Kontrast und Abdruck spielen.


Wie übersetzt Ihr diese Erfahrung in normale Projekte?

Martin Fröhlich
Wenn ein Einfamilienhaus-Bauherr kam, kam der mit dem Wunsch nach 250 Quadratmetern Wohnfläche. Und ist meistens mit einem 150-Quadratmeter-Haus von AFF wieder gegangen. Wir haben die Leute immer runtergedimmt und sie gefragt, was eigentlich notwendig ist. Viele Häuser sind viel kleiner geworden. Eher war es schwierig, mit den Fachplanern zu diskutieren, ob man alle Zimmer durchtemperieren muss. Die Bauernhäuser haben nie so funktioniert, da war im Winter nur die Stube warm.

Sven Fröhlich
Wir haben immer schon den Bauherren erklärt: Gebt 30.000 Mark für Eure Fenster aus und nicht bloß 10.000. Denn die baut Ihr nie wieder aus. Macht Euch lieber nur‘n Zement-Estrich in das Haus. Wenn Ihr dann das Erbe antretet oder eine Gehaltserhöhung kriegt, könnt ihr immer noch einen Holzboden reinlegen. Oder‘n Perser kaufen.

Martin Fröhlich
Wenn Du zu Familien kommst, die Sklaven ihres Hauses sind, das ist eigentlich das Schlimmste!


Diese Schule in Berlin Adlershof, die Anna Seghers Gemeinschaftsschule - was ist der Clou bei der Fassade?

Martin Fröhlich
Es ist eine Wärmedämmverbund-Fassade. Hoch gedämmt, dass sie die aktuellen Wärmeschutzverordnungen sogar unterbietet. Wenn Du Wände mit Kalksandstein machst, davor die Dämmung und den Putz, dann hast Du das günstigste Bauteil, was heute zu kriegen ist. Wir haben ja die Industrialisierung im Bauwesen! Für uns war die Frage: Wie können wir da weiterdenken? Was können wir mit der Oberfläche machen, vielleicht mit einer Sgraffitto-Technologie. Wir müssen eine Veredelung im Lowcost- Bereich finden. Wir hatten ein Ready-Made, das sind diese Vorhänge, die auch in der Schule hängen...

... diese Tarnnetze, schwedische Tarnnetze.

Martin Fröhlich
Reißfestes Papier, kostet fast nichts. Die nehmen wir, hängen die davor, spritzen durch, fertig. Wie ein Graffiti-Künstler auf der Straße. Nutzen also ein Ready-Made, was übrig ist, um Struktur zu kriegen. Am Ende war es nicht der einfache Vorhang, sondern eine Schablone, ein Prototyp, weil es technisch sauber ist.


Wie ist es denn, als junges Büro im Berlin der Ära nach Stimmann zu arbeiten?

Martin Fröhlich
Wir haben nicht viel während der Ära Stimmann gearbeitet, da fehlten uns die Projekte. Ich kann mir aber vorstellen, dass sich alles mehr öffnet, also etwas weicher in der Sichtweise ist. Die eigentlichen Einschränkungen kommen aber immer noch aus dem Finanzhaushalt.

Sparsamkeit kann ja auch eine Tugend sein.

Martin Fröhlich
Welche Chancen haben Utopien unter diesen Umständen?


Utopien kosten Geld.

Martin Fröhlich
Ich meine nicht, mit Utopie Geld herauszuschleudern. Nein, Utopien musst Du anders denken. Du übertrittst vielleicht die Aufgabenstellung. Mache Häuser, in denen du nur ein warmes Zimmer hast und sich alle treffen, wenn es kalt wird. Baue offene Museen, bei denen man auch mal im Mantel flaniert. Oder Beispiel: Rekonstruktion Dresdner Schloss. Die Dresdner rekonstruieren seit zwanzig Jahren ihr Schloss. Das ist fast schon eine Utopie. Wirtschaftlich rechnet sich das nicht.


Für das Alte wird eher Geld ausgegeben.

Martin Fröhlich
Für Neues gibt‘s wenig Beispiele. Hamburg Opernhaus. Nur selten leistet sich eine kleine Kommune etwas Großes. Für Freiberg war das Schloss schon etwas sehr ungewöhnlich Großes

Wie entstand das Freiberg-Projekt?

Sven Fröhlich
Bauherr war die Stadt, die größtenteils Fördermittel bekam. Der Nutzer war das sächsische Innenministerium mit dem Staatsarchiv sowie die TU-Bergakademie mit der mineralogischen Sammlung, die Stadt Freiberg als Nutzer des Schlosses sowie als vierter im Bunde, die Gastronomie. Das war wie eine Tüte Flöhe hüten.


Martin Fröhlich
Solche Projekte entstehen nur durch engagierte Leute, die eine Vision haben. Da war zum Beispiel der Rektor der TU-Bergakademie, der jetzt sächsischer Finanzminister ist. Der hatte die Vision, die Sammlung dorthin zu bringen. Für das Staatsarchiv gab es schon ein fertiges VOF-Verfahren mit gekürten Architekten, die außerhalb, auf der grünen Wiese, ein Archiv bauen sollten. Trotzdem war die Vision da: Das Schloss steht leer, wir machen in dieses Schloss das Archiv und die Sammlung rein! Das ist so ein bisschen wie in der Steiermark, wenn man in der Architekturgeschichte zurückblickt. Warum haben die dort eine zeitlang so gute Sachen gemacht? Da waren gute Architekten, gute Politiker, gute Entscheidungsträger, die sich vielleicht aus der Schulzeit kannten, da entstehen gute Sachen.


Und wie entsteht aber in Berlin etwas Visionäres?

Martin Fröhlich
Berlin ist halt ein Konglomerat aus vielen Zugereisten und wenigen Berlinern. Die werden sich so nach und nach finden. Dann kommt die Überraschung. Passt auf.

Da wünsche ich Euch alles Gute und danke für das Gespräch.


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Oliver Elser ist Kurator am Deutschen Architekturmuseum. Zahlreiche Architekturkritiken für Zeitungen und Zeitschriften (Frankfurter Allgemeine Zeitung, Süddeutsche Zeitung, Texte zur Kunst, Frankfurter Rundschau, AD - Architectural Digest, Bauwelt, Baumeister etc.) sowie in Katalogen und Büchern. Lehrtätigkeit in Graz und Wien. Er lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Frankfurt am Main.

Projektleitung: Andrea Nakath




Einen ausführlichen Beitrag zur Ausstellung des Archivs von AFF im DAZ finden Sie auf der Online-Seite der Bauwelt.