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Zulässige Mindestsatzunterschreitung muss nicht an fehlender Schriftform scheitern

Nach Treu und Glauben kann ein Architekt, der gegenüber dem Bauherrn entgegen einer mindestsatzunterschreitenden Honorarvereinbarung den Mindestsatz geltend macht, gehindert sein, sich auf die fehlende Schriftform der Honorarvereinbarung gem. § 4 II HOAI 1996 zu berufen.

Hintergrund
Macht der Architekt einen Honoraranspruch geltend, müssen für eine erfolgreiche Durchsetzung des Anspruchs verschiedene Voraussetzungen vorliegen.

Ist die HOAI anwendbar, ergibt sich das Honorar des Architekten in erster Linie aus einer im Rahmen der HOAI-Vorschriften getroffenen Honorarvereinbarung.

Voraussetzung einer wirksamen Honorarvereinbarung ist u.a. die Einhaltung der Mindestsätze und Höchstsätze, es sei denn es liegt ein Ausnahmefall des § 4 II oder § 4 III HOAI vor.
Beispiel
(nach Oberlandesgericht Oldenburg , Urt. v. 28.05.2013 - 2 U 111/12; BGH Beschluss vom 25.06.2015 – VII ZR 147/13 - (NZB zurückgewiesen))
Insbesondere auf Initiative eines Architekten tun sich mehrere Geschäftspartner, die zum Teil auch miteinander befreundet sind, zu einer Projektgesellschaft zusammen, um ein Bauvorhaben zu verwirklichen. In der Gesellschaft nimmt der Architekt eine wesentliche Stellung ein, er ist auch Geschäftsführer. Die Gesellschaft überträgt dem Architekten nunmehr unter anderem Architektenleistungen; hierfür wird – erneut auf Initiative des Architekten – ein mindestsatzunterschreitendes Pauschalhonorar vereinbart. Dabei kalkulierte der Architekt selber die Verkaufspreise unter Berücksichtigung der Maßgabe, dass nach Abzug sämtlicher Kosten (auch des Architektenhonorars) ein angestrebter Gewinn von DM 500.000,00 verbleiben sollte.

Später kommt es zum Streit zwischen dem Architekten und den übrigen Gesellschaftern, der Architekt macht gegenüber der Gesellschaft ein Mindestsatzhonorar geltend und klatg auf Honorar von über € 200.000,00. Der Architekt beruft sich nunmehr darauf, dass die Pauschalhonorarvereinbarung wegen fehlender Schriftform gem. § 4 II HOAI 1996 ohnehin unwirksam sei.

 

Das Oberlandesgericht Oldenburg folgt dieser Argumentation nicht. Richtig sei zwar, dass für eine zulässige mindestsatzunterschreitende Honorarvereinbarung gem. § 4 II HOAI 1996 die Schriftform erforderlich sei. Richtig sei auch, dass es hier auf die Frage der SChriftform ankomme, weil tatsächlich ein Fall zulässiger Mindestsatzunterschreitung gem. § 4 II HOAI 1996 anzunehmen sei (s. Parallelbesprechung). Allerdings sei es hier dem Architekten nach Treu und Glauben verwehrt, sich auf die fehlende Schriftform zu berufen. Zwar sei die Berufung auf eine Formvorschrift nur in extremen Ausnahmefällen als treuewidrig anzunehmen. Ein solcher Ausnahmefall liege hier allerdings vor. Bei der Pauschalpreisabrede zwischen der Gesellschaft und dem Architekten handele es sich rechtlich betrachtet um einen Vertrag, den der Architekt in Form eines In-sich-Geschäftes schloss, da er damals auch Geschäftsführer der Projektgesellschaft war. Diese Konstruktion war zwar entsprechend der Vollmachten des Architekten zulässig, es erscheine aber als in besonderem Maße treuewidrig, dass der Architekt, der unstreitig die Formvorschrift des § 4 II HOAI kannte, es beim Ausschöpfen dieser Vollmachten durch ein In-sich-Geschäft unterließ, die für die Wirksamkeit der Abrede notwendige Schriftform herbeizuführen. Treuewidrig erscheine weiter, dass er es unterließ, seine Mitgesellschafter auf die Konsequenzen der fehlenden Schriftform hinzuweisen. Schließlich sei beachtlich, dass der Architekt erst nachdem bereits das Projekt seit mehreren Jahren abgewickelt worden war, nämlich erst anlässlich eines Streites über mögliche Leistungsfehler seinerseits, den Mindestsatz verlangt habe.

Hinweis
Nach wohl herrschender Ansicht bedarf es für eine wirksame Mindestsatzunterschreitung gem. § 4 II HOAI 1996 (7 Abs. III HOAI 2009/2013) nicht nur der Schriftform viel mehr muss die Schriftform nach wohl herrschender Ansicht auch „bei Auftragserteilung“ vorliegen. (vergleiche OLG Brandenburg, Urteil vom 11.12.2007 .

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