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Urheberrechtsverletzung ohne Eingriff in die Substanz des Werkes?

Eine Urheberrechtsverletzung kann auch dadurch begründet werden, dass die Umgebung des geschützten Werkes und damit die Wahrnehmung des Werkes verändert wird; ein Eingriff in die Substanz des Werkes ist hierbei nicht erforderlich.
Hintergrund
Werke des Architekten sind urheberrechtsschutzfähig.

Aus dem Urheberrecht leiten sich u.a. Persönlichkeitsrechte sowie das Änderungsverbot ab.
Beispiel
(nach OLG Hamm , Urt. v. 12.04.2011 - 4 U 197/10)
Der Betreiber eines Krankenhauses schreibt begrenzt unter drei Künstlern die Gestaltung eines Brunnens für die Cafeteria des Krankenhauses aus. Der Siegerentwurf – ein fünfeckiger Brunnen, der aus einem Becken aus massiven Kalkstein und einem darauf aufgesetzten Quellstein besteht – wird in der Mitte der Cafeteria in einer vorhandenen Vertiefung, zu der an jeder Seite zwei Stufen hinunterführen, aufgestellt. Am Rand der Vertiefung stehen Stühle und Tische für Besucher. Offenbar wegen möglicher Verletzung von Verkehrssicherungspflichten und einem entsprechenden Anraten eines Architekten schließt der Krankenhausbetreiber später die Vertiefung und führt den Fußboden bis an das Becken des Brunnens heran, die entstehende Lücke wird mit Kies gefüllt. Der Brunnen stellt sich nunmehr als in den Boden eingelassen dar. Der Künstler beansprucht – nach erfolglosen vorgerichtlichen Verhandlungen – Entfernung des an das Becken heran gebauten Fußbodens, hilfsweise Aufstellung des Brunnens auf einen Sockel auf Höhe des übrigen Fußbodens.
 
Das OLG Hamm beurteilt den Brunnen als schutzwürdiges Kunstwerk. Auch sei von einer Entstellung bzw. sonstigen Beeinträchtigung des Werkes auszugehen. Es sei weder ein Eingriff in die Substanz des Werkes noch eine Veränderung des Werkes selbst erforderlich, um eine Beeinträchtigung des Urheberrechts zu begründen. Es genüge, wenn die urheberpersönlichkeitsrechte des Urhebers an seinem Werk – ohne inhaltliche Änderung des Werkes – durch Form und Art der Werkwiedergabe und Nutzung beeinträchtigt würden. Eine Beeinträchtigung sei etwa auch dann anzunehmen, wenn ein geschütztes Werk mit Zutaten von dritter Hand zu einem Gesamtkunstwerk vereinigt werde. Denkbar sei auch ein Urheberrechtsschutz gegen Standortverlegung. Dem stehe es gleich, wenn das Werk an seinem Ort verbleibe, aber die Umgebung so verändert werde, dass ein anderer ästhetischer Gesamteindruck entstehe. Das OLG Hamm verweist die Angelegenheit zurück zur Vorinstanz, damit diese – nach einer Inaugenscheinnahme – die hier erforderliche Abwägung zwischen den Interessen des Urhebers einerseits und Interessen des Krankenhausbetreibers andererseits vornehme.
Hinweis
Das Urteil ist ohne weiteres auf Architektenwerke anwendbar; auch hier kann die Veränderung der Umgebung zu einer Urheberrechtsverletzung führen. Eine solche Urheberrechtsverletzung dürfte z. B. zumindest denkbar gewesen sein, als die 1949 durch Gottfried Böhm geschaffene Kapelle Madonna in den Trümmern in Köln durch den 2007 fertig gestellten Neubau des Kölner Diözesan-Museums "Kolumba" von Peter Zumthor umbaut wurde; hier einigten sich allerdings die Architekten außergerichtlich.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck