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Urheberrechtlicher Abwehranspruch gegen Belüftungssystem mit umkofferten Abluftleitungen!

Der Einbau eines sich durch mehrere Zimmer ziehenden Belüftungsystems nebst der erforderlichen Umkofferung der zu verlegenden Abluftleitungen kann eine erhebliche Beeinträchtigung eines Urheberwerkes darstellen.
Hintergrund
Werke des Architekten sind urheberrechtsschutzfähig.

Voraussetzung dafür, daß einem bestimmten Werk Urheberrechtsschutz zuerkannt werden kann, ist, daß das Werk eine persönliche geistige Schöpfung darstellt.
Beispiel
(nach Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg, nachfolgend LG Berlin, Urteil vom 15.06.2016 -65 S 383/14- , Urt. v. 30.07.2014 - 10 C 355/12)
Der Eigentümer eines Gebäudes und Vermieter will im Rahmen einer energetischen Sanierung unter anderem die Fenster insgesamt austauschen lassen; um in Zukunft Schimmelschäden in den vermieteten Wohnungen zu vermeiden, soll dort ein entsprechendes Belüftungssystem eingebaut werden. Der Vermieter fordert die Mieter im Gebäude zur Duldung der Modernisierungsmaßnahmen gemäß § 554 BGB auf.

In einer der Wohnungen des Gebäudes wohnen die Enkel eines zwischenzeitlich verstorbenen, bekannteren Architekten. Dieser hatte das Gebäudeensemble selbst geplant und in der gleichen Wohnung gewohnt. Die Wohnung nimmt eine Sonderstellung in dem Gebäudekomplex ein, sie liegt in exponierter Lage auf dem Dach. Der Großvater hatte zudem die Wohnung unter Berücksichtigung der damaligen Stilrichtungen im Inneren besonders gestaltet und eingerichtet. Gebäude und Wohnung genießen Denkmalschutz. Die Enkel wehren sich nun insbesondere gegen das Belüftungssystem.
 
Das Amtsgericht (und grundsätzlich auch die Folgeinstanz) gestehen den Enkeln des Urheber-Architekten einen Abwehranspruch gegenüber der Modernisierungsmaßnahmen in ihrer Wohnung zu. Das Gericht hält die streitbefangene Wohnung für ein Urheberwerk, welches Ausdruck einer individuellen schöpferischen Leistung sei, die das Durchschnittsschaffen bei weitem überrage. Die Wohnung beziehe ihre besondere Schöpfungshöhe aus der Verbindung kultureller und epochaler Stilrichtungen (sowjetische Architektur, Bauhaus, asiatische Einflüsse) in einem individuell gestalteten Wohnensemble, im Inneren insb. durch die Ausgestaltung von Decken, Fußböden sowie innenliegender Türen und individualisierter Einbauten. Dabei sei es auch unschädlich, dass es sich bei der Architektenwohnung um einen abgrenzbaren Teil innerhalb eines Wohngebäudes handele.

Eine Beeinträchtigung des Werkes sei vor allem in dem avisierten Einbau der Abluftanlage zu erblicken. Der Einbau eines sich durch mehrere Zimmer ziehenden Belüftungssystems nebst der erforderlichen Umkofferung der zu verlegenden Abluftleitungen stelle eine erhebliche Beeinträchtigung des Werkes dar. Das Werk beziehe sein Alleinstellungsmerkmal gerade aus dem Fortbestand einer personalisierten, für die Epoche idealtypische, spezifische Wohnidee. Diese bezieht Elemente wie Großzügigkeit der Räume, Lichtdurchlässigkeit und Proportion von Räumen zu Türen und Fenstern mit ein. Diese Grundkonzeption werde gestört, indem in mehreren Räumen der Wohnung, darunter unter anderem dem Flur sowie den zwei zentral gelegenen, optisch durch Flügeltüren verbundenen Zimmern, ein Trockenbaukoffer mit Abmaßen von 20 × 50 cm eingebaut werde. Entsprechend führe eine Abwägung zwischen den schutzwürdigen Interessen des Eigentümers des Bauwerkes einerseits und dem Erhalt der derzeitig weitgehend im Originalzustand bestehenden Werkform andererseits zu einem urheberrechtlichen Abwehranspruch.
Hinweis
Das Gericht sah in der Tatsache, dass die Wohnung ausdrücklich in den Denkmalschutzbereich eingeschlossen war, auch ein Indiz für die Urheberschutzwürdigkeit. Ob und inwieweit die untere Denkmalbehörde dem Vorhaben des Eigentümers/Vermieters bereits zugestimmt hatte, war dem Fall nicht zu entnehmen.

Kontakt
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Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck