https://www.baunetz.de/recht/Mitverschulden_des_Bauherrn_bei_unzureichender_Rechnungspruefung_des_Architekten_1146699.html


Mitverschulden des Bauherrn bei unzureichender Rechnungsprüfung des Architekten

Ein Bauherr muss sich ein Mitverschulden nicht zurechnen lassen, wenn er vom Architekten freigegebene Abschlagsbeträge an einen später insolventen Bauunternehmer ausbezahlt hat, ohne zuvor selbst noch einmal zu überprüfen, ob wegen einer durch den Bauunternehmer noch nicht vorgelegten Vertragserfüllungsbürgschaft ein Einbehalt möglich gewesen wäre.
Hintergrund
Der Architekt haftet bei Verletzung vertraglicher oder sonstiger Verpflichtungen.

Eine Haftung des Architekten kann aufgrund besonderer Umstände eingeschränkt oder ausgeschlossen sein.

Eine Einschränkung oder ein Ausschluß der Haftung kann sich ergeben aufgrund eines Mitverschuldens des Bauherrn.
Beispiel
(nach OLG Hamm, Rechtskräftig durch Beschluss des BGH vom 04.03.2010 - VII ZR /185/08 , Urt. v. 07.08.2008 - 21 U 78/07)
Ein Architekt ist unter anderem mit den Leistungen der Vergabe und der Objektüberwachung beauftragt. Im Rahmen der Vergabe wird im Verhältnis zu einem Bauunternehmer ein von ihm selbst gestalteter Bauvertrag zu Grunde gelegt. In diesem Bauvertrag wird der Bauunternehmer verpflichtet, eine Vertragserfüllungsbürgschaft zu stellen. Weiter ist geregelt, dass bis zur Erstellung der Vertragserfüllungsbürgschaft der Bauherr einen Einbehalt von 10 % vornehmen kann. Die Vertragserfüllungsbürgschaft soll an den Bauherrn übergeben werden.
 
Die Endverhandlungen über den Vertrag führt der Bauherr alleine. Der Bauunternehmer übergibt eine Vertragserfüllungsbürgschaft nicht. Gleichwohl werden durch den Architekten nach Prüfung der Abschlagsrechnungen Abschlagszahlungen ohne Einbehalt an den Bauunternehmer freigegeben, die der Bauherr auch auszahlt. Es kommt – nachdem der Bauunternehmer insolvent wird und seine Arbeiten abbricht – zu einer erheblichen Überzahlung des Bauunternehmers. Nunmehr nimmt der Bauherr den Architekten in Anspruch (vgl. OLG Hamm , Urt. v. 07.08.2008 - 21 U 78/07). Der Architekt wendet unter anderem ein Mitverschulden des Bauherrn ein.
 
Das Landgericht rechnet dem Bauherrn ein Mitverschulden nicht an. Zwar könne im Einzelfall die Annahme eines Mitverschuldens gerechtfertigt sein, wenn sich der Bauherr trotz ihm auf Grund der Umstände erkennbarer Unrichtigkeiten und Unvollständigkeiten auf die Rechnungsprüfung des Architekten veranlasse. Bei der Beurteilung der beiderseitigen Verantwortungsbereiche sei jedoch von der vertraglichen Aufgabenverteilung auszugehen. Soweit eine Aufgabe dem Architekten zugewiesen sei, dürfe sich der Auftraggeber in der Regel auf die Richtigkeit ihm übermittelter Prüfungsergebnisse verlassen. Ihn treffe gegenüber dem Architekten grundsätzlich keine Obliegenheit, dessen Tätigkeit auf Fehler zu überprüfen. Hier habe der Architekt den Vertrag und auch die Pflicht zur Stellung einer Vertragserfüllungsbürgschaft selber gestaltet. Das Vertragswerk befand sich bei ihm. Darüber hinaus war es alleine Sache des Architekten, die Rechnungsprüfung sachgerecht durchzuführen und dabei alle für die Höhe der zu zahlenden Abschläge maßgeblichen Umstände zu beachten. Daran ändere nichts, dass der Bauunternehmer hatte die Vertragserfüllungsbürgschaft direkt dem Bauherrn zuleiten sollen. Denn auf Grund der Vertragsgestaltung durch den Architekten hatte dieser auch hierüber Kenntnis.
Hinweis
Die Rechtsprechung ist sehr zurückhaltend mit einem etwaigen Mitverschulden des Bauherrn. Allein in dem Fall, in dem der Bauherr entgegen der eindeutigen Rechnungsprüfung und Empfehlung des Architekten die volle Vergütungsforderung des Unternehmers auszahlt, könnten ihm Schadensersatzansprüche gegenüber dem Architekten verwehrt sein (vgl. OLG Brandenburg, Urteil vom 14.12.2005). Wenn der Architekt den Bauherrn verantwortlich und mit der Folge eines möglichen Mitverschuldens einbeziehen will, muss in dem Vertrag ausdrücklich eine weitergehende Mitwirkungspflicht des Bauherrn geregelt werden.

Umso mehr sollten Architekten darauf achten, ihre eigene Haftungsgefahr nicht noch ohne Not zu vergrößern: das Gericht stellte in vorliegendem Fall wesentlich darauf ab, dass der Architekt den Vertrag selber entworfen hatte. Hierzu ist er aber nach allgemeiner Ansicht gar nicht ohne weiteres verpflichtet (vgl. hierzu z. B. Urteil des OLG Hamm vom 28.11.2001).


Kontakt
Für weitere Informationen wenden Sie sich bitte an die Kanzlei:
Rechtsanwälte Reuter Grüttner Schenck